Oberfinanzdirektion Koblenz - S 2221 a, S 2255 A

Aktuelle Informationen zum Realsplitting

Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 86/2005

Bezug:

I. Unterhaltsleistungen an EU/EWR – Ausländer

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom (Rs. C-403/03) die Regelung des § 1a Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, wonach in den Anwendungsfällen des § 1a Abs. 1 EStG Unterhaltsleistungen an Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates nur dann als Sonderausgaben abzugsfähig sind, wenn die Besteuerung dieser Unterhaltsleistungen im anderen Staat auch nachgewiesen wird, als mit dem EG-Recht vereinbar abgesehen, selbst für den Fall, dass in dem anderen Land Unterhaltsleistungen dem Grunde nach überhaupt nicht besteuert werden (hier: Österreich). Die Bearbeitung bisher ruhender Einspruchsverfahren kann wieder aufgenommen werden.

II. Unterhaltsleistungen vom Steuerausländer/Dauerwirkung Realsplitting

Mit Kurzinformation zu ESt Nr. 025/03 vom hatte die OFD zur Besteuerung von Unterhaltsleistungen ausgeführt, dass der Unterhaltsempfänger bei vorheriger Zustimmung zum Realsplitting die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen bis zum gesetzlichen Höchstbetrag bzw. bis zu der in der Anlage „U” vorab festgelegten Höchstgrenze versteuern muss, auch wenn sich die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen beim Unterhaltsgeber steuerlich nicht voll auswirken, oder der Unterhaltsgeber von sich aus einen niedrigeren Betrag als Sonderausgaben erklärt. Bewusst ausgenommen blieb somit der Fall, dass der Unterhaltsgeber für ein Kalenderjahr, für das die Zustimmung des Unterhaltsempfängers noch Gültigkeit hat, überhaupt keinen Antrag auf Sonderausgabenabzug der Unterhaltsleistungen stellt, die gesetzlichen Regelungen hierzu sind nämlich widersprüchlich.

Zur Vermeidung einer früher beobachteten jährlich wiederkehrenden konfliktträchtigen Auseinandersetzung getrennt lebender Ehegatten über die Durchführung des Realsplittings entschloss sich der Gesetzgeber das Realsplitting auf Dauer anzulegen (vgl. BTDrS 10/3350 S. 3 und BTDrS 11/5970 zu Nr. 12). Deshalb wurde durch das WoBauFG 1990 § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG um die Sätze 3 und 4 ergänzt. Die Tatsache, dass der „erste Halbsatz des alten Satz 2” des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wonach der Antrag jeweils nur für ein Kalenderjahr gestellt und nicht zurückgenommen werden kann, durch das WoBauFG 1990 nicht gestrichen wurde, widerspricht allerdings dem o.a. dokumentierten Willen des Gesetzgebers, und steht offen im Widerspruch zu den neu eingefügten Sätzen 3 und 4, wonach die Zustimmung zum Realsplitting (Ausnahme: Fall des § 894 Abs. 1 ZPO) bis auf Widerruf gilt, und der Widerruf nur mit Wirkung auf ein folgendes Kalenderjahr beim Finanzamt erklärt werden kann.

Somit würde sich zur Lösung dieser Problematik nach der juristischen Methodenlehre eine historisch/genetische und/oder teleologische Auslegung geradezu aufdrängen – zumal diese Gesetzesauslegung von der Rechtsprechung des öfteren angewandt wird –, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 (erster Halbsatz) EStG i.d.F.d. WoBauFG 1990 hiernach so auszulegen wäre, dass eine Rücknahme des Antrags analog Sätze 3 und 4 ebenfalls nur mit Wirkung für die Zukunft möglich ist, d.h. dass für den gesamten Zustimmungszeitraum von einer Antragstellung auszugehen ist.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einem Verfahren zum Realsplitting die Auslegung der Norm vorrangig nach der sogen, „grammatisch/sprachlichen” Methode (Gesetzeswortlaut) vorgenommen, die er als objektivierten Willen des Gesetzgebers bezeichnet, der vom eindeutig anderweitig geäußerten subjektiven Willen (hier = Begründung zum Gesetzentwurf) abweichen könne. In seinem Urteil vom  – X R 18/03 hat der BFH entgegen H 166 EStH 2004 entschieden, dass Unterhaltsleistungen zwischen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten ausschließlich nach § 22 Nr. 1a EStG besteuert werden können, obwohl der Gesetzgeber bei Einführung des § 22 Nr. 1a EStG in der Begründung zum Regierungsentwurf des StÄndG 1979 die Auffassung vertrat, dass z.B. Unterhaltsleistungen eines beschränkt Steuerpflichtigen, die von § 22 Nr. 1a EStG nicht erfasst werden, wie vor Einführung des § 22 Nr. 1a EStG nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig seien. Dieser Auffassung folgte der BFH nicht, obwohl der Gesetzgeber seinen Regelungswillen in der Gesetzesbegründung eindeutig und unmissverständlich dokumentiert hat. Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass die vom Gesetzgeber geäußerte Auffassung im Gesetzeswortlaut keinerlei Niederschlag gefunden hätte – entscheidend sei allein der im Gesetz (i.E. wörtlich) zum Ausdruck kommende „objektivierte Wille” des Gesetzgebers.

Übertragen auf die eingangs erwähnte Problematik der Antragstellung des Unterhaltsgebers bei vorhandener Dauerwirkung der Zustimmungserklärung für die Frage der Steuerpflicht der Unterhaltsleistungen bedeutet die v.g. Gesetzesauslegung des BFH zum § 22 Nr. 1a EStG, dass die Grundsätze der Kurzinformation zur ESt Nr. 025/03 nur dann gelten, wenn der Unterhaltsgeber für den betroffenen Veranlagungszeitraum auch tatsächlich einen Antrag auf Abzug der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben stellt. Eine steuerliche Auswirkung ist nicht erforderlich.

Oberfinanzdirektion Koblenz v. - S 2221 a, S 2255 A

Fundstelle(n):
MAAAB-58976