BFH Beschluss v. - X B 103/04

Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben

Leitsatz

Die steuerrechtliche Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben setzt voraus, dass im Übergabevertrag als dessen wesentlicher Inhalt der Umfang des Åbertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung vereinbart werden.

Der rechtliche Mindestbestand der den Vertragstypus prägenden Rechtsfolgen muss klar festgelegt sein. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder für die Zukunft getroffen werden.

Unter diesen Voraussetzungen folgt aus der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass es den Vertragspartnern möglich ist, auf geänderte Bedarfslagen angemessen zu reagieren. Eine Änderung des Vertrags ist anzuerkennen, wenn sie durch nachweisbare Umstände veranlasst ist, die nach Maßgabe des Vertragstexts oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind, und wenn diese Umstände eine veränderte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder eine andere Bedarfslage des Berechtigten anzeigen.

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schloss im Juli 1993 mit seinen Eltern einen notariellen Vertrag, in dem die Eltern dem Kläger Grundstücke unentgeltlich übertrugen und sich an einem Grundstück unter Ausschluss weiterer Gegenleistungen des Klägers zu 50 % den lebenslänglichen Nießbrauch vorbehielten. Im Dezember 1995 vereinbarten die Vertragsparteien wiederum notariell, dass der Kläger seinen Eltern „als weitere” Gegenleistung lebenslänglich als dauernde Last eine monatliche Rente in Höhe von 4 500 DM ab Januar 1996 zu zahlen habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) sowie das Finanzgericht (FG) erkannten die Geldzahlung des Klägers nicht als dauernde Last an.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO dargetan.

1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er eine Rechtsfrage aufwerfen und u.a. ihre Klärungsbedürftigkeit darlegen. Daran fehlt es im Streitfall.

a) Der Kläger hält die folgende Frage für rechtsgrundsätzlich:

„Kann eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last auch in der Weise begründet werden, dass zusätzlich zu der im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge vorgenommenen Einräumung des Nießbrauchs, den sich der Übergeber vorbehalten hatte, nachträglich erhöhte Versorgungsleistungen hinzutreten, wenn die durch den Nießbrauch zurückbehaltene Einkunftsquelle den Lebensunterhalt des Übergebers nicht ausreichend absichert?”

Hierzu ist vorab zu bemerken, dass sich die Frage nach der steuerrechtlichen Einordnung „erhöhter” Versorgungsleistungen deswegen nicht stellt, weil das FG die Vereinbarung vom nicht als Versorgungsvertrag angesehen hat. Der Sache nach geht es auch dem Kläger —so seine eigene Formulierung— darum, ob „neben” einem vorbehaltenen Nießbrauch nachträglich Versorgungsleistungen vereinbart werden können.

b) Das FG hat seine Entscheidung auf mehrere Erwägungen gestützt:

- Der Vertrag vom sei kein Versorgungsvertrag im Sinne des Rechtsinstituts „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen”, vielmehr hätten sich die Eltern mit dem Nießbrauchsrecht eine Einkunftsquelle vorbehalten, aus der sie selbst Erträge erzielten.

- Es liege ein „reiner Übergabevertrag” vor. Eine behauptete mündliche Absprache über etwaige weitere Zahlungen sei durch die spätere notarielle Vereinbarung aufgehoben worden; sie sei jedenfalls nicht hinreichend klar und deutlich gewesen.

- Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Eltern habe auch nicht nachträglich —durch die Vereinbarung vom — den Charakter eines Versorgungsvertrages bekommen. Nach der Rechtsprechung des BFH müsse die Höhe der Versorgungsleistungen im Versorgungsvertrag vereinbart werden, was hier nicht geschehen sei. Der Fall einer —rechtlich möglichen— Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs durch eine private Versorgungsrente sei nicht gegeben. Neben einem unverändert fortgeführten Vorbehaltsnießbrauch könnten nicht zusätzlich als dauernde Last abziehbare Versorgungsleistungen vereinbart werden.

c) Diese rechtliche Bewertung des für den Senat bindend festgestellten Sachverhalts (§ 118 Abs. 2 FGO) wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt die steuerrechtliche Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben voraus, dass im Übergabevertrag als dessen wesentlicher Inhalt der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung vereinbart wird (vgl. , BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020; vom X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21, m.w.N. der Rechtsprechung; vom X R 123/90, BFH/NV 1994, 704; vom X R 50/98, BFH/NV 2000, 1089; Senatsbeschluss vom X B 81/00, BFH/NV 2001, 600). Der rechtliche Mindestbestand der den Vertragstypus prägenden Rechtsfolgen muss klar festgelegt sein. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder —bei einer Änderung der Verhältnisse— für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. , BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281). Unter diesen Voraussetzungen folgt aus der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages, dass es den Vertragspartnern möglich ist, auf geänderte Bedarfslagen angemessen zu reagieren. Eine Änderung des Vertrages ist anzuerkennen, wenn sie durch nachweisbare Umstände veranlasst ist, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrages rechtserheblich sind und wenn diese Umstände eine veränderte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder eine andere Bedarfslage des Berechtigten anzeigen (BFH-Urteil in BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020).

Dies vorausgesetzt ist die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Denn die Rechtsfrage ist nicht anders zu beantworten als das FG entschieden hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 34).

d) Entgegen der Ansicht des Klägers kann aus der Rechtsprechung zur gleitenden Vermögensübergabe in Form der Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs durch Zahlung wiederkehrender Versorgungsleistungen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, m.w.N.) nicht gefolgert werden, trotz Fortbestehens des Vorbehaltsnießbrauchs sei daneben die Vereinbarung von als dauernde Last abziehbaren Versorgungsleistungen rechtlich möglich. Denn bei der Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs durch Versorgungsleistungen erbringt der Vermögensübergeber durch Verzicht auf den Nießbrauch nach der Hingabe des rechtlichen Eigentums ein weiteres Vermögensopfer zugunsten des Vermögensübernehmers, dem bei diesem ein Zuwachs an rechtlicher und wirtschaftlicher Stärke entspricht. Dagegen erleidet im Streitfall die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Vermögensübergeber keine Einbuße, sie wird im Gegenteil durch zusätzliche Rentenansprüche gestärkt. Eine solche Vereinbarung ist —anders als die Ablösung des Nießbrauchs durch wiederkehrende Leistungen— kein weiterer Schritt zur endgültigen Vermögensübergabe. Dass darin keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, sondern die Vereinbarung freiwillig zu erbringender Unterhaltsleistungen zu sehen ist, liegt darin begründet, dass ein qualitativ und quantitativ anderes Versorgungskonzept zugrunde gelegt wird. Dies ist vom FG mit zutreffenden Erwägungen entschieden worden.

2. Weil auch der Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache voraussetzt, kann die vom Kläger begehrte Zulassung der Revision auch nicht auf diesen Zulassungsgrund gestützt werden.

3. Ebenso wenig kann die Zulassung der Revision auf die vom Kläger behauptete Abweichung des angefochtenen Urteils von anderen Entscheidungen gestützt werden.

a) Der Kläger hat es schon versäumt, aus dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten, um ihn einem abstrakten Rechtssatz aus den behaupteten Divergenzentscheidungen gegenüber zu stellen. Denn die Feststellung des FG, dass der notarielle Vertrag über die Übergabe der Grundstücke und den Vorbehalt des Nießbrauchs kein Versorgungsvertrag im Sinne des Rechtsinstituts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist und auch nicht durch die nachträgliche Vereinbarung geworden ist, ist kein abstrakter, aus dem angefochtenen Urteil gewonnener Rechtssatz, sondern das Ergebnis der vom FG vorgenommenen Subsumtion dieser Verträge unter die Rechtsgrundsätze der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.

b) Im Übrigen konnte der Kläger eine Divergenz auch deshalb nicht darlegen, weil das (BFHE 181, 175, BStBl II 1997, 47) sich zu einem Fall äußerte, in dem von vornherein ein Versorgungsvertrag mit Versorgungsleistungen neben einem dinglichen Wohnungsrecht bejaht wurde und weiterhin das dingliche Wohnungsrecht eingeschränkt bzw. zum Teil durch weitere Versorgungsleistungen abgelöst wurde. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt aber einen gleichgelagerten Sachverhalt voraus (vgl. Senatsbeschluss vom X B 60/01, BFH/NV 2002, 347), an dem es hier fehlt. Gleiches gilt für die behauptete Abweichung vom (BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98), in dem ausdrücklich über die Ablösung eines Nießbrauchsrechts durch eine private Versorgungsrente entschieden wurde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BBV-Kurznachricht Nr. 10/2005 S. 5
MAAAB-57764