BFH Beschluss v. - VII B 38/04

Drittauskunftsersuchen während einer Außenprüfung

Gesetze: AO § 93

Instanzenzug:

Gründe

I. Ende 1999 begann eine Prüferin des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) beim Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und dessen Ehefrau mit einer Außenprüfung, welche u.a. die Einkommensteuer der Besteuerungszeiträume 1996 bis 1998 zum Gegenstand hatte. Ein Prüfungsschwerpunkt sollte u.a. die Finanzierung des Kaufes eines Wohngrundstücks sein, das der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom von der Bundesfinanzverwaltung zu einem Kaufpreis von 1 Mio. DM erworben hatte. Der schriftlichen Aufforderung des FA, zur Aufklärung des Sachverhalts einzelne Unterlagen vorzulegen sowie verschiedene Nachweise beizubringen, kam der Kläger nicht nach.

In der Folgezeit ermittelte das FA, dass die Überweisung des Grundstückskaufpreises von einem Konto des Klägers bei der X-Bank erfolgt war. Mit Schreiben vom richtete das FA an die X-Bank ein Auskunftsersuchen gemäß § 93 der Abgabenordnung (AO 1977), durch welches die Bank ersucht wurde, den Kontostand des entsprechenden Kontos des Klägers per mitzuteilen sowie mitzuteilen, ob bis zur Zahlung der 1 Mio. DM am höhere Bareinzahlungen auf das Konto vorgenommen worden seien, sowie anzugeben, ob im Jahre 1996 entsprechende Überweisungen —falls ja, von welchen Konten— erfolgt seien. Einspruch und Klage des Klägers hiergegen hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das an die X-Bank gerichtete Auskunftsersuchen sei insbesondere erforderlich, um einen für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt festzustellen. Denn es gäbe konkrete Hinweise darauf, dass der Kläger über Mittel verfügt haben müsse, deren Existenz der Finanzverwaltung bisher verborgen geblieben sei. Dabei spiele es keine Rolle, dass das Wirtschaftsgut, welches mit den teilweise ungeklärten Mitteln angeschafft worden sei, dem Privatvermögen zuzuordnen sei und auch nur privat genutzt werde. Das Auskunftsersuchen lasse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung auch keinen Ermessensfehlgebrauch des FA erkennen; denn der Kläger habe im Besteuerungsverfahren Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen, zu denen er verpflichtet gewesen sei, verweigert. Allein dieses Verhalten sowie die nicht glaubhafte Einlassung des Klägers, er habe sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf vernichtet, ließen es jedenfalls nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen, die Drittauskunft einzuholen. Der Einwand des Klägers, sämtliche Angaben seien den Steuerakten zu entnehmen, sei unverständlich; es gehe erkennbar gerade um Vorgänge, die keinen Niederschlag in den Akten gefunden hätten.

Der Anregung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom , Beweis über dessen Darlehenshingabe an eine Grundstücksgemeinschaft zu erheben, sei ebenso wenig stattzugeben wie dem Antrag auf Einräumung einer Erklärungsfrist auf den Schriftsatz des FA vom . Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es weder auf die unter Beweis gestellten Behauptungen des Klägers noch darauf an, ob die in diesem Schriftsatz angeführten Umstände zutreffend seien oder nicht.

Mit Schriftsatz vom wandte sich der Kläger an das FG und bat, die von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge sowie die Äußerung des Berichterstatters, dass bis zum Eingang des Schriftsatzes des FA vom die Erfolgsaussichten als positiv eingestuft worden seien, in den Tatbestand aufzunehmen. Das mit Gründen versehene Urteil des FG ist dem Kläger am zugestellt worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit welcher er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht und mehrere Verfahrensmängel rügt, auf denen die Vorentscheidung beruhen soll.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil Gründe, die zu einer Zulassung der Revision führen können, zum Teil nicht in der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Weise dargelegt worden sind, zum Teil nicht vorliegen.

1. Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, weil das FG den Einwand der abgelaufenen vierjährigen Festsetzungsfrist mit dem Hinweis auf die verlängerten Festsetzungsfristen verworfen habe, ohne dass ein konkreter Anfangsverdacht für eine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung gegeben sei, ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht schlüssig dargelegt.

Macht ein Beschwerdeführer grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, muss er konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—; s. Nachweise in Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32).

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde nicht.

Weder formuliert der Kläger eine konkrete Rechtsfrage noch trägt er vor, inwiefern das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts eine (Revisions-)Entscheidung des BFH erfordert. Der Kläger wendet sich im Kern seines Vorbringens gegen die seiner Ansicht nach unzutreffende Auffassung des FG, die Außenprüfung dürfe auch Besteuerungszeiträume erfassen, für welche die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, wenn möglicherweise Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden seien. Einwendungen gegen die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des FG, mit denen eine fehlerhafte Anwendung und Auslegung des materiellen Rechts geltend gemacht wird, vermögen indes die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215, m.w.N.).

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine Außenprüfung auch dann zulässig ist, wenn festgestellt werden soll, ob Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind (, BFHE 151, 324, BStBl II 1988, 113) und daher die verlängerte Festsetzungsfrist eingreift. Eine insoweit sich ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht —entgegen der Auffassung des Klägers— nicht (, BFH/NV 1990, 347). Nach dem (BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433) steht selbst die Verjährung der zur Überprüfung anstehenden Steueransprüche dem Erlass einer Prüfungsanordnung nicht entgegen. Das angefochtene Urteil steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Denn Verfahrensmängel, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann, liegen nicht vor oder sind nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden.

a) Der von dem Kläger gerügte Verfahrensmangel, dass das FG seine Sachaufklärungspflicht verletzt habe, weil es die Beweisangebote des Klägers im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom gemachten Ausführungen des FA abgelehnt habe, ist nicht gegeben. Das FG hat dem Antrag des Klägers, Beweis über die Darlehenshingabe an eine Grundstücksgesellschaft durch Akteneinsicht und Zeugenvernehmung zu erheben, zu Recht nicht entsprochen.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Beteiligten nicht angeboten worden sind (vgl. , BFH/NV 1989, 38). Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall u.a. nur verzichten, wenn es nach dem insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt (Senatsbeschluss vom VII B 144/03, BFH/NV 2004, 651, m.w.N.).

So gestaltet sich der Streitfall. Das FG hat in seinen Entscheidungsgründen den Beweisantrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass es weder auf die unter Beweis gestellten Behauptungen des Klägers noch auf die in dem Schriftsatz des FA vom geschilderten Umstände ankomme. Nach dem —insoweit maßgebenden— materiell-rechtlichen Standpunkt des FG war für die Annahme eines ermessensfehlerfreien behördlichen Auskunftsersuchens allein maßgebend, dass der Kläger während der Außenprüfung Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen verweigert hat und seine Einlassung, er habe sämtliche im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf stehenden Unterlagen vernichtet, nicht glaubhaft gewesen ist. Da die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angebotenen Beweismittel nach der Rechtsauffassung des FG nicht entscheidungserheblich waren, konnte das FG diese auch ohne Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht unberücksichtigt lassen.

b) Mit den von der Beschwerde gerügten angeblichen Mängeln im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt. Einwendungen gegen die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen ggf. zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (, BFH/NV 1999, 1369). Im Übrigen hat der Kläger einen solchen —entgegen seiner Auffassung— in dem Schriftsatz vom nicht gestellt. Das vollständige Urteil ist dem Kläger am zugestellt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte er gesicherte Kenntnis über den genauen Inhalt des Tatbestandes erhalten und ggf. Berichtigung des seiner Ansicht nach unvollständigen Tatbestandes beantragen (vgl. § 108 Abs. 1 FGO).

c) Soweit der Kläger rügt, das FG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einräumung einer Erklärungsfrist zu dem Schriftsatz des FA vom abgelehnt habe, ist die Beschwerde ebenfalls nicht begründet.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO gewährleistete Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern sowie in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten (ständige Rechtsprechung; vgl. Nachweise in Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 10a). Diesem Anspruch entspricht die Pflicht des Gerichts, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Allerdings darf das Gericht ein Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., m.w.N.). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kommt daher nicht in Betracht, wenn das Gericht ein Vorbringen eines Beteiligten als unerheblich ansieht und infolgedessen dem anderen Beteiligten keine angemessene Zeit zur Gegenäußerung einräumt.

Dementsprechend hat das FG vorliegend den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Nach der —insoweit maßgebenden— Rechtsauffassung des FG waren die mit Schriftsatz des FA vom geschilderten Umstände nicht entscheidungserheblich. Das FG konnte daher dieses Vorbringen des FA bei seiner Entscheidung außer Acht lassen, ohne dass es sich mit dessen Inhalt näher auseinander zu setzen hatte. Mithin konnte das FG auch den Antrag des Klägers auf Einräumung einer Erklärungsfrist zu dem Schriftsatz vom ablehnen, ohne dabei den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör zu verletzen.

d) Schließlich kann die Beschwerde mit der Rüge, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es mehrere entscheidungserhebliche Aspekte nicht berücksichtigt habe, vielmehr ohne ausreichende Überprüfung den Darstellungen des FA gefolgt sei, nicht zum Erfolg führen. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, inwiefern das FG gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen haben soll.

Die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (, BFH/NV 2005, 339; Senatsbeschluss vom VII B 4/99, BFH/NV 2000, 214). Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt hingegen nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den Vorstellungen des Klägers gewürdigt hat.

Im Streitfall hat das FG sämtliche nach seiner —insoweit maßgebenden— Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass das Auskunftsersuchen des FA an die X-Bank ohne Ermessensfehler ergangen sei, weil die Angaben des Klägers zur Finanzierung seines Grundstückskaufs in erheblichem Maße lückenhaft geblieben seien und der Kläger weitere Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen verweigert habe. Wie sich aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt, hat das FG dabei die vorgebrachten Einwände des Klägers durchaus zur Kenntnis genommen; es hat diese allerdings nicht den Vorstellungen des Klägers entsprechend gewürdigt. Im Kern wendet sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung insoweit gegen die Tatsachen- bzw. Beweiswürdigung des FG in der angegriffenen Entscheidung. Er macht damit aber keinen Verfahrensmangel geltend, sondern greift die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung an. Dies eröffnet jedoch nicht die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. , BFH/NV 1999, 1478; Senatsbeschluss vom VII B 193/01, BFH/NV 2002, 818).

Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang mit seiner Rüge, er habe vor Ergehen des Urteils keine Gelegenheit gehabt, sich zu der Ansicht des FG zu äußern, die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens sei von einer Ermessensentscheidung abhängig, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, nämlich geltend machen will, dass das FG insofern eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, ist diese Rüge ebenfalls unbegründet. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt bereits deshalb nicht vor, weil es dem sachkundigen Kläger von Anfang an klar gewesen sein musste, dass es für den Rechtsstreit darauf ankommen würde, ob die Entscheidung des FA ermessensfehlerfrei getroffen wurde. Dass es sich bei dem Drittauskunftsersuchen um eine Ermessensentscheidung handelt, ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977. Insoweit hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich zu der Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Dem Kläger wurde außerdem rechtliches Gehör durch die mündliche Verhandlung gewährt, in der die streitigen Sach- und Rechtsfragen erörtert wurden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1496 Nr. 9
BAAAB-57318