Anforderungen an die schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und an die Rüge des Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die von ihm geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, unten 1., und Verfahrensmängel, unten 2.) nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt.
1. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, entspricht seine Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen.
a) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss —vom hier nicht gegebenen Fall ihrer Offenkundigkeit abgesehen— schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dies erfordert ein konkretes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu der von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander setzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32 und 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.
aa) Der Kläger hatte im Jahr 1984 seine Ansprüche aus der von ihm im Jahr 1983 abgeschlossenen Lebensversicherung in Höhe von 70 000 DM zur teilweisen Besicherung eines Kontokorrentkredits in Höhe von 91 277 DM an die S-Bank abgetreten. Das in Rede stehende Kontokorrentdarlehen hatte die S-Bank dem Kläger als Betriebsmittelkredit für ein Restaurant gewährt, das seinerzeit vom Kläger und seiner zwischenzeitlich von ihm geschiedenen Ehefrau gemeinschaftlich betrieben wurde. In der Zeit von 1985 bis 1991 hatte der Kläger Lebensversicherungsprämien in Höhe von insgesamt 31 320 DM gezahlt, die er im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen für diese Jahre als Sonderausgaben geltend gemacht hatte. In der Scheidungsvereinbarung vom einigten sich der Kläger und seine frühere Ehefrau darüber, dass diese das Restaurant alleine weiter betrieb und den Kontokorrentkredit übernahm. An der Besicherung durch die Lebensversicherung des Klägers änderte sich dadurch nichts. Am stellte die geschiedene Ehefrau des Klägers den Restaurantbetrieb ein. Der Kontokorrentkredit bestand weiter. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hatte sich der entsprechende Debetsaldo durch Schuldzinsen laufend erhöht. Nach einer Saldenbestätigung der S-Bank wuchs der Sollsaldo im Jahr 1992 um 12 389 DM auf 80 464 DM an.
Am kündigte die S-Bank die Lebensversicherung, nahm diese Kündigung jedoch am wieder zurück und verzichtete gleichzeitig auf ihre Rechte aus der Abtretung.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) von diesen Vorgängen erfahren hatte und im Hinblick auf den durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1992 in § 10 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1992 eingefügten Satz 2 als steuerschädlich einschätzte, versagte es den Sonderausgabenabzug für die gesamte Laufzeit des Lebensversicherungsvertrages und nahm im Einkommensteueränderungsbescheid 1993 eine entsprechende Nachversteuerung vor.
Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das FG führte u.a. aus: Beiträge zu Lebensversicherungen könnten grundsätzlich als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden sei (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 dd EStG). Ein Abzug sei jedoch nach der durch das StÄndG 1992 eingefügten Einschränkung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 1992 ausgeschlossen, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienten, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten seien. Seien die Voraussetzungen für einen Steuerabzug nicht erfüllt, sei eine Nachversteuerung durchzuführen (§ 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1992 i.V.m. § 30 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung —EStDV—).
Die an die S-Bank abgetretenen Ansprüche aus der Lebensversicherung hätten der Sicherung des von der früheren Ehefrau des Klägers übernommenen Betriebsmittelkredits gedient. Dem habe nicht entgegen gestanden, dass die geschiedene Ehefrau den Restaurantbetrieb bereits am aufgegeben habe. Denn die spätere Erhöhung des betrieblichen Kontokorrentsaldos sei dadurch —wie die spätere Entwicklung bestätigt habe— nicht ausgeschlossen worden. Auch habe die Ehefrau die nach Betriebsaufgabe angefallenen, den Kontokorrentsaldo erhöhenden Schuldzinsen tatsächlich als nachträgliche Betriebsausgaben geltend gemacht. Die Besicherung des Kontokorrentkredits sei insoweit nicht von der durch § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 1992 ausgelösten Gesetzesänderung erfasst worden, als er bis zum (= Tag des Beschlusses des Deutschen Bundestages aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses; BRDrucks 100/92, S. 1 und 6) entstanden sei. Insoweit habe ein (steuerunschädlicher) Altfall i.S. von § 52 Abs. 13 a Satz 4 EStG 1992 vorgelegen. Dies folge aus den Besonderheiten bei Kontokorrentkrediten, wonach mit jeder Inanspruchnahme innerhalb des eingeräumten Kreditrahmens ein neues Darlehen aufgenommen werde. Es könne also nur darum gehen, ob für Belastungen des Kontokorrentkredits, z.B. mit Zinsen, nach diesem Stichtag die Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 1992 eingreife. Dies sei im Streitfall zu bejahen. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung hätten der S-Bank nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Tilgung des betrieblichen Kontokorrentkredits gedient. Denn die S-Bank habe den Lebensversicherungsvertrag gekündigt und den Gegenwert der Versicherung zur Tilgung des Kontokorrentkredits herangezogen. Mithin habe ein steuerschädlicher Neufall vorgelegen mit der Folge, dass der Sonderausgabenabzug (rückwirkend) in vollem Umfang verloren gegangen sei, weil es keine „partielle” Steuerschädlichkeit gebe (vgl. Loy, Finanzierungen unter Einsatz von Lebens- und Rentenversicherungen, 3. Aufl., S. 29; Meyer-Scharenberg, Finanzierung mit Lebensversicherungen, 2. Aufl., Tz. 114 und 127).
Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Gesetzesänderungen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 13 a Satz 4 EStG 1992 seien wegen des Rückwirkungsverbots verfassungswidrig (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 2 BvR 326/69 u.a., BStBl II 1971, 433, und vom 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628). Vielmehr handele es sich um eine zulässige unechte Rückwirkung (retrospektive Rückanknüpfung), weil die in Rede stehenden Rechtsnormen lediglich auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingewirkt hätten (, BStBl II 1985, 181, 188). Im Streitfall sei der Sachverhalt deshalb noch nicht abgeschlossen gewesen, weil bis zum Ablauf der zwölfjährigen Bindungsfrist (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 cc und dd EStG 1992) noch nicht festgestanden habe, ob und ggf. wann der Nachforderungstatbestand i.S. von § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG 1992 eingreife.
Zwar seien unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch Einwirkungen auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte unzulässig (, BStBl II 1978, 553, 557). Ein Verstoß gegen den Vertrauensschutz habe indes nicht vorgelegen. Der Kläger habe sich nicht ohne weiteres darauf verlassen können, dass die steuerliche Begünstigung von Lebensversicherungen für alle Zukunft auch für solche Fälle fortbestehen würde, in denen die Verträge nicht zur privaten Vorsorge, sondern zur Finanzierung betrieblicher Investitionen eingesetzt würden. Diese Vertragsverwendung sei, wenngleich sie lange Zeit vom Gesetzestext gedeckt gewesen sein möge, vom Sinn und Zweck der Steuervergünstigung nicht gerechtfertigt gewesen.
Der Gesetzgeber habe im Übrigen dem Vertrauensschutz insoweit Rechnung getragen, als einem Versicherungsnehmer, der seine Lebensversicherung bereits vor dem Stichtag konkret beliehen habe, die alte Rechtslage zugute komme. Zu einem weitergehenden Schutz sei der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet gewesen (, Die Information über Steuer und Wirtschaft —Inf— 1993, 47).
bb) Der Kläger misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, ob im Streitfall eine echte oder —wie das FG nach seiner Ansicht zu Unrecht angenommen habe— eine unechte Rückwirkung vorliege. Keine der vom FG zur Stützung seiner Auffassung herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidungen treffe die im Streitfall vorliegende Problematik. Es gehe im hier zu beurteilenden Fall nicht um die Frage der Auswirkung der Gesetzesänderung für die Zukunft. Die nach der Gesetzesänderung gezahlten Lebensversicherungsprämien seien unbestritten nicht (mehr) als Sonderausgaben abziehbar. Anderes müsse dagegen für die vor 1992 geleisteten Lebensversicherungsbeiträge gelten. Der Steuerpflichtige müsse davon ausgehen können, dass bei Steuertatbeständen, welche an Handlungen anknüpften, die im Zeitpunkt der Handlung vorgesehene Rechtsfolge eintrete. Die hier maßgebliche Handlung habe in dem Abschluss der Lebensversicherung im Jahr 1983 mit der damals geltenden Rechtsfolge des Sonderausgabenabzugs trotz Abtretung bestanden.
cc) Mit diesen Ausführungen vermochte der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage der Abgrenzung zwischen echter und unechter Rückwirkung („Rückbewirkung von Rechtsfolgen” und „tatbestandlicher Rückanknüpfung”) nicht schlüssig darzulegen. So fehlt namentlich jegliche Auseinandersetzung mit der zu dieser Thematik ergangenen umfänglichen höchstrichterlichen Judikatur (aus der jüngeren Rechtsprechung vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; in Inf 1993, 47 = juris KVRE242079301; vom 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78 ff.; vom 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2002, 831) sowie die gebotene Stellungnahme dazu, warum trotz der in dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ein weiterer höchstrichterlicher Klärungsbedarf bestehe. Auch soweit sich das FG zur Stützung seiner Rechtsansicht auf weitere Beschlüsse des BVerfG berufen hat, hat sich der Kläger hiermit nicht konkret auseinander gesetzt und sich mit dem pauschalen, nicht näher begründeten und deswegen nicht ausreichenden Hinweis beschieden, dass keine der vom FG zitierten Entscheidungen die im Streitfall zu beurteilende Problematik treffe.
In diesem Zusammenhang weist der angerufene Senat im Übrigen darauf hin, dass die Äußerung des FG, der Kläger habe „sich nicht ohne weiteres darauf verlassen (können), dass die steuerliche Begünstigung von Lebensversicherungsverträgen für alle Zukunft auch für solche Fälle fortbestehen würde, in denen Verträge nicht zur privaten Vorsorge, sondern zur Finanzierung betrieblicher Investitionen eingesetzt werden”, einer wortgleichen Passage aus dem BVerfG-Beschluss in Inf 1993, 47, juris KVRE242079301 entspricht.
dd) Im Kern erschöpfen sich die Ausführungen des Klägers —nach Art einer Revisionsbegründung— in Erwägungen darüber, dass das FG den Rechtsstreit unzutreffend entschieden habe. Dies rechtfertigt indessen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 34, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
2. Auch die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt worden.
a) Soweit der Kläger in seiner Beschwerdebegründung im Gegensatz zum FG, das die nach Betriebseinstellung entstandenen Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben und damit die diesen Zinsen zugrunde liegende Kontokorrentschuld als „Restbetriebsvermögen” angesehen hat, die Auffassung vertritt, das ehemals dem Betriebsvermögen zuzurechnende Kontokorrentkonto bei der S-Bank sei „nach dem Zeitpunkt der Betriebseinstellung (durch die geschiedene Ehefrau) unzweifelhaft dem Privatbereich zuzuordnen, rügt er einen materiell-rechtlichen Fehler des FG-Urteils und keinen Verfahrensmangel.
Selbst wenn die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge des Klägers dahin zu verstehen sein sollte, das FG habe nicht hinlänglich aufgeklärt, ob die Kontokorrentschuld nach Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung durch die geschiedene Ehefrau des Klägers entsprechend den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätzen (vgl. hierzu Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 16 Rz. 128) in das Privatvermögen übergegangen oder Restbetriebsvermögen geblieben sei, fehlte es für die Schlüssigkeit einer solchen Sachaufklärungsrüge (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) jedenfalls an der erforderlichen Darlegung darüber, aus welchen genau bezeichneten Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwieweit eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70, m.w.N.).
b) Soweit der Kläger der Annahme des FG widerspricht, „dass seit der Betriebseinstellung ausschließlich Zinsbuchungen (auf dem Kontokorrentkonto) vorgenommen (worden seien)”, und damit offenbar einen weiteren Sachaufklärungsmangel und/oder einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) rügt, kann auch diese Verfahrensrüge keinen Erfolg haben. Jedenfalls mangelt es insoweit an den gebotenen substantiierten Äußerungen darüber, inwiefern die angefochtene Entscheidung —auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG— anders hätte ausfallen können, wenn das FG davon ausgegangen wäre, dass der Schuldsaldo außer durch Zinsen auch durch andere Vorgänge erhöht wurde (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 68, m.w.N.). Dahin gehende Ausführungen drängten sich im Übrigen schon deswegen auf, weil das FG unter II.4. des angefochtenen Urteils ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es keine „partielle” Steuerschädlichkeit gebe.
c) Die vom Kläger gerügte fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast stellt keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler dar (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82, letzter Absatz, m.w.N.).
Entsprechendes gilt für die Rüge, die vom FG vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung sei fehlerhaft (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 76 und 82).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1601 Nr. 9
PAAAB-55271