BFH Beschluss v. - II B 98/04

Entfallen der Erbschaftsteuer bei Ausschlagung der Erbschaft

Gesetze: ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 6

Instanzenzug:

Gründe

I. Die mit dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) weder verwandte noch verschwägerte Erblasserin (E) hatte den Großvater (G) des Klägers als Vorerben und den Kläger und dessen beide Brüder zu gleichen Anteilen als Nacherben nach dem Tod des G eingesetzt. Nachdem E und G verstorben waren, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) gegen den Vater (V) des Klägers als Gesamtrechtsnachfolger des G Erbschaftsteuer in Höhe von 53 705 DM für den Anfall der Vorerbschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes —ErbStG—) und gegen den Kläger als Nacherben für seinen Erwerb von G nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG Erbschaftsteuer in Höhe von 0 DM fest. V schlug daraufhin —in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger— die Vorerbschaft wirksam aus. Das FA hob nunmehr die Erbschaftsteuerfestsetzung gegenüber V auf und setzte gestützt auf § 174 der Abgabenordnung (AO 1977) gegen den Kläger als Erben von E Erbschaftsteuer in Höhe von 6 179,98 € (12 087 DM) fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, aufgrund der Ausschlagung der Vorerbschaft durch V gelte der Anfall an G als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—). Der Kläger und seine Brüder seien daher als Ersatzerben (§ 1953 Abs. 2 i.V.m. § 2102 Abs. 1 BGB) unmittelbare Erben der E geworden. Diese zivilrechtliche Änderung der Erbenstellung führe als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu einer entsprechenden Änderung der erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung. Der Steuerfestsetzung habe auch nicht entgegengestanden, dass der Kläger nach seinem Vorbringen die ihm aus dem Nachlass zugeflossenen Barmittel im Vertrauen auf die ursprüngliche Steuerfestsetzung auf 0 DM vollständig ausgegeben habe.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die Frage einer zulässigen Rückwirkung bei Konstellationen wie im Streitfall sei noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf die Bestandskraft des Ausgangsbescheids dränge sich bei solchen Fällen auf.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (, BFH/NV 2005, 337, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625; in BFH/NV 2005, 337, und vom X B 121/03, BFH/NV 2005, 350, jeweils m.w.N.). Allein das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage begründet noch keine grundsätzliche Bedeutung (, BFH/NV 2004, 1221).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass die von ihm herausgestellte Frage nach den Auswirkungen des Vertrauensschutzes in Fällen der vorliegenden Art in Rechtsprechung oder Literatur umstritten sei.

Ein solcher Meinungsstreit ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass bei einer wirksamen Ausschlagung der Erbschaft übereinstimmend mit deren zivilrechtlichen Folgen die gegenüber dem ursprünglichen Erben entstandene Erbschaftsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit entfällt, so dass ein bereits ergangener Erbschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 aufzuheben ist, und dass die Erbschaftsteuer in der Person des Ersatzerwerbers neu entsteht (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 3 Tz. 20; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 3 Anm. 16; Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/ Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 9 ErbStG Rdnrn. 11 und 13). Solange der Erbe die Erbschaft noch ausschlagen kann (§ 1954 BGB), ist er nur vorläufiger Erbe (, BFHE 134, 519, BStBl II 1982, 276). Die Ausschlagung der Erbschaft hat dingliche Wirkung mit rückwirkender Kraft (, BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55, unter 3. d). Das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, ist nach § 1952 Abs. 1 BGB vererblich.

Der Kläger hat auch nicht berücksichtigt, dass V von ihm und seinen Brüdern die Erstattung der für den Anfall der Vorerbschaft festgesetzten Erbschaftsteuer in Höhe von 53 705 DM hätte verlangen können, wenn V die Vorerbschaft nicht (wirksam) ausgeschlagen hätte (§ 20 Abs. 4 ErbStG i.V.m. §§ 2124 Abs. 2 Satz 2, 2058 ff. BGB; , BFHE 105, 44, BStBl II 1972, 462). Der Kläger musste also schon aus diesem Grund damit rechnen, dass er den ihm angefallenen Anteil am Nachlass der E nicht in vollem Umfang endgültig würde behalten dürfen.

Die von ihm angeführten Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes nicht anwendbar. Der die ungerechtfertigte Bereicherung betreffende § 818 Abs. 3 BGB ist ebenfalls nicht einschlägig.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1310 Nr. 8
LAAAB-54860