BFH Urteil v. - II R 19/02

Grunderwerbsteuer bei Eigentumsumschreibung eines Grundstücks aufgrund notariell beurkundeter Vereinbarung über die Auflösung einer stillen Gesellschaft, deren Gründung nicht notariell beurkundet wurde

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 313

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Im April 1984 schloss die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit dem Einzelkaufmann S einen Vertrag, wonach sie sich an dem Handelsgewerbe des S als stille Gesellschafterin beteiligte. Gemäß § 2 des Vertrages stellte sie dem S das Geld für den Ankauf und die Bebauung eines Grundstücks zur Verfügung, das dem Handelsgewerbe des S dienen sollte. Der Gesellschaftsvertrag war mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar. Im Fall der Auflösung der Gesellschaft hatte S der Klägerin nach § 9 des Vertrages das Grundstück einschließlich des Gebäudes zu übertragen.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom übertrug S der Klägerin „in Auflösung der stillen Gesellschaft” das Grundstück. Eine Gegenleistung war nach § 4 des Vertrages nicht zu erbringen. Das bebaute Grundstück hatte zu diesem Zeitpunkt einen gemeinen Wert von 682 200 DM.

Mit Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegen die Klägerin eine Grunderwerbsteuer von 23 877 DM —berechnet nach dem „Verkehrswert des Grundstücks"— fest. Besteuerter Sachverhalt sollte der Übertragungsvertrag vom sein. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom zurück. Darin führte es zum Sachverhalt unter Bezugnahme auf § 9 des Gesellschaftsvertrages aus, die Klägerin habe damit einen unter der aufschiebenden Bedingung der Auflösung der stillen Gesellschaft stehenden Anspruch gegen S auf Übereignung des Grundstücks unter stillschweigender Aufgabe eines im Falle der Auflösung der stillen Gesellschaft bestehenden Anspruchs auf Rückzahlung der Einlage erworben. In Erfüllung dieses Anspruchs sei am der Übertragungsvertrag geschlossen worden. In den eigentlichen Gründen heißt es dann, der unter der aufschiebenden Bedingung der Auflösung der stillen Gesellschaft stehende Erwerb des Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks durch die Klägerin aufgrund der Vereinbarung in dem Vertrag über die Errichtung der stillen Gesellschaft unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer. Die Steuer sei mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung am entstanden und gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach der Gegenleistung zu bemessen.

Auch die Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hatte, die Steuer sei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 3 GrEStG (in der bis zum geltenden Fassung) nach dem Grundbesitzwert i.S. des § 138 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 360 750 DM zu bemessen, weil das Grundstück auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage —nämlich aufgrund des § 9 des Vertrages über die Errichtung der stillen Gesellschaft— erworben worden sei, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 858 veröffentlichten Urteil gleichfalls die Ansicht, eine Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG sei in Gestalt des Verzichts auf ein Auseinandersetzungsguthaben als stille Gesellschafterin nach § 235 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Höhe des Verkehrswerts des Grundstücks vorhanden. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 3 GrEStG greife nicht ein, da diese Vorschrift den Erwerb eines Grundstücks von einer Gesellschaft voraussetze. Dies erfordere einen Erwerbsvorgang, bei dem sich der Gesellschafter und die Gesellschaft als Rechtsträger gegenüberstünden. Die Klägerin habe das Grundstück aber nicht von einer Gesellschaft, sondern von S erworben.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 3 GrEStG, indem das FG den Anwendungsbereich der Vorschrift in einer Weise eingeschränkt habe, die mit ihrem Wortlaut und Sinn nicht zu vereinbaren sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Grunderwerbsteuerbescheids vom und der Einspruchsentscheidung vom die Grunderwerbsteuer bei einem geschätzten Grundstückswert von 360 750 DM auf 12 626 DM festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Nach der das Steuerfestsetzungsverfahren abschließenden Einspruchsentscheidung wollte das FA als zu besteuernden Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG den Gesellschaftsvertrag vom April 1984 erfassen, auch wenn es dabei übersah, dass nach § 23 Abs. 4 GrEStG in der Fassung vom (BGBl I, 418) für einen im Jahr 1984 verwirklichten Erwerbsvorgang noch der Steuersatz von 2 v.H. der Bemessungsgrundlage galt. Der Gesellschaftsvertrag konnte jedoch mangels notarieller Beurkundung keinen Anspruch auf Übereignung des streitbefangenen Grundstücks begründen. Dieser Mangel ist weder gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unerheblich noch gemäß § 313 Satz 2 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB— (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) mit Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit geheilt. Gleichwohl war die Steuer lediglich herabzusetzen, da über den Revisions- und Klageantrag nicht hinausgegangen werden darf.

1. Während der Steuerbescheid vom Oktober 1999, der zwar ausschließlich auf den „Übertragungsvertrag” vom Dezember 1998 hinwies, aber keinen Steuertatbestand —sei es § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG— benannte, auslegungsbedürftig war, hat sich das FA mit der Einspruchsentscheidung eindeutig auf den Gesellschaftsvertrag vom April 1984 als tatbestandserfüllendes Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG festgelegt und damit dem Vertrag vom Dezember 1998 lediglich Bedeutung für die Entstehung der Steuer gemäß § 14 Nr. 1 GrEStG durch Eintritt einer Bedingung beigemessen. Der Vertrag über die Errichtung der stillen Gesellschaft kommt unter den Umständen des Streitfalls —und zwar wegen der Finanzierung des Ankaufs des Grundstücks durch S mit Geldern der Klägerin— als Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Betracht, das bei Einhaltung der Form des § 313 Satz 1 BGB (nunmehr § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) einen allerdings aufschiebend bedingten Anspruch der Klägerin auf Übereignung des streitbefangenen Grundstücks begründet hätte. Das Formerfordernis der notariellen Beurkundung (vgl. dazu Urteile des Reichsgerichts vom II 91/39, RGZ 162, 78, sowie vom II 99/40, RGZ 166, 160, 165) ist jedoch nicht beachtet worden. Aufgrund dieses Formmangels scheidet der Gesellschaftsvertrag im Streitfall als tatbestandserfüllendes Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus.

a) Der Formmangel ist durch den weiteren Geschehensablauf nicht gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 unerheblich geworden. Das FG hat nicht geprüft, ob das Grundstück auf die Klägerin als neue Eigentümerin umgeschrieben worden ist. Selbst wenn die Eigentumsumschreibung mittlerweile erfolgt sein sollte, läge darin nicht das wirtschaftliche Ergebnis des § 9 des Gesellschaftsvertrages, das die Gesellschafter haben eintreten und bestehen lassen; vielmehr wäre die Umschreibung das wirtschaftliche Ergebnis eines anderen, aber nicht der Besteuerung unterworfenen Rechtsgeschäfts.

Gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann ein gemäß § 313 Satz 1 BGB/§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. beurkundungsbedürftiger Vertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, in keinem Fall gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen (vgl. , BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989, m.w.N.). Denn das „wirtschaftliche Ergebnis” eines „Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet”, ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht. Anders verhält es sich mit solchen Rechtsgeschäften, die lediglich unvollständig beurkundet worden sind und den Anschein eines beurkundeten und damit wirksamen Rechtsgeschäfts in einer Weise erwecken, die einen Eigentumswechsel ermöglicht, weil die Beteiligten durch § 925a BGB nicht gehindert sind, diesen herbeizuführen. Der Gesellschaftsvertrag vom April 1984 ist aber nicht lediglich unvollständig beurkundet, sondern vollständig unbeurkundet geblieben und damit nicht geeignet gewesen, Grundlage eines Eigentumswechsels auf die Klägerin zu sein.

b) Der Formmangel des Gesellschaftsvertrages wäre auch nicht gemäß § 313 Satz 2 BGB/§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. durch eine zwischenzeitliche Eigentumsumschreibung des Grundstücks auf die Klägerin geheilt worden. Eine etwaige Eigentumsumschreibung beruhte nämlich nicht auf dem Gesellschaftsvertrag vom April 1984, dessen fehlende Beurkundung gemäß § 925a BGB bereits einer Entgegennahme der Auflassungserklärungen durch die Urkundsperson entgegenstand (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989), sondern auf dem Vertrag vom Dezember 1998, dem mit seiner Formulierung, die Grundstücksübertragung erfolge „in Auflösung der zwischen den Beteiligten bestehenden stillen Gesellschaft” ein Schuldgrund für die Grundstücksübertragung entnommen werden konnte. Diese Formulierung enthält zunächst eine schuldrechtliche Regelung darüber, den Gesellschaftsvertrag aufzulösen. Die Auflösung ergibt sich nicht bereits aus dem Gesellschaftsvertrag; dort sind lediglich die Rechtsfolgen einer Auflösung sowie ein Weg, diese herbeizuführen —nämlich durch Kündigung der Gesellschaft— geregelt. Die Bedeutung dieser Formulierung erschöpft sich jedoch nicht in der Funktion eines Aufhebungsvertrages; sie kann darüber hinaus dahin verstanden werden —und muss von der Urkundsperson so gemeint gewesen sein—, dass anstelle eines durch die Auflösung entstandenen Auseinandersetzungsguthabens in Geld das Grundstück treten solle.

c) Scheidet somit der Gesellschaftsvertrag vom April 1984 als tatbestandserfüllendes Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus, ist der angefochtene Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig. Das FA hat einen Erwerbsvorgang besteuert, der nicht stattgefunden hat. Die beiden Verträge, nämlich der Gesellschaftsvertrag vom April 1984 und der Vertrag vom Dezember 1998 lassen sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Lebenssachverhalts dergestalt zusammenfassen, dass offen bleiben könnte, welcher Vertrag das maßgebliche Rechtsgeschäft darstellt. Dies verbietet sich schon deshalb, weil sich zwischen 1984 und 1998 das anzuwendende Grunderwerbsteuerrecht sowohl bezüglich des Steuersatzes als auch bezüglich der Bemessungsgrundlage geändert hat, wie sich aus § 23 Abs. 4 GrEStG ergibt. Gemäß dieser Anwendungsvorschrift wäre ein 1984 wirksam zustande gekommenes Rechtsgeschäft trotz der Tatsache, lediglich einen aufschiebend bedingten Übereignungsanspruch begründet zu haben, bereits mit dem Abschluss verwirklicht worden (vgl. , BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35, sowie vom II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318). Bei der aufschiebenden Bedingung handelt es sich auch nicht um eine reine Potestativbedingung, deren Eintritt einzig vom Willen nur eines Vertragspartners abhängig war.

2. Da das FG —im Übrigen ohne auf die Frage des Erwerbsvorgangs einzugehen— den angefochtenen Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung trotz seiner Rechtswidrigkeit bestätigt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da gemäß § 121 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über den Revisionsantrag, der im Streitfall betragsmäßig auch dem Klageantrag entspricht, nicht hinausgegangen werden darf (vgl. , BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733, unter 2.), führt die Rechtswidrigkeit des Steuerbescheides nicht zu seiner Aufhebung, sondern lediglich zu einer Herabsetzung der Steuer auf den Betrag von 6 455,57 €.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1368 Nr. 8
DAAAB-53911