OFD Magdeburg - S 0166 - 29 - St 252

Abtretung von Ansprüchen des Steuerpflichtigen auf Erstattung von Steuern. Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen an Inkassounternehmen bzw. an durch ein Inkassounternehmen vertretene Gläubiger

Bei den Finanzämtern sind Abtretungsanzeigen (§ 46 Abs. 3 AO) eingereicht worden, nach denen Erstattungs- bzw. Vergütungsansprüche des Steuerpflichtigen entweder an ein Inkassounternehmen oder an einen durch ein Inkassounternehmen vertretenen Gläubiger (in der Regel ein Kreditinstitut) abgetreten werden.

Bezüglich der Frage, wie solche Abtretungsanzeigen zu behandeln sind, gilt Folgendes:

1 Allgemeines

1.1 Der Inkassovertrag ist ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. v. § 675 BGB, mit dem der Gläubiger das Inkassobüro unter Erteilung einer Geldempfangsvollmacht beauftragt und bevollmächtigt, die offene Forderung gegen den Schuldner einzuziehen. Der Gläubiger ist zwar auch nach Erteilung des Einziehungsauftrages i. d. R. noch Inhaber der Forderung, doch muss er im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages auf eigene Tätigkeiten gegenüber dem Schuldner verzichten. Er kann also nicht mehr selbst mit diesem verhandeln und vorerst keine gerichtlichen Schritte gegen ihn einleiten. Darüber hinaus muss er alle Zahlungen, die auf die Forderung an ihn direkt geleistet werden, dem Inkassobüro mitteilen, damit dieses den Auftrag nicht trotz Zahlung weiter verfolgt.

1.2 Das Inkassobüro schuldet nicht den Erfolg in Form der Realisierung der Forderung, sondern nur seine Dienste, die auf Erlangung der Zahlung gerichtet sind. Bei dem Inkassovertrag handelt es sich damit nicht um einen Werkvertrag, sondern um einen Dienstvertrag, auf den über § 675 BGB die Auftragsregeln der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und ggf. § 671 Abs. 2 BGB Anwendung finden.

1.3 Da es sich bei der geschäftsmäßigen Einziehung fremder Forderungen i. d. R. um eine gewerbsmäßige Tätigkeit auf kaufmännischer Grundlage handelt, bedarf die Tätigkeit des Inkassobüros der behördlichen Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz (RBerG; abgedruckt in Schönfelder, Deutsche Gesetze, Nr. 99).

1.4 Die Tätigkeit des Inkassounternehmens ist i. d. R. auf die außergerichtliche Einziehung voraussichtlich unbestrittener bzw. bereits ausgeklagter Forderungen beschränkt. Daneben darf es den Gläubiger in Bezug auf die Einziehung rechtlich beraten. Führt die außergerichtliche Tätigkeit nicht zum Erfolg, darf ein Inkassobüro nach dem RBerG nicht selbst den Rechtsweg beschreiten sondern muss, sofern die weitere Verfolgung der Forderung durch den Auftraggeber gewünscht wird, einen Rechtsanwalt beauftragen. Der Rechtsanwalt betreibt sodann das gerichtliche Mahn-, Klage- und Vollstreckungsverfahren.

Wird durch ein Inkassounternehmen ein gerichtlicher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, ist dieser nicht deshalb unwirksam, weil das Inkassounternehmen in einer Vielzahl von Fällen derartige Beschlüsse erwirkt. Die nachfolgend dargestellten Grundsätze zum (unzulässigen) geschäftsmäßigen Erwerb von Steuererstattungsansprüchen gelten nur für die Abtretung oder Verpfändung solcher Ansprüche.

1.5 Inkassounternehmen sind dazu übergegangen, zum Zwecke der Erfüllung des ihnen erteilten Auftrags entweder sich selbst Ansprüche des Schuldners (Steuerpflichtigen) i. S. v. § 46 Abs. 1 AO abtreten zu lassen oder ihren Auftraggeber (Gläubiger und Abtretungsempfänger; regelmäßig ein Bankunternehmen) bei Abschluss des Abtretungsvertrages (§ 398 BGB) zu vertreten.

1.6 Als Grund der Abtretung ist in Abschn. III Ziffer 3 der Abtretungsanzeige regelmäßig angegeben: „Verpflichtung gegenüber … (Name des Gläubigers)” oder „Tilgung einer Schuld”. Häufig ist daneben auch das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt.

1.7 In allen Fällen soll nach den Angaben in Abschn. IV der Abtretungsanzeige der abgetretene Erstattungs- bzw. Vergütungsbetrag auf ein Konto des Inkassounternehmens überwiesen werden.

2 Inkassounternehmen als Abtretungsempfänger

2.1 Der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen ist nur bei Sicherungsabtretungen und nur solchen Unternehmen gestattet, denen das Betreiben von Bankgeschäften erlaubt ist (§ 46 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AO).

2.2 Abgesehen davon, dass es sich bei den hier zu beurteilenden Abtretungen nicht um Sicherungsabtretungen, sondern um Abtretungen mit reinem Erfüllungscharakter handelt, ist den Inkassounternehmen eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nicht erteilt. Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen i. S. v. § 46 Abs. 1 AO ist Inkassounternehmen daher nicht gestattet.

2.3 Geschäftsmäßig handelt, wer die Tätigkeit selbständig – sei es haupt- oder nebenberuflich, sei es entgeltlich oder unentgeltlich – und in Wiederholungsabsicht ausübt [ (BStBl 1986 II S. 124) und vom  – VII R 168/84 (BFH/NV 1988 S. 9)].

Geschäftsmäßigkeit wird stets zu bejahen sein, wenn für den Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen (z. B. vorbereitete Formulare, besondere Karten) getroffen werden. Sie sind jedoch andererseits für die Geschäftsmäßigkeit nicht notwendige Voraussetzung.

2.4 Von der Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs kann bei Inkassounternehmen schon wegen der Vielzahl der eingereichten Abtretungsanzeigen sowie wegen der Verwendung von Formschreiben ausgegangen werden.

2.5 Der von den Inkassounternehmen teilweise unter Hinweis auf die zu Art. 1 § 1 RBerG ergangenen , NJW 1978, 234) und des , NJW 2001, 756) vertretenen Rechtsauffassung, wonach in den hier in Rede stehenden Fällen § 46 Abs. 4 AO nicht anwendbar sei, weil sie den angeblichen Erstattungs- oder Vergütungsanspruch nicht erworben, sondern schlicht abgetreten erhalten hätten, ist nicht zu folgen. In den angeführten Urteilen geht es um den Umfang der Erlaubnispflicht nach dem RBerG, nicht um die Auslegung des § 46 Abs. 4 AO.

2.6 Soweit Inkassounternehmen unter Bezug auf die Rechtsprechung in Ordnungswidrigkeitsverfahren geltend machen, es handele sich nicht um einen Erwerb auf eigene Rechnung, so dass § 46 Abs. 4 AO nicht greife, ist dem nicht zu folgen. Denn bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals „auf eigene Rechnung” ist auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen. Es ist ausreichend, wenn es dem Erwerber der Forderung im weitesten Sinne darum geht, den Steuererstattungsbetrag wirtschaftlich für sich zu nutzen. Es genügt daher, dass der Erwerber die wirtschaftlichen Vorteile (z. B. Erhalt einer sicheren Forderung gegen den Fiskus anstelle einer zweifelhaften gegen den jeweiligen Zedenten) für sich beanspruchen will. Somit kommt es nicht darauf an, dass der Erstattungsbetrag dem einziehenden Zessionar gutgeschrieben wird, die Gutschrift zugunsten eines Dritten reicht aus, sofern das Geschäft gleichzeitig einen wirtschaftlichen Vorteil für den Einziehenden bringt (vgl. Aufsatz von Lenke/Widera in DB 1985 S. 1367 ff.).

2.7 Abtretungen der vorstehend geschilderten Art sind nichtig (§ 46 Abs. 5 AO). Dies ist den Inkassounternehmen mit UNIFA-Vorlage AO 46.4 mitzuteilen (siehe hierzu auch AO-Kartei OFD Magdeburg § 46 Karte 2 Tz. 4).

2.8 Besteht das Inkassounternehmen im jeweiligen Einzelfall auf Auszahlung des Erstattungs- oder Vergütungsbetrages, besteht Streit über die Verwirklichung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Daher ist ein Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu erteilen, in dem festzustellen ist, dass – wegen Nichtigkeit der Abtretung – ein etwaiger Erstattungs- oder Vergütungsanspruch nicht durch Zahlung an das Inkassobüro zu verwirklichen ist. Für die Fertigung des Abrechnungsbescheides kann die UNIFA-Vorlage AO 218 verwendet werden.

2.9 Der Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO ist erst zu erteilen, wenn der Erstattungs- oder Vergütungsanspruch fällig geworden ist, es sei denn, das Inkassounternehmen besteht auf einer sofortigen Entscheidung.

2.10 Gegen den Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO ist der Einspruch gegeben. Der Abtretende (Steuerpflichtige) ist gem. § 360 Abs. 3 AO zum Einspruchsverfahren (notwendig) hinzuzuziehen.

3 Inkassounternehmen als Vertreter des Abtretungsempfängers

3.1 Nach § 46 Abs. 4 AO sind Kreditinstitute befugt, Steuererstattungs- und Vergütungsansprüche im Wege der Sicherungsabtretung geschäftsmäßig zu erwerben.

3.2 Diese Regelung verbietet es den Kreditinstituten nicht, sich beim Erwerb des Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs durch ein (zugelassenes) Inkassounternehmen vertreten zu lassen (§ 80 Abs. 1 Satz 1 AO).

3.3 Da es sich in den bekannt gewordenen Fällen jedoch regelmäßig um Abtretungen mit reinem Erfüllungscharakter handelt und auch Bankunternehmen insoweit nicht zum geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen durch Abtretung befugt sind und hinsichtlich des Abtretungsempfängers von der Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs ausgegangen werden kann, sind auch solche Abtretungen gem. § 46 Abs. 4 AO nichtig. Dies gilt auch dann, wenn in Abschn. III der Abtretungsanzeige auch das Feld „Sicherungsabtretung” angekreuzt ist. Dass es sich tatsächlich nicht um Sicherungsabtretungen an die Bank handelt, ergibt sich bereits aus dem Charakter des Inkassovertrages (vgl. hierzu Tz. 1.1).

3.4 Die Ausführungen zu Tzn. 2.6 bis 2.10 gelten entsprechend.

4 Soweit aufgrund von unwirksamen Abtretungsanzeigen bereits Erstattungen an die Inkassounternehmen erfolgt sind, können Rückforderungen im Hinblick auf § 46 Abs. 5 AO unterbleiben.

5 Ein Verstoß gegen § 46 Abs. 4 AO stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (§ 383 AO). Die OFD bittet, entsprechende Fälle der zuständigen Bußgeld- und Strafsachenstelle zu melden.

OFD Magdeburg v. - S 0166 - 29 - St 252

Fundstelle(n):
SAAAB-53368