Keine Wiedereinsetzung bei Verschulden des Prozessbevollmächtigten
Gesetze: FGO § 56
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Zulassung der Revision wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger und Revisionskläger (Kläger) am mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Die Revisionsbegründungsfrist lief am ab, ohne dass die Revision begründet wurde. Den Hinweis auf den fruchtlosen Ablauf der Frist und auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhielt der Prozessbevollmächtigte am . Am gingen sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Begründung der Revision ein. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führte der Prozessbevollmächtigte aus, er habe seit Anfang März unter Herzrhythmusstörungen gelitten, die sich von Tag zu Tag verschlechtert hätten, sodass er sich am in stationäre Behandlung begeben habe. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus am habe er sich noch sehr schwach gefühlt. Erst ab dem habe er stundenweise im Büro gearbeitet. Er arbeite alleine und ohne Kanzleibeschäftigte. Es sei ihm unmöglich gewesen, die Revision rechtzeitig zu begründen.
Ein im Laufe des Verfahrens vorgelegtes Attest der Klinik bestätigt den Krankenhausaufenthalt des Prozessbevollmächtigten und führt auf, dass er sich 1988 nach einem Herzinfarkt einer Bypassoperation unterzogen habe. In einem Attest vom seines Hausarztes wird dem Prozessbevollmächtigten bestätigt, dass er vom 31. März bis zum arbeitsunfähig gewesen sei.
II. Die Revision ist unzulässig. Sie war gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.
1. Nach § 120 Abs. 2 FGO ist die Revision im Fall ihrer Zulassung gemäß § 116 Abs. 7 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Die erst am eingegangene Begründung war verspätet.
2. Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist kann den Klägern nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert waren, diese Frist einzuhalten. Das Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist ist im Streitfall durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten eingetreten, das sich die Kläger zurechnen lassen müssen (§ 155 FGO, § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO—).
a) Ein Verschulden i.S. des § 56 FGO ist, jedenfalls wenn es sich um die Fristversäumnis eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts handelt, nur dann zu verneinen, wenn dieser die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom III R 12/01, BFH/NV 2002, 794, m.w.N., und vom VII B 163/93, BFH/NV 1994, 384). Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss daher alles ihm Zumutbare tun, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. Dementsprechend hat er die nach den jeweiligen Umständen gebotene Vorsorge für den Fall zu treffen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere an der Wahrung gesetzlicher Pflichten, gehindert wird (vgl. , Versicherungsrecht 1982, 802, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 383, und die Rechtsprechungsnachweise im , BFH/NV 1993, 308). Daraus folgt, dass ein allein und ohne Personal tätiger Prozessbevollmächtigter sicherstellen muss, dass im Krankheitsfall ein Vertreter für ihn vorhanden ist oder dass zumindest eine Vertrauensperson sich an einen solchen wenden kann.
b) Demgemäß ist es für die schlüssige Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht ausreichend, allein den Umstand der Erkrankung darzulegen; erforderlich sind vielmehr substantiierte Ausführungen dazu, welche Vorkehrungen (Büroorganisation, Bestellung eines Vertreters) der Prozessbevollmächtigte getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, oder aus welchen Gründen (z.B. plötzlicher Ausbruch der Krankheit) der Prozessvertreter Maßnahmen dieser Art nicht hat ergreifen können (BFH-Beschlüsse vom IV B 150/98, BFH/NV 1999, 1614, und vom , VIII B 52/02, BFH/NV 2003, 58). Dazu hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger nichts vorgetragen.
c) Das Fehlen einer geeigneten Vorsorgemaßnahme wirkt sich auf die Versäumung der Rechtsmittelfrist nur dann nicht aus, wenn der Prozessbevollmächtigte plötzlich in einer Weise erkrankt, die es ihm —auch wenn er sich allgemein um einen Vertreter gekümmert hat— unverschuldet unmöglich gemacht hätte, diesen Vertreter rechtzeitig ausreichend zu informieren (BFH-Beschlüsse vom VIII B 106/95, BFH/NV 1996, 332, und vom II R 60/01 BFH/NV 2003, 482). Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich.
d) Die Fristversäumnis ist des Weiteren auch deshalb verschuldet, weil es der Prozessbevollmächtigte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am unterlassen hat, einen Antrag zur Verlängerung der am ablaufenden Revisionsbegründungsfrist zu stellen. Das muss von ihm auch dann verlangt werden, wenn er sich nach eigenem Bekunden noch sehr schwach fühlte und seine selbständige Berufstätigkeit noch nicht aufnehmen konnte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1341 Nr. 8
XAAAB-52967