OFD Magdeburg - S 0321 - 16 - St 251

Wahrung der Antragsfrist gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG bei elektronischer Übermittlung der Einkommensteuererklärungsdaten mittels ELSTER

1 Allgemeines

Sind die Voraussetzungen einer Amtsveranlagung zur Einkommensteuer gem. § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG nicht erfüllt, findet eine Veranlagung, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer, nur auf Antrag statt (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG).

Der Antrag ist bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG). Fällt das Ende der Zweijahresfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet sie mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags (§ 108 Abs. 3 AO).

Die innerhalb dieser Frist einzureichende Einkommensteuererklärung ist entweder nach amtlich vorgeschriebenem, eigenhändig zu unterschreibendem Vordruck abzugeben (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO, § 25 Abs. 3 Sätze 4, 5 EStG) oder im automatisierten Besteuerungsverfahren im Wege eines zugelassenen Datenübertragungsverfahrens zu übermitteln (§ 150 Abs. 6 Satz 1 AO i. V. m. § 1 Steuerdaten-Übermittlungsverordnung – StDÜV – vom , BGBl 2003 I S. 139). Ein solches zugelassenes Verfahren ist das sog. ELSTER-Programm.

2 Maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung

Eine durch Gesetz für Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden (§ 87a Abs. 3 Satz 1 AO). In diesem Fall ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen (§ 87a Abs. 3 Satz 2 AO). Zu den Anträgen, für die das Gesetz die Schriftform vorsieht, gehört auch der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG.

Soll in anderen als den in § 6 StDÜV (Besonderheiten bei Steueranmeldungen und zusammenfassenden Meldungen) geregelten Fällen bei der elektronischen Übermittlung von Steuererklärungsdaten auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden, ist für die Datenübermittlung und den Druck der Steuererklärung (komprimierter Vordruck) das von der Finanzverwaltung erstellte Softwarepaket (TeleModul) zu nutzen. Der Steuerpflichtige hat zu versichern, dass im Ausdruck der Steuererklärung keine anschließenden Änderungen vorgenommen worden sind. In diesen Fällen – also auch bei der elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärungsdaten im ELSTER-Verfahren – ersetzt die elektronische Übermittlung von Steuererklärungsdaten nicht die Abgabe einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck im Sinne des § 150 Abs. 1 AO. Es gilt insoweit das  IV D 4 – O 2250 – 120/99/IV D 6 – S 0082 – 17/99 (BStBl 1999 I S. 1049). Durch das bloße Bereitstellen der Steuererklärungsdaten werden auch die Fristen zur Abgabe einer Steuererklärung nicht gewahrt (Tz. 5 des  IV D 4 – O 2250 – 38/03 – StDÜV: Elektronische Übermittlung von Steuererklärungen –, BStBl 2003 I S. 160).

Beispiel:

Der Stpfl. A, der als Ingenieur nichtselbständig tätig ist und mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, überträgt seine Einkommensteuererklärungsdaten für die Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG für den Veranlagungszeitraum 2002 am mittels des ELSTER-Moduls elektronisch an das FA. Der komprimierte, von den Ehegatten eigenhändig unterschriebene Steuererklärungsvordruck geht am beim FA ein.

Lösung:

Maßgeblich für die Frage, ob die Antragsfrist gewahrt wurde, ist der Zeitpunkt des Eingangs des komprimierten Vordrucks im FA. Da die Antragsfrist mit Ablauf des (Freitag) endete und der komprimierte Vordruck erst am beim FA eingegangen ist, ist die Antragsfrist versäumt.

3 Rechtsfolgen der Fristversäumnis

3.1 Grundsätzliches

Bei der Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht gem. § 109 Abs. 1 AO nach behördlichem Ermessen verlängerbar ist. Geht die Einkommensteuererklärung nicht in der vorgeschriebenen Form fristgerecht beim Finanzamt ein, kann sie nur noch berücksichtigt werden, wenn dem Steuerpflichtigen gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, weil er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten (vgl. AO-Kartei OFD Magdeburg § 110 Karte 1).

3.2 Übermittlungsfehler

Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich berechtigt, die Frist bis zur letzten Minute auszunutzen, sofern er dafür Sorge trägt, dass die von ihm gewählte fristwahrende Rechtshandlung bei einem normalen Geschehensablauf auch tatsächlich rechtzeitig beim Handlungsadressaten eingeht. Stellt daher eine staatliche Einrichtung zur Übermittlung fristgebundener Rechtshandlungen eine elektronische oder vergleichbare Übermittlungsart zur Verfügung, so braucht sich der Steuerpflichtige kurz vor Ablauf der jeweiligen Frist nicht um eine andere Ermittlungsart zu bemühen, wenn er sich auf die elektronische Übermittlungsart verlässt, die elektronische Übermittlung jedoch nicht zustande kommt, weil außerhalb seiner eigenen Übermittlungssphäre, sei es auf dem Übermittlungsweg oder bei der Empfangsstation, nachweislich ein Übermittlungsfehler eingetreten ist (so BVerfG-Beschluss in NJW 1996 S. 2857 für das fehlgeschlagene Rechtsmittelfax eines Rechtsanwalts). Da eine komprimierte Steuererklärung mit Telenummer nur bei einer erfolgreichen Datenübermittlung ausgedruckt wird, kann, wenn eine gescheiterte Datenübermittlung ursächlich für den verspäteten Eingang der für die Fristwahrung maßgeblichen komprimierten Steuererklärung im FA war, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen.

3.3 Rechtsirrtum betreffend die Frist

Handelt es sich nicht um einen vom Steuerpflichtigen nicht verschuldeten Übermittlungsfehler, sondern wendet er einen unverschuldeten Rechtsirrtum betreffend die versäumte Frist selbst ein, so kann Wiedereinsetzung grundsätzlich nur gewährt werden, wenn sich der Irrtum auf die Dauer der Frist bezieht (, BStBl 1967 III S. 472; , BFH/NV 1996 S. 771 m. w. N.).

Bezieht sich dagegen der geltend gemachte Rechtsirrtum des Steuerpflichtigen auf die Existenz der Frist als solcher, so liegt regelmäßig kein unverschuldeter Wiedereinsetzungsgrund vor, weil es sich insoweit um einen Irrtum über das materielle Recht handelt (, BFH/NV 1996 S. 771 m. w. N.). Denn zur Allgemeinverbindlichkeit eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Bundesgesetzes reicht gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) seine Verkündung im Bundesgesetzblatt aus. Nach dem danach geltenden Prinzip der sog. formellen Gesetzesverkündung ist es nicht notwendig, dass das jeweilige Gesetz auch tatsächlich allen Bürgern bekannt wird, sondern es genügt, dass das Gesetz über das Bundesgesetzblatt der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich ist, die es dem Bürger gestaltet, sich verlässliche Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen. Deshalb besteht über die Gesetzeslage eine allgemeine Informationspflicht des Bürgers (vgl. , BFH/NV 1992 S. 257; , BStBl 2000 II S. 37). Eventuelle Informationsmängel über das geltende Recht gehen daher regelmäßig als Fahrlässigkeitsfehler zu Lasten des Bürgers, weil er sich anderenfalls die ihm allein genehmen Gesetze aussuchen könnte.

Die Frage, ob ein (unverschuldeter) Rechtsirrtum über die Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich ist, ist zurzeit Gegenstand des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens VI R 51/04. Hierzu weist die OFD auf die AO-Kartei OFD Magdeburg § 363 Karte 8 hin.

OFD Magdeburg v. - S 0321 - 16 - St 251

Fundstelle(n):
JAAAB-52843