BFH Urteil v. - II R 4/03 BStBl 2005 II S. 426

Bedarfsbewertung eines im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entgeltlich überlassenen Grundstücks

Leitsatz

Der typisierenden Bedarfsbewertung bebauter Grundstücke ist auch in Fällen entgeltlicher Überlassung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung die vertraglich vereinbarte Miete zugrunde zu legen; ein Ansatz der üblichen Miete kommt nicht in Betracht.

Gesetze: BewG § 146 Abs. 2, 3

Instanzenzug: (EFG 2003, 436) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Erben zu je 1/2 nach ihrem am verstorbenen Vater (V). Bis zu diesem Zeitpunkt waren an der E-Verwaltungs-GmbH & Co. KG (KG) der Kläger zu 1 mit 38%, der Kläger zu 2 mit 36% und V mit 26% beteiligt; an der E-GmbH (GmbH) waren der Kläger zu 1 mit 25%, der Kläger zu 2 mit 24% und V mit 51% beteiligt. Im Gesamthandsvermögen der KG befanden sich drei Grundstücke, die —neben anderen Wirtschaftsgütern— an die GmbH für deren betriebliche Zwecke verpachtet waren.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) legte bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Erbschaftsteuer die für das erste Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt vereinbarte Miete zugrunde.

Die Kläger machten demgegenüber geltend, in Fällen der Betriebsaufspaltung sei nicht die vereinbarte Miete anzusetzen, weil diese in der Regel nicht unter Marktbedingungen ausgehandelt, sondern an der Obergrenze der noch angemessenen Miete angesiedelt werde. Da im Streitfall für die speziell auf den Betrieb der GmbH zugeschnittenen Grundstücke auch eine übliche Miete nicht zu ermitteln sei, müsse die Bewertung nach § 147 des Bewertungsgesetzes (BewG) vorgenommen werden.

Das Finanzgericht (FG) änderte die angefochtenen Bescheide dahin gehend, „dass die Werte anhand der üblichen Miete, hilfsweise nach § 147 BewG, festgestellt werden” (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2003, 436).

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung des § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Zwar geht das FG zutreffend davon aus, dass die durch § 37 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) angeordnete rückwirkende Anwendung der erst am in Kraft getretenen Neuregelungen auf Erwerbe ab dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. , BFHE nn, BStBl II 2005, 99, unter II.2.b, m.w.N.). Zu Unrecht hat das FG jedoch angenommen, dass in Fällen der Betriebsaufspaltung bei der Ermittlung des Wertes eines bebauten Grundstücks an die Stelle der vereinbarten Jahresmiete die übliche Miete tritt.

a) Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG ist die übliche Miete anzusetzen, wenn das Grundstück nicht oder vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt, anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder an Angehörige oder Arbeitnehmer des Eigentümers vermietet wird. Die entgeltliche Überlassung eines Grundstücks durch eine Personengesellschaft an eine Kapitalgesellschaft wird vom Wortlaut dieser Regelung auch dann nicht umfasst, wenn sie im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vorgenommen wird.

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und von Teilen der Literatur (Vorwold, Betriebs-Berater 1999, 1300, 1306; Langenmayr/Dreßler, Deutsches Steuerrecht 2002, 1555, 1557) kann eine erweiternde Auslegung der Merkmale „Selbstnutzung durch den Eigentümer” oder „Vermietung an Angehörige” nicht durch eine wirtschaftliche Betrachtung gerechtfertigt werden. Dem steht bereits die Entstehungsgeschichte der Regelung entgegen.

Für die Einheitsbewertung enthält § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG eine dem § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG vergleichbare Regelung. Diese ist hinsichtlich der in § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG genannten Fallgruppen (keine Nutzung, Selbstnutzung, unentgeltliche Überlassung) in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG übernommen worden. Darüber hinaus ordnet § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG den Ansatz der üblichen Miete aber auch dann an, wenn die tatsächliche Miete von der üblichen Miete um mehr als 20% abweicht. Diese Fallgruppe ist indes nicht in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG übernommen, sondern durch die Nennung zweier besonderer Vermietungssituationen (Vermietung an Angehörige bzw. an Arbeitnehmer) ersetzt worden. Daher fehlt es von vornherein an einer Gesetzeslücke (so auch Knobel in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 146 BewG Rn. 21; unklar hingegen in Rn. 35).

Zwar findet sich in den Gesetzesmaterialien die Aussage, dass in Fällen, in denen aufgrund der tatsächlichen Umstände darauf geschlossen werden müsse, dass die Miete nicht unter marktgerechten Bedingungen vereinbart worden sei, die übliche Miete als Berechnungsgrundlage heranzuziehen sei (Zweiter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997 vom , BTDrucks 13/5952, 41). Diese Auffassung hat im Gesetzeswortlaut jedoch keinerlei Niederschlag gefunden. Maßgebend für die Auslegung sind aber nicht die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen; entscheidend ist vielmehr der im Gesetz zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (, BVerfGE 79, 106, unter B.II.1.; BFH-Entscheidungen vom X R 60/95, BFHE 189, 479, BStBl II 2000, 131, unter B.III.1.a, und vom X R 18/03, BFHE 206, 68, BStBl II 2004, 1047, unter II.2.d aa).

Zudem zeigt das Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999, dass letztlich auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass —außerhalb der in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG ausdrücklich genannten Fälle— Abweichungen zwischen vereinbarter und üblicher Miete allein noch nicht zu einem Ansatz der üblichen Miete führen können: Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, § 146 Abs. 3 BewG um eine Regelung zu ergänzen, wonach die übliche Miete auch dann anzusetzen sei, wenn die vereinbarte Miete um mehr als 20% unter der üblichen Miete liege (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom , BTDrucks 14/1655, 15). Dieser Vorschlag ist jedoch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht übernommen worden.

c) Auch aus dem ertragsteuerrechtlichen Institut der Betriebsaufspaltung folgt nicht, dass das an die Betriebs-GmbH entgeltlich überlassene Grundstück bewertungsrechtlich als durch die Besitz-KG „selbst genutzt” anzusehen ist.

Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geht seit dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, unter V.4.) davon aus, dass Besitzgesellschaft einerseits und Betriebsgesellschaft andererseits auch steuerrechtlich zwei selbständige Unternehmen darstellen und nicht etwa wirtschaftlich zu einem einheitlichen Unternehmen zusammenzufassen sind. Mit diesem Verständnis der Betriebsaufspaltung ist die Auffassung des FG, die entgeltliche Grundstücksüberlassung an das Betriebsunternehmen sei als „eigenbetriebliche Nutzung” des Besitzunternehmens anzusehen, unvereinbar.

Allerdings hat der BFH zur Investitionszulage ausgeführt, der Ausschluss des Zulageanspruchs eines außerhalb des Fördergebiets ansässigen Besitzunternehmens, das Wirtschaftsgüter an ein Betriebsunternehmen im Fördergebiet vermietet, widerspreche der Rechtsnatur der Betriebsaufspaltung als bloßer Aufteilung der Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebs auf zwei Rechtsträger (, BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607, unter II.B.1.c; ähnlich , BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610 sowie —jeweils obiter dicta— zur Berlin-Zulage , BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, unter 3.a und zu Sonderabschreibungen nach dem Zonenrandförderungsgesetz , BFHE 175, 109, BStBl II 1996, 82, unter I.2.b). Er hat dies mit dem Zweck der Investitionszulage —der Stärkung der Investitionskraft und Schaffung von Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern— sowie der Erwägung begründet, dass andernfalls in Fällen der Betriebsaufspaltung die Gewährung der Investitionszulage generell ausgeschlossen wäre.

§ 146 BewG weist jedoch weder einen mit den vorgenannten Fördergesetzen vergleichbaren Subventionszweck auf noch ist es in Fällen der Betriebsaufspaltung generell ausgeschlossen, die —von den Klägern in der Sache letztlich begehrte— Anwendung des § 147 BewG zu erreichen; dazu würde vielmehr bereits eine unentgeltliche Überlassung des Grundstücks genügen, sofern eine übliche Miete nicht ermittelt werden kann. Für die Auslegung einer Fiskalzwecknorm, wie sie § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG darstellt, kommt die Heranziehung der —ausweislich ihrer Begründungserwägungen in ihrem Anwendungsbereich eng begrenzten— Rechtsprechung zu den Subventionsnormen nicht in Betracht. Davon geht auch der Vorlagebeschluss des X. Senats zur Übertragung von Merkmalen des Betriebsunternehmens auf das Besitzunternehmen in Fällen des § 3 Nr. 20 des Gewerbesteuergesetzes aus, der dies mit dem Subventionscharakter der genannten Norm begründet (, BFHE 206, 179, BStBl II 2004, 607, unter B.IV.3.), aber ausdrücklich daran festhält, dass die beiden Unternehmen im steuerrechtlichen Sinne nicht als Einheit zu qualifizieren sind (BFH-Beschluss in BFHE 206, 179, BStBl II 2004, 607, unter B.IV. 2.a).

d) Der Gesetzgeber hat angeordnet, dass die Grundstückswerte in typisierender Weise zu ermitteln sind (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG). Folge dieser Typisierung ist, dass außerhalb der in § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG ausdrücklich genannten Fälle nicht zu prüfen ist, ob die tatsächliche Jahresmiete der üblichen Miete entspricht. Mit der Einführung eines typisierenden Bewertungsverfahrens nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass in vielen Mietverhältnissen —nicht nur in Fällen der Betriebsaufspaltung— die tatsächliche Miete nicht der üblichen Miete entspricht. Es bleibt dem Steuerpflichtigen zudem unbenommen, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen (§ 146 Abs. 7 BewG).

Ob etwas anderes gelten könnte, wenn die Vereinbarung über die Höhe der Miete so stark von außerhalb der Marktgegebenheiten liegenden Überlegungen beeinflusst wäre, dass sie bereits der Besteuerung nach dem Einkommen und Ertrag nicht zugrunde gelegt werden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn dass im Streitfall ein solcher Sachverhalt gegeben wäre, hat weder das FG festgestellt noch wird dies von den Klägern behauptet.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat keine Feststellungen zur Höhe der im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) getroffen. Es hat insoweit nur die Höhe der seit dem vereinbarten Miete angegeben; der maßgebende Drei-Jahres-Zeitraum umfasst aber die Zeit vom bis zum .

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 426
BB 2005 S. 1042 Nr. 19
BFH/NV 2005 S. 944 Nr. 6
BStBl II 2005 S. 426 Nr. 11
DB 2005 S. 1038 Nr. 19
DStR 2005 S. 826 Nr. 19
DStRE 2005 S. 680 Nr. 11
INF 2005 S. 404 Nr. 11
KFR 2005 S. 315 Nr. 8
KÖSDI 2005 S. 14630 Nr. 5
StB 2005 S. 205 Nr. 6
UVR 2005 S. 248 Nr. 8
IAAAB-52596