BFH Urteil v. - IX R 10/03

Abfindung an Mieter für Aufgabe eines Untermietverhältnisses als Entschädigung

Gesetze: EStG § 24 Nr. 1, § 21

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute.

Der Kläger mietete im Jahre 1990 auf die Dauer von 10 Jahren (mit einer Option auf eine zweimalige Verlängerung von jeweils 5 Jahren) gewerblich genutzte Räumlichkeiten an. Im Hinblick auf seine Investitionen in Höhe von 500 000 DM wurde ein monatlicher Mietzins von 3 500 DM bis Ende 2000 und erst für die Folgezeit die Möglichkeit einer Mieterhöhung vereinbart. Einen Teil der Räume vermietete der Kläger im Jahre 1991 an eine GmbH zu einem monatlichen Mietzins von 34 000 DM zzgl. Umsatzsteuer.

Im Streitjahr 1993 kündigten die Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers das Mietverhältnis mit dem Kläger mit der Begründung, es sei wegen der aus der Untervermietung erzielten erheblichen Überschüsse sittenwidrig. Sodann verklagten sie ihn auf Räumung, hilfsweise auf Anpassung des Pachtzinses; zugleich betrieben sie die Veräußerung des Grundstücks.

Der Erwerber des Grundstücks und der Kläger vereinbarten noch während jenes Klageverfahrens den Eintritt des Erwerbers als Vermieter in das Untermietverhältnis, die Zahlung einer Abfindung von 1 Mio. DM an den Kläger sowie eine Neufestsetzung der Miete für die übrigen Räumlichkeiten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde für die Aufgabe des Untermietverhältnisses die Zahlung einer Abfindung an den Kläger in Höhe von 1 Mio. DM vereinbart; sie wurde noch im Streitjahr gezahlt.

In ihrer Einkommensteuererklärung gaben die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, das Untermietverhältnis sei gegen Zahlung einer Abfindung —deren Betrag nicht erklärt wurde— beendet worden.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Kläger zunächst erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977—) ohne Ansatz der Abfindung veranlagt hatte, erfasste er die Abfindungszahlung aufgrund einer Kontrollmitteilung mit dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Auf den Einspruch der Kläger rechnete das FA die Zahlung den außerordentlichen Einkünften i.S. der §§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu und setzte die Einkommensteuer entsprechend § 34 Abs. 1 EStG nach dem ermäßigten Steuersatz fest. Im Übrigen wies es den Einspruch mit der Begründung zurück, durch die Vereinbarung sei an die Stelle der bisherigen Mieteinnahmen aus dem Untermietverhältnis ein Ersatzanspruch und damit eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG getreten.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung als unbegründet ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Die Abfindungszahlung sei kein von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasstes Entgelt für die Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung eines Gegenstandes, sondern vielmehr eine Leistung für die der privaten Vermögensebene zuzuordnende Aufgabe eines Rechts. So erfasse die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Abfindungszahlungen des Vermieters an den Mieter für die Aufgabe des Nutzungsrechts nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Für den Streitfall könne nicht deshalb etwas anderes gelten, weil der Kläger zugleich (Haupt-)Mieter und (Unter-)Vermieter gewesen sei. Denn auch hier betreffe das gezahlte Entgelt lediglich die Aufgabe einer vermögenswerten Position. Ihre Auffassung werde auch durch § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG bestätigt; danach werde die Zahlung Dritter nur für den dort geregelten Fall (Erwerb abgetretener Forderungen) den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet. § 21 EStG enthalte auch keine mit § 19 EStG oder mit § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG vergleichbare Regelung, mit der weitere Einnahmen über den Grundtatbestand hinaus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet würden. Schließlich könne dem (BFHE 135, 526, BStBl II 1982, 566) nicht entnommen werden, dass Zahlungen des Eigentümers an den Mieter bei Vorliegen einer Untervermietung als Einnahme nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu erfassen seien.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1993 unter Änderung des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 46 940 € (91 808 DM) festzusetzen.

Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung der Einspruchsentscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die von den Beteiligten nicht angegriffen worden und infolgedessen nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend sind, ist die streitige Abfindungszahlung in Höhe von 1 Mio. DM für die Aufhebung des Nutzungsrechts an den untervermieteten Räumen gezahlt worden.

Zu Recht sind das FA und das FG davon ausgegangen, dass diese Zahlung der Einkommensteuer unterliegt.

1. Nach § 24 Nr. 1 EStG gehören zu den nach § 2 Abs. 1 EStG steuerbaren Einkünften und damit —wie im Streitfall— zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.a. Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe einer Tätigkeit.

Eine solche als Ersatz für entgehende Miet- oder Pachtzinsforderungen anzusehende Entschädigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gegeben, wenn der Zahlungsempfänger (als Vermieter) zur Aufgabe des Miet- oder Pachtverhältnisses durch Druck eines Dritten veranlasst wurde (vgl. , BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; in BFHE 135, 526, BStBl II 1982, 566). Der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch muss auf einer neuen Rechtsgrundlage oder Billigkeitsgrundlage beruhen (vgl. BFH/NV 1994, 308).

Vor diesem Hintergrund ist die Würdigung des FG, die Zahlung sei (als Entschädigungsleistung) wirtschaftlich den vom Kläger zuvor als Vermieter erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Einen Druck für die vereinbarte Auflösungs- und Abfindungsvereinbarung haben das FG und das FA zu Recht bejaht. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger die Abfindung erst aufgrund der Andeutungen des Landgerichts zu einem möglichen Erfolg der gegen sie erhobenen Räumungsklage angenommen.

2. a) Dagegen wenden die Kläger zu Unrecht ein, die Zahlung sei für die Aufgabe ihrer Mieterstellung geleistet worden und deshalb als veräußerungsähnlicher Vorgang nicht steuerbar (vgl. zur Nichtsteuerbarkeit von Mieterabfindungen , BFH/NV 2000, 423, m.w.N.; Leu, Deutsche Steuer-Zeitung 1992, 203). Denn Gegenstand der (Abfindungs-)Vereinbarung war nicht allein die Aufgabe der Mieterstellung und insbesondere nicht —wie in den bisher entschiedenen Fällen (vgl. BFH-Entscheidung in BFH/NV 2000, 423, m.w.N.)— die Abgeltung der Hinnahme von Beeinträchtigungen der (Wohn-)Nutzungsrechte, sondern der Eintritt des Grundstückserwerbers in den vom Kläger langfristig abgeschlossenen Untermietvertrag im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses.

Diese Beurteilung ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht deshalb ausgeschlossen, weil die streitige Zahlung nicht von dem Untermieter, sondern von einem Dritten geleistet wurde und solche Zahlungen Dritter —so die Kläger— nur in dem gesetzlich geregelten Fall der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu erfassen sind. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist eine solche Entschädigungszahlung allein schon wegen des von dem Dritten ausgeübten Drucks als Entschädigungszahlung i.S. des § 24 EStG anzusehen (vgl. BFH in BFHE 135, 526, BStBl II 1982, 566, m.w.N.). Dementsprechend können auch Zahlungen Dritter nach § 21 EStG zu versteuern sein, soweit sie Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung sind (vgl. , BFHE 164, 263, BStBl II 1992, 999; Jansen in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz, § 21 EStG Anm. 85 „Entgeltzahlung durch Dritte”).

b) Schließlich ist die Zahlung auch nicht als veräußerungsähnliches Entgelt für eine Veräußerung der „Vermietungsmöglichkeit” gegenüber dem Untermieter anzusehen. Denn die Möglichkeit, ein Grundstück in bestimmter Weise —wie hier im Wege der Weitervermietung— zu nutzen, rechtfertigt es nicht, diese Nutzungsmöglichkeit als besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden anzusehen (, BFH/NV 2003, 21).

Abgesehen davon ist ein Eintreten des Grundstückserwerbers in den Untermietvertrag seines Mieters ohne Zustimmung des Untermieters nicht möglich, so dass es insoweit regelmäßig an einer hinreichend verfestigten Vermögensposition fehlt (vgl. zur erforderlichen Zustimmung bei Vertragsübernahme , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1978, 2504, 2505; vom VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302; vom IX ZR 226/94, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1996, 1516; Dörner, NJW 1986, 2916).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 843 Nr. 6
KAAAB-50838