BFH Urteil v. - VI R 71/03 BStBl 2005 II S. 349

Aufwendungen für ein Studium als vorab entstandene Werbungskosten S. 11

Leitsatz

1. Die Frage, ob Aufwendungen für ein Studium in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen stehen, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung.

2. Dabei hat der Tatrichter die Bekundungen der Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung einerseits der Beweisschwierigkeiten und andererseits der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu würdigen.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (EFG 2004, 247) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Streitig ist, ob Aufwendungen für ein Hochschulstudium als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr 1999 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die 1949 geborene Klägerin war bis 1994 in ihrem erlernten Beruf als medizinisch-technische Assistentin tätig. Seit war sie arbeitslos. Nach ihrem Vortrag belegte sie zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit zunächst als Gasthörerin Vorlesungen im Bereich Kunstgeschichte an der Universität X. Ab 1996 bemühte sie sich dort um die Einschreibung als ordentliche Studentin. Da sie nicht über die allgemeine Hochschulreife verfügte, musste sie als Voraussetzung für die Einschreibung eine Einstufungsprüfung im Magisterstudiengang in den Fächern Kunstgeschichte als Hauptfach und orientalische Kunstgeschichte als Nebenfach ablegen. Diese Prüfungen bestand sie am 26. Januar und . Antragsgemäß wurden ihr daraufhin im Hauptfach zwei und im Nebenfach ein Semester angerechnet. Ab Sommersemester 1999 begann sie mit dem eigentlichen Studium der Kunstgeschichte und orientalischen Kunstgeschichte.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 machte die Klägerin Bewerbungsaufwendungen in Höhe von 235 DM als vorab entstandene Bewerbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte diese Kosten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung entsprechend. Mit Schriftsatz vom beantragten die Kläger, die im Jahr 1999 entstandenen Ausbildungskosten (Fahrtkosten in Höhe von 3 150 DM) für die Klägerin gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bis zum Höchstbetrag von 1 800 DM anzuerkennen. Das FA kam dem nach und erließ am einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Am beantragten die Kläger, diesen Bescheid zu ändern und sämtliche Aufwendungen für das Studium der Klägerin (Fahrtkosten: 3 150 DM; Sozialbeitrag: 187 DM; Literatur: 200 DM) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das FA behandelte diesen Antrag als Einspruch, den es mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückwies.

Mit der Klage führten die Kläger aus, die Klägerin habe zunächst jahrelang in ihrem erlernten Beruf als medizinisch-technische Assistentin im vertrauensärztlichen Dienst gearbeitet. Nach ihrer Entlassung sei ihr im Rahmen eines Förderprogramms des Arbeitsamts eine Tätigkeit in einer Klinik in ihrem erlernten Beruf ermöglicht worden. Nachdem das Arbeitsamt keine Mittel mehr zur Verfügung gestellt habe, sei sie dort nicht übernommen worden. Eine Vielzahl von anschließend durchgeführten Bewerbungen sei ohne Erfolg geblieben. Sie habe daraufhin das Studium an der Universität X aufgenommen, um nach Abschluss im Bereich der Museenverwaltung eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen zu können.

Während des Klageverfahrens teilten die Kläger dem Finanzgericht (FG) mit Schriftsatz vom mit, dass die Klägerin ihr Studium mittlerweile mit der Magisterprüfung abgeschlossen habe. Sie übe zur Zeit noch keine berufliche Tätigkeit aus, da sie noch promoviere und an ihrer Dissertation arbeite, was ungefähr zwei Jahre in Anspruch nehme. Nach Abschluss der Promotion strebe sie eine Tätigkeit in einem Museum an. Bewerbungen seien noch nicht verschickt worden, da für die angestrebte Position eine abgeschlossene Promotion unbedingt erforderlich sei.

Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 247 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der dagegen erhobenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Aufwendungen für ein Studium seien alsvorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen ständen. Im Unterschied zu den bisher vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen habe die Klägerin die angestrebte berufliche Tätigkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht aufgenommen, da sie zur Vervollständigung ihrer Ausbildung noch promoviere. Dies ändere jedoch nichts an ihrer Absicht, ihr erworbenes Wissen und ihre Qualifikation nach Abschluss zur Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen am Markt einzusetzen. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass in ihrem Fall zum einen Streitjahr und Entscheidungszeitpunkt näher aneinander lägen als in den bisher vom BFH entschiedenen Fällen und sie andererseits eine zeitlich aufwändigere Ausbildung betreibe.

Die vom FG angestellte Vermutung, sie habe durch das Studium lediglich ihre Freizeit sinnvoll nutzen wollen, werde bereits durch die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihr Studium betrieben habe, widerlegt.

Sie strebe nach erfolgreichem Abschluss der Promotion eine Tätigkeit in einer Museumsverwaltung an. Weder sie noch das FG könnten absehen, wie die Anstellungsmöglichkeiten nach demerwarteten Abschluss der Promotion im Jahr 2005 aussähen. Käme es für die Entscheidung, ob Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen seien, auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation an, so könne faktisch zur Zeit keine Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahme Berücksichtigung finden.

Wie jeder Student habe sie sich ihr Studienfach nach ihren persönlichen Neigungen und Fähigkeiten ausgesucht. Daraus könne jedoch auch in ihrem Fall nicht geschlossen werden, dass die Kosten des Studiums privat veranlasst seien.

Es komme nicht darauf an, dass sie noch keine bestimmte, bereits feststehende Tätigkeit in Aussicht habe. Diese müsse und könne sich erst nach Abschluss ihrer Promotion ergeben. Es bestehe jedoch bereits jetzt ein hinreichend klarer Zusammenhang mit späteren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit als Kunsthistorikerin.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils den Einkommensteuerbescheid für 1999 dahin gehend zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 3 537 DM als vorab entstandene Werbungskosten und nicht in Höhe von 1 800 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Kläger ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat die Aufwendungen für das Studium der Klägerin zu Recht nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

1. Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten oder Betriebsausgaben sein. Liegt ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll. Erforderlich ist ein hinreichend konkreter, objektiv feststellbarer Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom VI R 33/01 (BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen.

2. Das FG hat die vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den von ihm festgestellten Sachverhalt rechtsfehlerfrei angewendet. Die von ihm —angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Umstände— gezogene Schlussfolgerung, dass private Gründe für die Aufnahme des Studiums nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG (vgl. auch , BFH/NV 2004, 1406). Die Tatsachenwürdigung des FG ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz. 150 ff.). Davon ist hier auszugehen.

a) Der Abzug von Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten setzt voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Verausgabung anhand objektiver Umstände ein Zusammenhang mit zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen feststellbar ist. Der Steuerpflichtige, den letztlich die Feststellungslast trifft (vgl. Senatsentscheidung vom VI R 103/01, BFH/NV 2005, 48), wird seine dahin gehende Absicht im Einzelfall immer dann nur mit Schwierigkeiten darlegen und nachweisen können, wenn das spätere tatsächliche Verhalten im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht berücksichtigt werden kann. Es ist in diesen Fällen Aufgabe des Tatrichters, die Bekundungen des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der Beweisschwierigkeiten und der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu würdigen (, BFHE 138, 202, BStBl II 1983, 355; vgl. auch Senatsentscheidung in BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884 unter II. 1.9 zur Möglichkeit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 der AbgabenordnungAO 1977—). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil.

b) Das FG ist aufgrund einer umfassenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen den Bildungsaufwendungen und künftigen steuerpflichtigen Einnahmen objektiv nicht hinreichend erkennbar sei. Es ist zum einen davon ausgegangen, dass die behauptete angestrebte „Tätigkeit in einem Museum” zu wenig konkret sei. Es hat ferner in vertretbarer Weise in seine Würdigung eingezogen, dass bei der Aufnahme des Studienfachs „Kunstgeschichte” private Interessen und Neigungen und die Absicht der Freizeitgestaltung im Vordergrund gestanden haben könnten. Auch die Annahme, dass nach Abschluss der Promotion wegen des Alters der Klägerin und ihrer mangelnden Berufserfahrung die Aussicht, als Berufsanfängerin mit ungefähr 55 Jahren eine Beschäftigung als Kunsthistorikerin zu finden, gering sei, ist nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob das FG dem Umstand, dass die Klägerin „von dem Kläger aufgrund dessen nicht unerheblichen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unterhalten werden kann”, zu Recht Bedeutung beigemessen hat. Denn die Gesamtwürdigung durch das FG bindet den BFH auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist (vgl. , BFHE 167, 309, BStBl II 1992, 647; vom IX R 56/01, BFH/NV 2005, 37).

c) Der BFH darf Tatsachen, die im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen werden, nicht berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 FGO). Daher kann die Klägerin u.a. mit dem Vortrag, sie habe bereits verschiedentlich als Kunsthistorikerin Einnahmen erzielt und plane den Verkauf eines eigenen Katalogs, nicht gehört werden.

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 349
BB 2005 S. 705 Nr. 13
BFH/NV 2005 S. 779
BFH/NV 2005 S. 779 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 349 Nr. 9
DB 2005 S. 701 Nr. 13
DStR 2005 S. 549 Nr. 13
DStRE 2005 S. 488 Nr. 8
FR 2005 S. 497 Nr. 9
HFR 2005 S. 411
INF 2005 S. 286 Nr. 8
KFR 2005 S. 293 Nr. 8
KÖSDI 2005 S. 14586 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 10/2006 S. 760
StB 2005 S. 162 Nr. 5
RAAAB-44587