OFD Frankfurt am Main - S 2246 A - 23 - St II 2.01

Einkommensteuerliche Behandlung der Tätigkeiten im Rahmen einer ambulanten Kranken- bzw. Altenpflege

Bedingt durch die Einführung der Pflegeversicherung und der damit im Zusammenhang stehenden Leistungen nimmt die Anzahl der ambulanten Pflegedienste (Hauspflegedienste) im Bereich der Kranken- und Altenpflege stetig zu. In diesem Zusammenhang ergeben sich Probleme hinsichtlich der Einordnung der Tätigkeit unter eine der Einkunftsarten des EStG, die dadurch verstärkt werden, dass es sich nicht um eine einheitliche Personengruppe handelt, welche die ambulante Pflege durchführt, und der Umfang der Pflege je nach Bedarf des Patienten unterschiedlich ist.

Zur einkommensteuerlichen Behandlung der Einkünfte aus einer ambulanten Kranken- oder Altenpflege sind bei selbständig Tätigen folgende Kriterien zu beachten:

1. Vergleichbarkeit der Ausbildung und der gesetzlichen Bedingungen an die Berufsausübung

1.1 Allgemeines

Um eine Abgrenzung zwischen den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG und denen aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG vornehmen zu können, ist darauf abzustellen, ob es sich um einen ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Form einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit handelt oder nicht.

Eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie in ihren wesentlichen Merkmalen mit einem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verglichen werden kann (vgl. H 136 „ähnliche Berufe” EStH 2003). Es ist sowohl die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeiten nach den sie charakterisierenden Eigenschaften als auch die Vergleichbarkeit der Ausbildung und der Bedingungen, an die das Gesetz die Berufsausübung knüpft, erforderlich ( BStBl 2002 II S. 565). Dabei ist auf diejenigen Katalogberufe abzustellen, die eine heilberufliche Tätigkeit beinhalten (Ärzte, Heilpraktiker und Krankengymnasten).

Diese vergleichbaren Katalogberufe dürfen regelmäßig nur nach Erlangung einer staatlichen. Erlaubnis ausgeübt werden, die erst nach erfolgreichem Abschluss eines durch Gesetz geregelten Ausbildungsganges erteilt wird. Folglich muss auch der Ausübende einer „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit” diese Voraussetzungen erfüllen.

Fehlt bei einer den Katalogberufen vergleichbaren Ausbildung lediglich die abschließende staatliche Erlaubnis (Abschlussprüfung), handelt es sich dennoch um eine freiberufliche Tätigkeit, wenn eine Zulassung i.S.d. § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen erteilt wurde. Eine solche Zulassung steht der staatlichen Anerkennung gleich. Fehlt es auch an dieser Zulassung, kann durch ein Gutachten nachgewiesen werden, dass die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 SGB V vergleichbar sind (vgl. BStBl 2003 II S. 480, das Urteil in dieser Streitsache vom ist veröffentlicht in BFHE 2003 S. 429; BStBl 2004 I S. 1030 (ESt-Kartei § 18 Karte 16 Tz. 3)).

1.2 Berufsspezifische Abgrenzung

Das a.a.O. festgestellt, dass folgende Berufsgruppen die oben dargestellten Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit erfüllen:

  1. Die nach § 2 des Krankenpflegegesetzes zum Führen der Berufsbezeichnung Krankenpfleger/Krankenschwestern Berechtigten

  2. Die nach § 2 des Altenpflegegesetzes zum Führen der Berufsbezeichnung Altenpfleger Berechtigten (hierzu zählen auch die vor Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes () nach landesrechtlichen Vorschriften staatlich anerkannten Altenpflegerinnen oder staatlich anerkannten Altenpfleger (vgl. § 29 des Altenpflegegesetzes).

Folgende Berufsgruppen erfüllen die Voraussetzungen nicht:

3.

Krankenpflegehelfer

4.

Altenpflegehelfer

2. Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeiten

Zusätzlich zu den Ausbildungs- und Abschlussvoraussetzungen ist auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Bei der ambulanten Pflege kommen insbesondere Leistungen der häuslichen Krankenpflege i.S.d. § 37 SGB V oder die Erbringung von Leistungen der häuslichen Pflegehilfe i.S.d. § 36 SGB XI in Betracht. Zur steuerlichen Behandlung dieser Leistungen hat der BFH/NV 2004 S. 884 folgendes ausgeführt:

2.1 Leistungen der häuslichen Krankenpflege, § 37 SGB V

Werden Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht, stellt dies die Ausübung eines Heilhilfsberufs dar, die mit der Tätigkeit eines Krankengymnasten vergleichbar ist. Es handelt sich somit um eine freiberufliche Tätigkeit.

Wesentlicher Bestandteil einer solchen Pflegeleistung ist immer die Behandlungspflege, die als medizinische Hilfeleistung unter Verantwortung eines Arztes erbracht wird und somit auf einer Stufe mit Leistungen anderer Heilhilfsberufe steht.

Wird die Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege erbracht, prägt sie die gesamte Pflegeleistung, so dass auch gem. § 37 SGB V zusätzlich zu erbringende Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung nichts an der Vergleichbarkeit der Tätigkeit mir anderen Heilhilfsberufen ändern.

2.2 Leistungen der häuslichen Pflegehilfe, § 36 SGB XI

Die Erbringung von Leistungen der häuslichen Pflegehilfe stellt keine heilhilfsberufliche Tätigkeit dar, da hierbei primär Hilfeleistungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen des täglichen Lebens erbracht werden. Selbst wenn in diesen Hilfeleistungen die Gesundheitsvorsorge und Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen eingeschlossen ist, so ist die Gesamtleistung doch nicht von einer medizinischen Versorgung geprägt und deshalb insgesamt einer heilhilfsberuflichen Tätigkeit nicht vergleichbar. Es handelt sich somit um eine gewerbliche Tätigkeit.

3. Aufteilung gemischter Tätigkeiten in einen gewerblichen und einen freiberuflichen Teil

Werden neben freiberuflichen (häusliche Krankenpflege i.S.d. § 37 SGB V) auch gewerbliche Tätigkeiten (hauswirtschaftliche Versorgung i.S.d. § 36 SGB XI) ausgeübt, sind diese unter folgenden Voraussetzungen steuerlich getrennt zu beurteilen:

Die Tätigkeiten sind zu trennen, wenn dies nach der Verkehrsauffassung ohne besondere Schwierigkeit möglich ist und zwar auch dann, wenn zwischen den Tätigkeitsmerkmalen ein enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, also eine sog. gemischte Tätigkeit vorliegt ( BStBl 1986 II S. 213,  IV A 6 – S 2246 – 37/03, ESt-Kartei § 18 Karte 16).

Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Tätigkeiten unabhängig voneinander erbracht und vergütet werden und zudem eine getrennte Aufzeichnung der Einnahmen erfolgt. Eine Aufteilung ist auch dann möglich, wenn die unterschiedlichen Leistungen nacheinander bei denselben Personen erbracht werden ( a.a.O.).

Die o.g. Tätigkeiten werden gewöhnlich unabhängig voneinander erbracht, da die häusliche Krankenpflege i.S.d. § 37 SGB V in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung fällt. Für die hauswirtschaftliche Versorgung i.S.d. § 36 SGB XI ist hingegen die Pflegeversicherung zuständig, so dass aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten auch eine Trennung der Tätigkeiten und der zugehörigen Einnahmen möglich ist. Regelmäßig wird somit eine Aufteilung anhand der gesetzlichen Leistungsgrundlage möglich sein.

Eine Trennung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn eine der Tätigkeiten derart überwiegt, dass die andere Tätigkeit sich lediglich als Ausfluss der Haupttätigkeit darstellt oder wenn für die Tätigkeiten ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird. In diesen Fällen ist die Einkunftsart unter Würdigung aller Umstände zu bestimmen, H 136 „gemischte Tätigkeit” EStH 2003.

4. Mithilfe qualifizierter Personen, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG

Die Beschäftigung von vorgebildeten Fachkräften steht regelmäßig der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen (vgl. H 136 „Mithilfe anderer Personen” EStH 2003). Unter der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist eine Tätigkeit zu verstehen, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist ( BStBl 1995 II S. 732).

Werden Krankenpfleger, Krankenpflegehelfer oder Altenpfleger im Bereich der ambulanten Krankenpflege eingesetzt, sind diese als fachlich vorgebildete Arbeitskräfte zu sehen ( BStBl 1997 II S. 681).

Voraussetzung ist jedoch, dass der Berufsträger eigenverantwortlich und aufgrund eigener Fachkenntnisse auch leitend tätig wird ( BStBl 1990 II S. 507). Es reicht dafür im Bereich der ambulanten Kranken- und Altenpflege aus, wenn der Berufsträger aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt, so dass die Leistung den „Stempel seiner eigenen Persönlichkeit” trägt ( a.a.O).

Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Berufsträger die Pflege am einzelnen Patienten angesichts des Umfangs der zu erbringenden Leistung nach einem Erstgespräch weitgehend seinen Mitarbeitern überlässt. Den am einzelnen Patienten zu erbringenden Pflegeleistungen wird nach Ansicht des BFH nicht dadurch der Stempel der persönlichen Arbeit des Pflegedienstbetreibers aufgedrückt, dass dieser – bei im übrigen organisatorischer Tätigkeit – nur in Urlaubs- und Krankheitsfällen die Pflegearbeiten der Mitarbeiter übernimmt.

5. Personenvereinigungen

Wird ein ambulanter Kranken- oder Altenpflegedienst in der Rechtsform einer Personenvereinigung betrieben, so müssen alle Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufes erfüllen (vgl. H 136 „Gesellschaft” EStH 2003). Dies bedeutet, dass bei jedem Gesellschafter ein Vergleich mit einem ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Form einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit positiv möglich sein muss.

Übt eine Personenvereinigung neben Leistungen der häuslichen Krankenpflege – und der in diesem Zusammenhang ggf. anfallenden Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung (vgl. Tz. 2.1) – zusätzlich gewerbliche Leistungen der häuslichen Pflegehilfe aus, so erzielt die Personenvereinigung in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

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Fundstelle(n):
BAAAB-44108