BFH Beschluss v. - V B 82/04

Nichtanhörung eines im Ausland ansässigen Zeugen

Gesetze: FGO § 96 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind zum Teil nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt und im Übrigen liegen sie nicht vor.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer

einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder

3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt,

auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gemäß § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 25 ff.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 159 ff., jeweils mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

Hierzu genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer —wie im Streitfall der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger)— lediglich erläutert, weshalb seiner Auffassung nach das Finanzgericht (FG) dem ganzen Sachverhalt nicht gerecht werde.

1. Mit der Rüge, das FG habe den Sachverhalt falsch dargestellt, kann gemäß § 115 Abs. 2 FGO die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Vielmehr hätte der Kläger insoweit gemäß § 108 Abs. 1 FGO innerhalb von zwei Wochen beim FG die Berichtigung des Tatbestandes beantragen müssen (vgl. , BFH/NV 2000, 1125). Ganz abgesehen davon, dass auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Auffassung vertreten hat, die Bestellungen der Fahrzeuge seien direkt an die niederländische Firma gerichtet gewesen, wie sich aus dem Protokoll über den Erörterungstermin am ergibt, ist das FG an die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch die Beteiligten grundsätzlich nicht gebunden.

2. Soweit der Kläger vorträgt, das FG hätte „zur Aufklärung auf die Akten des Finanzamtes bzw. der Steuerfahndung zurückgreifen” müssen und insoweit habe das FG gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, hat er einen Verfahrensfehler des FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig dargelegt, denn er hat weder vorgetragen, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus den Akten der Steuerfahndung ergeben hätten und inwiefern die Beiziehung dieser Akten auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können, noch dargelegt, warum der sachkundig vertretene Kläger nicht von sich aus die Erhebung weiterer Beweise oder die Vornahme bestimmter zusätzlicher Ermittlungen —wie hier— die vom Kläger vermisste Beiziehung der Akten der Steuerfahndung beantragt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung verliert der Beschwerdeführer sein entsprechendes Rügerecht, selbst wenn die Voraussetzungen i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht vorliegen, auch dadurch, dass er nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, selbst zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 100/02, BFH/NV 2004, 760; vom VIII B 127/95, BFH/NV 1996, 842).

3. Auch die Zulassung der Revision zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat —was erforderlich gewesen wäre— keinen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus den genannten Vergleichsentscheidungen des BFH bezeichnet. Nur wenn auf diese Weise unvereinbare abstrakte Rechtssätze bezeichnet werden, ist die Beschwerde wegen Divergenz zulässig (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 521).

Der Kläger trägt lediglich vor, das FG sei von der Rechtsprechung des (BFHE 198, 208) und weiter von einem Beschluss des Hessischen abgewichen; danach sei maßgeblich, wer im Außenverhältnis gegenüber dem Leistungsempfänger als Leistender aufgetreten sei. Deshalb seien demjenigen, der im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auftrete, die vereinbarten Leistungen zuzurechnen. Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des FG offensichtlich nicht —wie der Kläger meint— in Widerspruch, wenn es die Klage deswegen abgewiesen hat, weil es sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Rechnungsaussteller und nicht vielmehr die niederländische Firma die streitigen Lieferungen aufgrund entsprechender Vereinbarungen mit dem Kläger erbracht hat.

4. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Nach Auffassung des Klägers ergeben sich folgende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:

„Ob es zulässig war, dass das Finanzgericht dem Beschwerdeführer die Beweislast für einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt auferlegt hat.”

„Kann das FG in einer solchen Situation abweichend von einem normalen und nachvollziehbaren Lebenssachverhalt entgegen einer unstreitigen Sachverhaltsbeurteilung durch den Beschwerdeführer und den Beschwerdegegner im Bereich des Umsatzsteuerrechtes einen Teilaspekt herausfiltern und diesen durch reine Beweislastregeln im Umsatzsteuerrecht entscheiden?”

Wird eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage herausarbeiten und darlegen, inwieweit diese Rechtsfrage im allgemeinen Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig ist. Hierzu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom III B 6/00, BFH/NV 2000, 1121, ständige Rechtsprechung). Ausführungen hierzu —die insbesondere auch angesichts der umfangreichen Rechtsprechung zu Voraussetzung, Umfang und zur verfahrensrechtlichen Bedeutung einer tatsächlichen Verständigung (vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1598) erforderlich gewesen wären— fehlen.

Soweit der Kläger damit sinngemäß die fehlerhafte Beweiswürdigung bzw. fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast rügt, macht er einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Die Grundsätze der Beweiswürdigung und der Verteilung der Beweislast sind revisionsrechtlich jedoch dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Beurteilung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrevision entzogen (vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 1612; Gräber/Ruban, a.a.O., 5. Aufl., § 115 Rz. 82, mit Rechtsprechungsnachweisen).

5. Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, er habe den Sachverhalt nicht weiter nachweisen können, weil sich die handelnden Personen im Ausland befänden und daraus habe das FG keine Folgerungen ziehen dürfen. Macht ein Steuerpflichtiger vor dem FG einen Sachverhalt geltend, der sich auf Vorgänge außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bezieht, muss er dem FG die erforderlichen Beweismittel präsentieren; im Ausland ansässige Zeugen müssen zur Sitzung des FG gestellt werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 205/02, BFH/NV 2004, 964; vom X B 121/99, BFH/NV 2000, 1450; vom I B 48/97, BFH/NV 1999, 506, m.w.N.). Kommt der Beteiligte, der sich auf einen im Ausland lebenden Zeugen beruft, seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nach, darf das FG ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) würdigen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 568
BFH/NV 2005 S. 568 Nr. 4
IStR 2005 S. 648 Nr. 18
OAAAB-42553