BfF - St I 4 - S 2280 - 164/04

Veröffentlichung der von den Familienkassen zu beachtenden Standards bei der Festsetzung des Kindergeldes

Bezug:

Die Bearbeitung von Kindergeldvorgängen in den Familienkassen richtet sich ausschließlich nach den Dienstanweisungen, die das Bundesamt für Finanzen im Rahmen seiner Fachaufsicht erlässt (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG).

Die Ausstattung der Familienkassen und die Bearbeitungsabläufe in den Familienkassen weichen nach den Prüfungsfeststellungen des BfF sowie den Feststellungen der Prüfungsämter des Bundes erheblich voneinander ab. Sie genügen häufig nicht den fachlichen Anforderungen und führen teilweise zu einer fehlerhaften Fallbearbeitung. Das BfF sieht in der Standardisierung der Bearbeitung der Kindergeldvorgänge einen wichtigen Ansatz für die Verbesserung der Bearbeitungsqualität und damit der Verringerung der festgestellten erheblichen Fehlerquoten.

Erforderlich ist sowohl die Standardisierung der organisatorischen Voraussetzungen als auch die Standardisierung der Abläufe innerhalb der Familienkassen hinsichtlich

  • der Bearbeitung von Neuanträgen

  • der nach Ablauf eines Kalenderjahres durchzuführenden Prüfungen

  • des Verfahrens bei Änderungen, die für den Kindergeldanspruch maßgeblich sind

  • der Rückforderung des Kindergeldes

  • der Auszahlung des Kindergeldes an Dritte

  • der Durchführung des außergerichtlichen sowie des gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens sowie

  • der Durchführung des Bußgeld– bzw. Strafverfahrens.

Die wünschenswerte Spezialisierung der Bearbeiter in den Familienkassen wird durch die Standardisierung ebenso unterstützt wie die Anstrengungen für ein wirtschaftliches Verwaltungshandeln.

Die festgelegten Standards sind bis zum umzusetzen. Soweit hausinterne Arbeitsanleitungen über organisatorische und technische Anweisungen hinausgehen, sind diese unverzüglich aufzuheben und die Dienstanweisungen des Bundesamtes für Finanzen sind (erneut) bekannt zu geben.

Von den Familienkassen zu beachtende Standards bei der Festsetzung des Kindergeldes

Organisatorische Voraussetzungen

Von den Körperschaften des öffentlichen Rechts i. S. d. § 72 Abs. 1 EStG sowie von den Agenturen für Arbeit der Bundesagentur für Arbeit sind Familienkassen einzurichten.

Die Familienkasse (FK) muss die einkommensteuerlichen Vorschriften und die Dienstanweisungen des Bundesamtes für Finanzen (BfF) beachten. Hierzu ist sie mit allen für die Bearbeitung eines Kindergeldantrages erforderlichen Gesetzen, steuerlichen Handbüchern sowie Dienstanweisungen auszustatten. Weiterhin ist das Bundessteuerblatt (BStBl) Teil I u. II zu beziehen. Die Bearbeiter sollen unterstützend an Schulungsmaßnahmen — insbesondere des BfF — zwecks Aus– und Fortbildung teilnehmen. Hierdurch wird die einheitliche Rechtsanwendung sicher gestellt.

Aufgrund des Steuergeheimnisses sind für das Kindergeld eigene Akten zu führen, die nur von den für die FK eingesetzten Mitarbeitern eingesehen werden dürfen. Dies gilt gleichfalls für die bei der Kindergeldfestsetzung eingesetzten IT–Verfahren.

Die FK soll technisch so ausgestattet sein, dass die vom BfF im Internet zur Verfügung gestellten Informationen eingesehen werden können. Die Online–Formulare des BfF soll der Bearbeiter benutzen können. Es können auch durch Großrechnersysteme unterstützte IT–Verfahren eingesetzt werden, wenn die im BStBl I verbindlich veröffentlichten Kindergeld–Formulare benutzt werden.

Die Bearbeitung der Kindergeldanträge und der Veränderungsmitteilungen soll in angemessener Frist erfolgen. Große FK sollen eine Kindergeld–Hotline einrichten. Dies entlastet erfahrungsgemäß die Sachbearbeitung von einfachen Anfragen.

Befristungen der Festsetzungen sowie Wiedervorlagen sind von der FK in geeigneter Weise festzuhalten. Insbesondere für die Befristungen und die abschließende Prüfung der Kindergeldfestsetzungen volljähriger Kinder nach Ablauf des Kalenderjahres hat sich der Einsatz von IT–Verfahren in den Geschäftsprüfungen als effizient gezeigt.

Die FK muss monatlich Meldungen nach § 4 StStatG an das BfF liefern. Die FK der Bundesagentur für Arbeit sowie die 100 größten FK des öffentlichen Dienstes haben dem BfF einmal jährlich auf der Grundlage des Schreibens vom – St I 4 – S 2548 – 2/2001 ergänzende Daten zu melden. Hierzu sind einfache Aufzeichnungen zu fertigen.

Die FK sollen spätestens ab dem Aufzeichnungen über die Anzahl der Kindergeldberechtigten und der Zahlkinder am 31.12. eines Jahres, der im Laufe des Jahres erteilten Bescheide bzw. Aktenverfügungen und der im Laufe des Jahres eingegangenen Einsprüche führen. Die Bundesagentur für Arbeit sowie die 100 größten FK des öffentlichen Dienstes melden diese Daten wiederum einmal jährlich.

Zwecks Überwachung sind von allen FK eine Rechtsbehelfsliste, eine Überwachungsliste für Strafverfahren sowie eine Bußgeldliste zu führen.

Sofern die FK als Landes– oder Bundesfamilienkasse tätig wird, muss eine entsprechende Rechtsverordnung hierüber vorliegen.

Materiell– und verfahrensrechtliche Voraussetzungen

Neuantrag

Die FK wird nur auf Antrag des Kindergeldberechtigten tätig. Lebt das Kind im gemeinsamen Haushalt der Eltern, ist dem Antrag eine Berechtigtenbestimmung beizufügen.

Bei minderjährigen Kindern ist

  • bei der Geburt eines Kindes das Original der Geburtsurkunde vorzulegen

  • die Haushaltszugehörigkeit des Kindes glaubhaft zu machen bzw. ggf. nachzuweisen.

Bei Kindern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist von dem Kindergeldberechtigten

  • nachzuweisen, welcher Tatbestand des § 32 Abs. 4 S. 1 EStG erfüllt ist (z. B. Berufsausbildung) und

  • eine Erklärung über die Einkünfte und Bezüge des Kindes mit entsprechenden Nachweisen abzugeben.

Die FK prüft die Unterlagen und erstellt für volljährige Kinder eine Prognose, ob die voraussichtlichen Einkünfte und Bezüge den so genannten Grenzbetrag im Anspruchszeitraum nicht überschreiten werden.

Wechselt die Zuständigkeit auf eine neue FK, muss diese sich mit der bis dahin zuständigen FK hinsichtlich des Zeitpunkts der Übernahme verständigen.

Besteht der Kindergeldanspruch, setzt die FK das Kindergeld fest. Auf die Erteilung eines schriftlichen Bescheides kann in den Fällen des § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG verzichtet werden. Macht die FK hiervon keinen Gebrauch, ist ein Steuerbescheid nach § 157 AO zu fertigen und dem Kindergeldberechtigten wirksam bekannt zu geben. Nach der Festsetzung nimmt die FK die monatliche Auszahlung des Kindergeldes auf.

Nach Ablauf des Kalenderjahres durchzuführende Prüfungen

Bei Kindern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, prüft die FK abschließend, ob die Einkünfte und Bezüge den so genannten Grenzbetrag in der Vergangenheit nicht überschritten haben. Falls erforderlich, werden auch fehlende Ausbildungsnachweise angefordert. Diese Prüfungen erfolgen unter Beachtung der aktuellen Dienstanweisung zur Überprüfung von Kindergeldfestsetzungen (DA–Ü). Soweit die FK in Absprache mit dem BfF Prüfungserleichterungen für die Prüfung der Einkünfte und Bezüge einführt, sind die Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen elektronisch festzuhalten und dem BfF auf Verlangen vorzulegen. Hat das Kind die Berufsausbildung vor dem 31.12. des abgelaufenen Jahres beendet, erfolgt u. a. wegen des Werbungskostenabzugs die abschließende Prüfung ebenfalls nach Ablauf des Kalenderjahres.

Ergeben sich keine Änderungen, ist das Ergebnis der abschließenden Prüfung der Einkünfte und Bezüge aktenkundig zu machen. Überschreiten die Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag, ist ein Aufhebungs–/Rückforderungsbescheid zu fertigen.

Bei minderjährigen Kindern erfolgt entsprechend den Vorgaben der aktuellen DA–Ü in regelmäßigen Abständen eine Prüfung, ob das Kind weiter in den Haushalt des Kindergeldberechtigten aufgenommen ist. Nach § 69 EStG gleichen die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit die Daten minderjähriger Kinder in regelmäßigen Abständen mit denen der Meldebehörden ab.

Änderungen, die für den Kindergeldanspruch maßgeblich sind

Tritt eine Änderung in den Verhältnissen ein, die den Kindergeldanspruch begründen, muss die FK die bisherige Festsetzung ändern. Nur in den Fällen des § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG und bei fehlender Überzahlung kann auf die Schriftform des Bescheides verzichtet werden. In allen anderen Fällen ist von der FK ein schriftlicher Aufhebungs–/Rückforderungsbescheid zu fertigen. Wirkt die Aufhebung in die Zukunft, stellt die FK zum benannten Termin die Zahlung des Kindergeldes ein.

Rückforderung des Kindergeldes

Im Falle einer Rückforderung des Kindergeldes ist der Kindergeldberechtigte mit Bescheid zur sofortigen Rückzahlung oder zur Rückzahlung mit Terminsetzung aufzufordern. Die FK soll bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten nutzen und den Restbetrag fällig stellen.

Gerät der Berechtigte in Zahlungsverzug, sind von der FK die gesetzlichen Säumniszuschläge zu erheben. Falls erforderlich, sind Beitreibungsmaßnahmen einzuleiten.

Beantragt der Zahlungsverpflichtete die Stundung des Rückforderungsbetrages, muss die FK die Voraussetzungen hierfür überprüfen. Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Stundung mit schriftlichem Bescheid zu gewähren. Über die Festsetzung der Stundungszinsen ist ein gesonderter Bescheid zu erteilen. Lehnt die FK die Stundung ab, ist ebenfalls ein schriftlicher Bescheid zu erteilen.

Auszahlung des Kindergeldes an Dritte

In Sonderfällen (z. B. Abzweigungsantrag eines Sozialleistungsträgers) und bei einem anderweitigen Auszahlungsersuchen des Kindergeldberechtigten kann die FK das Kindergeld auch an Dritte auszahlen. Die Rechtmäßigkeit des Antrages/Ersuchens ist von der FK vor der Auszahlung an Dritte zu überprüfen. Bei einem Abzweigungsantrag ist der Berechtigte vor der Auszahlung anzuhören. Lehnt die FK die Auszahlung an Dritte ab, muss ein schriftlicher Abrechnungsbescheid erteilt werden.

Außer–/Gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren

Nur in einigen großen FK des öffentlichen Dienstes sowie bei den FK der Bundesagentur für Arbeit sind Rechtsbehelfsstellen eingerichtet. Sofern keine Rechtsbehelfsstelle eingerichtet wurde, entscheidet die FK auch über den Einspruch des Kindergeldberechtigten.

Der angefochtene Bescheid ist von der FK in vollem Umfang zu überprüfen. Bei einer Rückforderung des Kindergeldes ist der Einspruchsführer darauf hinzuweisen, dass die Zahlungsverpflichtung bestehen bleibt. Beantragt der Einspruchsführer die Aussetzung der Vollziehung, muss die FK den Aussetzungsantrag neben dem Einspruch prüfen. Über den Aussetzungsantrag ist mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.

Kann dem Einspruch abgeholfen werden, ist das Kindergeld entweder neu festzusetzen oder der beschwerende Bescheid aufzuheben. Nach einer neuen Festsetzung ist die Auszahlung des Kindergeldes zu veranlassen.

Sofern die FK dem Einspruch nicht oder nur teilweise abhelfen kann, muss eine schriftliche Einspruchsentscheidung gefertigt werden. Hat die FK die Vollziehung eines Rückforderungsbescheides ausgesetzt, ist dem Einspruchsführer die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung schriftlich mitzuteilen. Die Aussetzungszinsen sind mit einem gesonderten Bescheid festzusetzen.

Erhebt der Kindergeldberechtigte Klage beim Finanzgericht, muss die FK auch das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren selbständig durchführen. Die Finanzgerichtsordnung ist hierbei zu beachten.

Bußgeld–/Strafverfahren

Zentrale Strafsachen– und Bußgeldstellen sind nur im Bereich der Bundesagentur für Arbeit eingerichtet. Grundsätzlich führen die FK des öffentlichen Dienstes das Straf– und Bußgeldverfahren selbständig durch. Treffen im Rahmen des einheitlichen Tatgeschehens Steuerstraftaten mit anderen Straftaten außerhalb des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO zusammen (z. B. Urkundenfälschung, Betrug zu Lasten des Dienstherrn), ist die Staatsanwaltschaft und nicht die FK Herrin des Ermittlungsverfahrens. Im Betrugsfall kann der Vorgang daher vollständig an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben werden.

Die FK haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Finanzämter im Steuerstrafverfahren. Auf der Grundlage der Dienstanweisung zur Durchführung von Steuerstraf– und Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem steuerlichen Familienleistungsausgleich obliegt der FK die Verfolgung von Steuerstraftaten und die Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten.

Aufgrund der umfangreichen Dienstanweisung mit zugehörigen Formularen wird kurz auf die wichtigsten Maßnahmen hingewiesen:

  • Prüfung der Verfolgungsverjährung

  • Einleitung des Ermittlungsverfahrens

  • Einstellung des Ermittlungsverfahrens

  • Prüfung straf–/bußgeldbefreiender Selbstanzeigen

  • Durchführung von Vernehmungen

  • Strafzumessung

  • Festsetzung von Verwarnungs–/Bußgeldern

  • Erstellen von Anträgen auf Erlass eines Strafbefehls beim Amtsgericht

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Fundstelle(n):
XAAAB-40327