Geltendmachung von Bekanntgabemängeln mit einer Anfechtungsklage oder mit einer Feststellungsklage
Gesetze: FGO § 41 Abs. 2, § 115
Instanzenzug:
Gründe
Im Rahmen der gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betriebenen Vollstreckung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die er an die „X Versicherungen - Y-Straße, Z-Stadt” richtete. In der Postzustellungsurkunde ist die Adresse der X Versicherung in „S-Straße, Z-Stadt” abgeändert. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde am zugestellt. Mit Schreiben vom teilte die K Lebensversicherung dem FA mit, dass eine ordnungsgemäße Zustellung nicht erfolgt sei, dennoch werde der Beschluss unter Vorbehalt als zugestellt anerkannt. In einem weiteren Schreiben der K-Lebensversicherung vom wurde dem FA hinsichtlich einer Lebensversicherung des Klägers die Zustellung des Beschlusses am bestätigt.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage, mit der er beantragte, die Nichtigkeit der Verfügung festzustellen, hilfsweise die Verfügung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Feststellungsklage, mit der die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werde, aufgrund der in § 41 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordneten Subsidiarität unzulässig sei. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei unbegründet, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Aus der Verfügung gehe hervor, dass sie sich gegen die „X Versicherung” und nicht gegen die „K Lebensversicherung” richte. Da sich unter beiden Bezeichnungen dieselbe Versicherungsgesellschaft verberge, sei eine Verwechslung mit anderen Drittschuldnern ausgeschlossen. Die bloße Änderung des Firmennamens berühre die Identität der Gesellschaft nicht. Zudem habe der Drittschuldner die Zustellung bestätigt und die Pfändung anerkannt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im erstinstanzlichen Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend macht. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO auf Fälle unwirksamer Verwaltungsakte entsprechende Anwendung finde. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dürfe davon ausgegangen werden, dass der BFH eine auf Beseitigung des Rechtsscheins der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gerichtete Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage nicht als subsidiär ansehe. Darüber hinaus komme der Frage eine grundsätzliche Bedeutung zu, ob ein Verwaltungsakt zu seiner wirksamen Bekanntgabe an die richtige existierende juristische Person gerichtet werden müsse oder ob eine solche Verfügung auch dann an den Rechtsvorgänger gerichtet werden könne, wenn die Erkennbarkeit zusätzlich durch verschiedene Rechtsnachfolger erschwert werde und ob von einer wirksamen Bekanntgabe auszugehen sei, wenn die Verfügung den Drittschuldner —ohne Zutun der Finanzbehörde— tatsächlich erreiche.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen. Der Kläger habe eine Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen für die Allgemeinheit sowie eine Divergenz nicht dargelegt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Denn den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Soweit der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz geltend macht, ist diese nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.)
a) Die Frage, ob § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO auch auf den Fall der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes entsprechende Anwendung findet, ist —worauf das FA zutreffend hingewiesen hat— bereits höchstrichterlich geklärt und damit in einem Revisionsverfahren nicht mehr klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Angabe des Inhaltsadressaten ein konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsaktes. Ist der Inhaltsadressat nicht genügend bestimmt (§ 119 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO 1977—), so leidet der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der zur Unwirksamkeit führt. Zur Beseitigung des Rechtsscheins kann der Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angegriffen und vom FG ausdrücklich aufgehoben werden (vgl. , BFH/NV 2001, 409, m.w.N.). Aber auch mit einer Feststellungsklage kann die Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes wegen einer fehlerhaften Bekanntgabe und damit das Vorliegen eines Nichtaktes geltend gemacht werden (, BFH/NV 1988, 50). Eine auf die Beseitigung des Rechtsscheins der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gerichtete Feststellungsklage ist gegenüber einer auf das gleiche Rechtsschutzziel gerichteten Anfechtungsklage auch nicht subsidiär. Denn bei einer Klage, die die Feststellung der fehlenden Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes aufgrund eines Bekanntgabemangels zum Gegenstand hat, handelt es sich um eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Unter Rechtsschutzgesichtspunkten unterscheidet sich der Fall nicht wesentlich vom Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Die Gleichartigkeit beider Fallgestaltungen führt dazu, dass die Feststellungsklage wahlweise neben der Anfechtungsklage gegeben ist (, BFH/NV 1999, 1117, und , BFH/NV 1995, 279). Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist damit bereits entschieden, so dass es an ihrer Klärungsbedürftigkeit fehlt. Gesichtspunkte, die eine erneute Befassung des BFH geboten erscheinen lassen, sind für den Senat nicht erkennbar.
b) Auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob im Streitfall durch die Angaben zum Inhaltsadressaten dem Bestimmtheitsgebot genüge getan ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn die Beantwortung der Frage, ob ein Inhaltsadressat trotz bestehender Mängel der Adressierung ausreichend bezeichnet ist, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. So können neben den eigentlichen Angaben zum Wohn- oder Geschäftssitz oder zum Namen des Adressaten auch die Begründung und Anlagen zum Bescheid herangezogen werden (, BFH/NV 1995, 576). Daher ist es nicht möglich, die an die Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen in einer allgemeinverbindlichen Weise festzustellen (vgl. BFH-Entscheidungen vom I B 114/96, BFH/NV 1997, 826, und vom VII B 82/00, BFH/NV 2001, 1003). Dies trifft auch auf die Umstände zu, unter denen ein fehlerhaft adressierter Verwaltungsakt den eigentlichen Empfänger tatsächlich erreicht und dieser den Inhalt des Verwaltungsaktes gegenüber der Finanzbehörde ausdrücklich anerkennt. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist so speziell, dass aus ihm für etwa ähnlich gelagerte Fälle keine allgemeinen Grundsätze hinsichtlich der Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes bei der Bezeichnung des Inhaltsadressaten und hinsichtlich der wirksamen Bekanntgabe eines Bescheides aufgestellt werden können.
2. Soweit der Kläger hinsichtlich der Abweisung der Feststellungsklage den Einwand der Divergenz erhebt, fehlt es an der Darlegung, dass das erstinstanzliche Urteil auf dieser Abweichung beruht; mithin dass es unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH anders ausgefallen wäre. Zwar hat das FG die Feststellungsklage als unzulässig erachtet, jedoch die Klage nicht durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, sondern in der Sache geurteilt. Hierzu hat es dem Hilfsantrag folgend zur Begründetheit der gleichzeitig erhobenen Anfechtungsklage Stellung genommen und die Wirksamkeit der Bekanntgabe der Einziehungs- und Pfändungsverfügung festgestellt. Auch unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH und bei zutreffender Annahme der Zulässigkeit einer Feststellungsklage wäre das FG nach seiner Rechtsauffassung zu einer Abweisung der Klage gekommen. Mithin wäre auch der Feststellungsklage bei Heranziehung der die Abweisung der Anfechtungsklage tragenden Gründe der Erfolg versagt geblieben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 231
WAAAB-36510