Keine einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts bei Schenkung von Miteigentumsanteilen [BStBl 2005 II S. 19]
Leitsatz
Werden zur gleichen Zeit Miteigentumsanteile an einem Grundstück auf mehrere Bedachte schenkweise übertragen, ist keine einheitliche gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für das ganze Grundstück mit anschließender Verteilung durchzuführen; vielmehr bilden die zugewendeten Miteigentumsanteile jeweils den Gegenstand einer lediglich gesonderten Feststellung nach § 138 Abs. 5 BewG.
Gesetze: BewG § 2 Abs. 1BewG § 3BewG § 138 Abs. 5AO 1977 § 179 Abs. 2 Satz 2
Instanzenzug: BG (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Mutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrug diesem und seinem Bruder aufgrund notariell beurkundeten Vertrages vom Grundstücke schenkweise „zu Eigentum”, und zwar in Miteigentum je zur Hälfte. Teile der Grundstücke waren an den Betreiber eines Golfplatzes verpachtet.
Am erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) getrennt gegenüber jedem Bruder einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts der Grundstücke auf den , in denen er die Grundstücke gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit ... DM bewertete und den Brüdern jeweils mit ... DM zurechnete. Dabei legte er eine Größe von 188 991 qm und einen Bodenrichtwert für Golfgelände von 30 DM/qm zugrunde. Lediglich der Kläger focht den Bescheid über die gesonderte Feststellung an. Seine nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Mit der Klage hatte der Kläger vorgetragen, die geschenkten Grundstücke hätten eine Fläche von 190 014 qm, von denen 49 201 qm langfristig zur landwirtschaftlichen Nutzung vermietetet seien. Diese Fläche sei bei einem Ertragswert von 0,68 DM je Ertragsmesszahl (EMZ) mit 18 719 DM zu bewerten. Die vom Pächter als Golfplatz genutzten Flächen bestünden aus Ackerland (116 856 qm), Laubwald (12 352 qm) und einer Sportfläche (11 605 qm). Das Ackerland sei bei einem Ertragswert je EMZ von ebenfalls 0,68 DM mit 51 673 DM zu bewerten. Für den Laubwald ergebe sich bei einem Ertragswert von 0,50 DM je Ar ein Wert von 62 DM. Die Sportfläche sei bei einem Quadratmeterpreis für Agrarland von 9 DM mit 83 556 DM anzusetzen. Die Bewertung des größten Teils der an den Golfplatzbetreiber verpachteten Flächen als Agrarland ergebe sich daraus, dass sie, die Brüder, lediglich Eigentümer des Grund und Bodens seien und sämtliche Anlagen des Golfplatzes bei Ablauf des Pachtvertrages entfernt werden müssten. Dadurch erhielten sie die Grundstücke im Urzustand als Ackerland zurück. Das FA hatte lediglich zugestanden, dass der Wert der gesamten Grundstücke nur ... DM betrage. Die zur landwirtschaftlichen Nutzung vermietete Fläche sei mit ... DM (9 DM/qm) und die übrigen Flächen mit ... DM (80 v.H. von 27 DM/qm) anzusetzen. Eine Anpassung der gesondert festgestellten Grundstückswerte erfolgte bislang nicht.
Das Finanzgericht (FG) ging auf die zwischen den Beteiligten streitige Bewertung der Grundstücke nicht ein. Es hielt vielmehr den angefochtenen Bescheid mit der Begründung für rechtswidrig, eine gesonderte Feststellung des Grundstückswerts hätte einheitlich gegenüber beiden Brüdern erfolgen müssen. Entscheidend sei nämlich nicht, dass die Brüder jeweils Einzelrechtsnachfolger bezüglich der ihnen geschenkten Miteigentumsanteile seien, sondern der Umstand, dass § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG auf § 179 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) verweise, wonach eine gesonderte Feststellung einheitlich vorzunehmen ist, wenn der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Gegenstand der Feststellung sei im Streitfall aber das gesamte Grundstück und nicht der einzelne Miteigentumsanteil, wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Satz 1 BewG ergebe.
Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 138 Abs. 5 Satz 1 und 2 BewG. Es trägt dazu vor, die Grundstücke seien nicht als Ganzes übertragen worden, sondern zu Miteigentum. Daraus, dass § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG bei mehreren Beteiligten von „der Höhe des Anteils” spreche, werde deutlich, dass in solchen Fällen keine einheitliche Feststellung erforderlich sei.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses nunmehr über die Höhe des Grundstückswerts entscheiden könne, nachdem das mögliche Erfordernis einer einheitlichen Feststellung zwischenzeitlich entfallen sei. Dazu verweist der Kläger darauf, dass die Mutter und der Bruder mit notariell beurkundetem Vertrag vom die schenkweise Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an den genannten Grundstücken auf den Bruder aufgehoben haben. Aus der Urkunde geht hervor, dass die Grundstücke zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf die Brüder umgeschrieben waren.
II.
Die Revision ist begründet. Der Ansicht des FG, bei der Schenkung von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück zugunsten mehrerer Bedachter sei der Grundstückswert diesen gegenüber einheitlich festzustellen, ist nicht zu folgen. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Gemäß § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG sind die Grundbesitz- bzw. Grundstückswerte i.S. des Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer erforderlich sind. Darüber, ob diese gesonderte Feststellung ggf. einheitlich zu erfolgen hat, enthält die Vorschrift keine ausdrückliche Regelung.
a) Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) schließt dies eine einheitliche Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten nicht aus (so Urteil vom II R 27/02, BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179, unter II. 3.). Denn nach § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG sollen für die Feststellung der Grundbesitzwerte die Vorschriften der AO 1977 über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes sinngemäß gelten. Zu den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften gehört auch § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, wonach die gesonderte Feststellung ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung auch dann einheitlich vorzunehmen ist, wenn der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Dies ist etwa bei einer Mehrzahl von Erben regelmäßig der Fall, die zivilrechtlich einen Anteil am Nachlass als gemeinschaftlichem Vermögen zur gesamten Hand erwerben, denen aber erbschaftsteuerrechtlich die einzelnen Nachlassgegenstände —und damit auch im Nachlass befindliche Grundstücke— als „Gegenstände der Feststellung” gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 entsprechend ihren Erbteilen wie Miteigentum nach Bruchteilen zuzurechnen sind (vgl. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2002, § 3 Anm. 18). Erst § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 —für wirtschaftliche Einheiten auch § 3 BewG (vgl. dazu , BFHE 194, 243, BStBl II 2001, 476)— bietet die Grundlage dafür, eine anteilige getrennte Zurechnung vorzunehmen.
b) Bei freigebiger Zuwendung eines Grundstücks an mehrere Bedachte zu Miteigentum fehlt es aber an der in § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 verlangten Voraussetzung für eine einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts, wonach der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen sein muss. Zwar erfolgt ermittlungstechnisch die Feststellung des Grundbesitzwerts des dem einzelnen Bedachten zugewendeten ideellen Bruchteils am Grundstück über eine Bewertung des ganzen Grundstücks und eine Aufteilung des dabei ermittelten Werts; Gegenstand der Feststellung ist dabei jedoch der jeweils in Einzelrechtsnachfolge erworbene Anteil am Grundstück und nicht das Grundstück als Ganzes. Daher hat keine gesonderte und einheitliche Feststellung zu erfolgen; vielmehr sind so viele gesonderte Feststellungen vorzunehmen, wie schenkweise Erwerbsvorgänge verwirklicht worden sind (so auch R 124 Abs. 4 der Erbschaftsteuer-Richtlinien —ErbStR— 2003, sowie Moench in Moench, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 12 Anm. 15; Christoffel in Christoffel/Geckle/Pahlke, Erbschaftsteuergesetz 1998, § 12 Anm. 218, und Halaczinsky in Rössler/ Troll, Bewertungsgesetz, § 138 Anm. 24). Der gegenteiligen Rechtsauffassung des FG ist daher nicht zu folgen.
c) Die Ansicht des FG lässt sich auch nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG stützen, wonach der Wert einer wirtschaftlichen Einheit im Ganzen festzustellen ist, oder mit § 3 Satz 1 BewG begründen, wonach der Wert einer wirtschaftlichen Einheit, die mehreren Personen zusteht, im Ganzen zu ermitteln ist. Soweit § 138 Abs. 2, 3 und 5 BewG den Begriff der wirtschaftlichen Einheit verwenden, kann dieser nicht losgelöst von dem Erwerbsgegenstand im Sinne der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie ggf. der Grunderwerbsteuer ausgefüllt werden. Die vorrangige Frage nach dem Erwerbsgegenstand beurteilt sich aber nach den erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen bzw. grunderwerbsteuerrechtlichen Grundsätzen und —soweit danach das Zivilrecht maßgeblich ist— nach diesem. Erst wenn sich gemäß diesen Grundsätzen ergibt, dass eine Mehrheit von Gegenständen und Rechten erworben worden ist, stellt sich die weitere Frage, ob sie als Gesamtheit oder einzeln zu bewerten sind. Diese Frage, die nichts mit dem ermittlungstechnischen Umstand zu tun hat, dass auch die Bewertung als Gesamtheit auf die Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter zurückgreift, beantwortet sich nach § 2 BewG (vgl. Viskorf in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 2 BewG Anm. 1). Ist von vornherein nur ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück freigebig zugewendet worden, kann sich die Frage nach einer über diesen Anteil hinausgreifenden wirtschaftlichen Einheit i.S. des § 2 Abs. 1 BewG nicht stellen und bildet der Anteil selbst die wirtschaftliche Einheit gemäß § 138 BewG (vgl. zur Grundwerbsteuer: Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuer, Kommentar, 15. Aufl. 2002, § 2 Anm. 11). Denkbar ist allenfalls, dass der Anteil seinerseits in mehrere wirtschaftliche Einheiten zerfällt; dies kommt dann in Betracht, wenn der Miteigentumsanteil etwa an einem Grundstück mit mehreren selbständigen Wohngebäuden besteht.
d) Die Vorentscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Da der notarielle Übertragungsvertrag vom bereits die Auflassungserklärung und die Eintragungsbewilligung enthielt, hat das FA den anteiligen Grundstückswert zutreffend auf den Tag des Vertragsabschlusses vorgenommen. Denn Grundstücksschenkungen sind ausgeführt, sobald die Auflassung erklärt und die Eintragungsbewilligung erteilt ist (vgl. , BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781, m.w.N.). Dies führt zu einer Vorverlagerung des Zeitpunkts der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes —ErbStG—) und damit auch des Bewertungsstichtags (§ 11 ErbStG). Da somit trotz der bei Vertragsabschluss noch ausstehenden Umschreibung der Grundstücke die gesonderte Feststellung auch auf den zutreffenden Stichtag vorgenommen worden ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, wonach der angefochtene Feststellungsbescheid bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig sei, hat sich das FG mit den Einwendungen des Klägers gegen die Höhe des festgestellten Werts nicht befasst. Da die Einwendungen nicht nur rechtlicher, sondern auch tatsächlicher Natur sind, war die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, um dies nachzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 19
BB 2004 S. 2398 Nr. 44
BFH/NV 2004 S. 1683
BFH/NV 2004 S. 1683 Nr. 12
BStBl II 2005 S. 19 Nr. 1
DB 2004 S. 2621 Nr. 49
DStRE 2004 S. 1360 Nr. 22
INF 2004 S. 842 Nr. 22
KÖSDI 2004 S. 14400 Nr. 11
StB 2004 S. 445 Nr. 12
OAAAB-27808