Abgrenzung der Aus- und Fortbildungskosten
In der Bezugsverfügung wurde über die geänderte Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung zwischen Aus- und Fortbildungskosten informiert. Nach den Urteilen vom und vom , BStBl 2003 II S. 403 bzw. 407, stellen Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Erststudium bzw. für eine Umschulungsmaßnahme bei hinreichender beruflicher Veranlassung Werbungskosten dar. Zwischenzeitlich liegen weitere Entscheidungen vor, in denen der BFH seine Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Diese Entscheidungen sind grundsätzlich erst über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden, sobald sie im BStBl veröffentlicht werden. Im Vorgriff auf weitere Veröffentlichungen ist, zurzeit folgende Rechtsauffassung zu vertreten:
I. Rechtslage bis zum Veranlagungszeitraum 2003
1 Fortbildung und Umschulung
1.1 Änderung der Rechtsprechung
Aufwendungen für
ein berufsbegleitendes Erststudium, vgl. BFH-Grundsatzurteil vom , BStBl 2003 II S. 407 bzw.
eine Umschulungsmaßnahme, die eine Grundlage dafür bildet, von einer Erwerbs- oder Berufsart zu einer anderen überzuwechseln, vgl. BFH-Grundsatzurteil vom , BStBl 2003 II S. 403,
können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit darstellen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine hinreichend konkrete berufliche Veranlassung besteht. Für die steuerliche Behandlung ist es unerheblich, ob die Bildungsmaßnahme eine Basis für andere Berufsbilder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet.
1.2 Berufliche Veranlassung (H 33 LStH „Berufliche Veranlassung”)
Die Anerkennung von Fortbildungs- und Umschulungskosten als unbeschränkt abziehbare Werbungskosten setzt eine so gut wie ausschließliche berufliche Veranlassung voraus. Diese liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem ausgeübten oder zukünftigen Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Grundsätzlich kann diese Voraussetzung bei einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein, sofern ein konkreter und enger Zusammenhang mit der Berufstätigkeit vorliegt. Daran mangelt es jedoch, wenn die Maßnahme lediglich Allgemeinbildung vermittelt, wie z. B. der Besuch der Fachoberschule zur Erlangung der Fachhochschulreife.
1.3 Fortbildungskosten
Die Fortbildungsmaßnahme muss berufsbezogen auf die vom Arbeitnehmer auch ernsthaft angestrebte Berufstätigkeit vorbereiten bzw. geeignet sein, die bisherige Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen zu festigen, seine Chancen im beruflichen Fortkommen zu verbessern und seine Kenntnisse zu erweitern. Regelmäßig ist die berufliche Veranlassung vorhanden, wenn die Fortbildungsmaßnahme auf den bisher ausgeübten Beruf aufbaut. Dies gilt insbesondere dann, wenn die erste Berufsausbildung notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an der Maßnahme ist.
Bei der Beurteilung ist nicht zu differenzieren, ob es sich um akademische oder nichtakademische Bildungsmaßnahmen handelt und ob die Bildungsmaßnahme ggf. einen Berufswechsel ermöglicht. Unerheblich ist auch, ob die Fortbildungsmaßnahme vom bisherigen Arbeitgeber verlangt oder aber vom Arbeitnehmer freiwillig betrieben wird.
1.4 Umschulung
Aufwendungen im Zusammenhang mit Umschulungsmaßnahmen können nunmehr zu den Fortbildungskosten gehören. Hier kommt eine Berücksichtigung nur in solchen Fällen in Betracht, in denen der Stpfl. bereits dauerhaft berufstätig ist oder war. Führt die Umschulungsmaßnahme zu einem gänzlich neuen Berufsabschluss, handelt es sich um Werbungskosten, wenn diese die Grundlage dafür bildet, von einer Erwerbs- oder Berufsart zu einer anderen überzuwechseln. Dies kann z. B. bei Arbeitnehmern der Fall sein, die mit dem neuen Berufsfeld nach Zeiten der Arbeitslosigkeit wieder Einnahmen erzielen wollen. Es ist auch bei einer Umschulung nicht danach zu differenzieren, ob es sich um akademische oder nichtakademische Bildungsmaßnahmen handelt. Ein Abzug der Aufwendungen ist jedoch nur möglich, wenn eine private Mitveranlassung so gut wie ausgeschlossen ist und § 12 EStG dem Abzug der Aufwendungen somit nicht entgegensteht.
2 Erstmalige Ausbildung
Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung, die nicht im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses erfolgt, werden nunmehr vom BFH anerkannt, vgl. , BFH/NV 2003 S. 1119. Im Streitfall hat der BFH den geforderten engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den erwarteten späteren Einnahmen offensichtlich deshalb bejaht, weil mit Abschluss der Ausbildung keine andere Tätigkeit als die eines Piloten erreicht werden konnte und der Stpfl. später auch von dem Träger der Einrichtung eingestellt wurde. Es bestehen keine Bedenken, die Aufwendungen in vergleichbaren Fällen als Werbungskosten anzuerkennen.
In allen anderen Fällen erstmaliger Berufsausbildung, z. B. Schulabgänger, insbesondere, wenn durch ein Erststudium – ausgenommen das berufsbegleitende Erststudium – ein allgemeiner Berufsabschluss angestrebt wird, der Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen und Einkunftsarten eröffnet, können die Aufwendungen auch weiterhin nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Berufsausbildungskosten berücksichtigt werden. Dies gilt auch in Fällen, in denen Stpfl. neben ihrer Ausbildung in geringem Umfang arbeiten, um sich die Kosten des Lebensunterhalts sowie der Ausbildung hinzuzuverdienen.
Eine andere Beurteilung ist wie bisher nur möglich, wenn die Maßnahme Gegenstand eines ernstlich vereinbarten Ausbildungsverhältnisses ist und der Stpfl. daraus Arbeitslohn i. S. des § 19 EStG bezieht.
3 Vorweggenommene Werbungskosten (H 34 LStH „Fortbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten”)
Aufwendungen, die nach den vorgenannten Grundsätzen als Fortbildungskosten zu berücksichtigen sind, können auch als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt werden, wenn feststeht, dass der Stpfl. eine Anstellung anstrebt und dem Arbeitsmarkt – ggf. erst nach Abschluss der konkreten Weiterbildungsmaßnahme – tatsächlich uneingeschränkt zur Verfügung steht, vgl. BStBl 1996 II S. 482.
Sind die Voraussetzungen bei der Veranlagung noch nicht endgültig feststellbar, besteht die Möglichkeit der vorläufigen Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO.
Unter Beachtung der Grenzen, die sich in Hinblick auf die Festsetzungsverjährung, ggf. die Antragsfristen gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bzw. die Berichtigungsvorschriften ergeben, können Steuerpflichtige diese Aufwendungen im Rahmen des § 10d Abs. 4 EStG geltend machen.
4 Anwendungsgrundsätze
Die o. b. Grundsätze zur Ermittlung der abziehbaren Aufwendungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Sie gelten für den Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und gleichermaßen für den Betriebsausgabenabzug bei den Gewinneinkünften.
II. Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2004
Durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom , BGBl 2004 I S. 1753, wurde § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG geändert und § 12 Nr. 5 EStG neu in das Einkommensteuergesetz eingefügt:
§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG wird wie folgt gefasst:
„Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:
Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung bis zu 4.000,– EUR im Kalenderjahr. Bei Ehegatten, die die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 erfüllen, gilt Satz 1 für jeden Ehegatten. Zu den Aufwendungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 und 6b, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 und Abs. 2 sind bei der Ermittlung der Aufwendungen anzuwenden.
”
In § 12 EStG wird Nummer 5 angefügt:
„Soweit in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.
”
Die Änderungen treten mit Wirkung vom in Kraft.
Ab dem sind Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung und das Erststudium – auch wenn dieses berufsbegleitend stattfindet – grundsätzlich nur in begrenzter Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig. Werbungskosten liegen dagegen vor, wenn die erstmalige Berufsausbildung oder das Erststudium Gegenstand eines Dienstverhältnisses (Ausbildungsdienstverhältnis) ist. Aufwendungen für die Fortbildung in dem bereits ausgeübten Beruf und für die Umschulungsmaßnahme, die einen Berufswechsel vorbereitet, sind weiterhin als Werbungskosten abziehbar, sofern es sich nicht um ein Erststudium handelt. Als Werbungskosten abziehbar sind nach wie vor Aufwendungen für ein weiteres Studium, wenn dieses in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit steht.
Im neu gefassten Gesetzestext wurde die Regelung zur Berücksichtigung von Aufwendungen für die „Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf” herausgenommen. Derartige Aufwendungen sind also künftig nicht mehr als Sonderausgaben abzugsfähig. Wenn jedoch ein konkreter Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht wird, kommt ein Abzug der Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten/Betriebsausgaben in Betracht.
Zu der Frage, wann die erste Berufsausbildung und das Erststudium beendet sind, finden zurzeit noch Abstimmungen unter den obersten Finanzbehörden der Länder statt. Fraglich erscheint z. B., wie im Anschluss an die Berufsausbildung zu leistende Praktika zu behandeln sind und ob auch die Promotion noch zur „ersten Berufsausbildung” bzw. dem „Erststudium” gehört. Sollten die Fragen entscheidungserheblich werden und die Entscheidung keinen Aufschub dulden, bittet die OFD, vor einer Entscheidung Rücksprache mit ihr zu nehmen.
OFD Hannover v. - S 2354 - 399 - StH 214S 2354 - 173 - StO 213
Fundstelle(n):
UAAAB-26497