BFH Urteil v. - XI R 43/01

Anspruch des wirtschaftlichen Eigentümers eines Dachausbaus auf degressive Absetzung für Abnutzung nach § 7 Abs. 5, 5a EStG

Gesetze: EStG § 7 Abs. 4, 5, 5a; AO § 39

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ab hatte sie von ihrem Vater ein Haus auf fünf Jahre —mit Verlängerungsklausel um jeweils drei Jahre— für einen Mietzins von 1 000 DM pro Monat gemietet. Sie baute das Dachgeschoss als Arbeitszimmer aus. § 17 des Mietvertrags enthält die Verpflichtung des Vermieters, beim Verkauf des Anwesens die vom Mieter bezahlten Um- und Ausbauten gemäß § 14 Abs. 2 abzulösen. Nach § 14 Abs. 2 des Mietvertrags kann der Mieter bei Beendigung der Mietzeit Einrichtungen, mit denen er die Räume versehen hat, wegnehmen. Der Vermieter kann aber verlangen, dass die Sachen zurückbleiben, wenn er so viel zahlt, wie zur Herstellung einer neuen Einrichtung erforderlich wäre, abzüglich eines angemessenen Betrags für die Abnutzung.

Die Klägerin machte bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit für das Streitjahr 1992 Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf den Dachgeschossausbau geltend, wobei sie eine Nutzungsdauer von zehn Jahren zu Grunde legte. Das Dachstudio diene unmittelbar und ausschließlich ihrer freiberuflichen Tätigkeit und stehe in keinem Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem übrigen Gebäude, das privat genutzt werde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ließ die AfA nicht zu. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im Wesentlichen ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 270 veröffentlicht.

Der Senat hob auf die Revision der Klägerin hin das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (Urteil vom XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774). Es lasse sich nicht beurteilen, ob die Klägerin wirtschaftliche Eigentümerin des Ausbaus sei oder nicht. Dies setze voraus, dass sie den sich aus § 951 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergebenden Verwendungsersatzanspruch für den Fall einer Kündigung habe.

Das FG wies die Klage —von einem Betriebsausgabenabzug in Höhe von 212 DM abgesehen— erneut ab. Die Klägerin habe vorgetragen, § 14 des Mietvertrags enthalte eine Regelung für die Beendigung der Mietzeit und § 17 eine „sonstige Vereinbarung” über die Ablösung; § 17 Abs. 3 des Mietvertrags —so die Klägerin— treffe damit lediglich eine Sonderregelung für den Fall eines Verkaufs des Anwesens, während im Fall der Kündigung die gesetzliche Regelung eines Ersatzanspruchs gemäß § 951 BGB weiterhin gelte. Das FG folgte dem nicht. § 17 sei zu entnehmen, dass die vom Mieter bezahlten Um- und Ausbauten nur bei Verkauf des Anwesens vom Vermieter abgelöst werden sollen. Diese Sondervereinbarung schließe für den Fall der Beendigung durch Kündigung wie bei Fristablauf einen Anspruch nach §§ 946, 951 BGB aus. Die Ablösung stehe unter der Bedingung des Verkaufs, die Klägerin sei nicht wirtschaftliche Eigentümerin geworden.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision tragen die Kläger vor, nach der Entscheidung des Großen Senats vom GrS 1/97 (BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778) komme es auf die Frage des wirtschaftlichen Eigentums nicht mehr an. Ausschlaggebend sei, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen im beruflichen Interesse trage. Die Höhe der geltend gemachten AfA richte sich nach der Dauer des Nutzungsverhältnisses. Zwar betrage die Mietvertragsdauer nur fünf Jahre; die beantragte Verteilung auf zehn Jahre entspreche aber dem Antrag in erster Instanz. Eine Abschreibung entsprechend der für Gebäude geltenden Grundsätze von lediglich 4 v.H., wie sie das (BFHE 182, 344, BStBl II 1997, 533) vorsehe, weiche von der früheren Rechtsprechung ab. Im Übrigen habe das FG zu Unrecht allein auf § 17 des Mietvertrags Bezug genommen, ohne diesen im Kontext mit den übrigen Bestimmungen des Mietvertrags auszulegen. Wenn dies ausreichend sei, hätte der BFH in der Sache selbst entscheiden können.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1992 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin gehend abzuändern, dass die für die Mietereinbauten entstandenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 81 444 DM im Jahre 1992 anteilig in Höhe von 2 037 DM als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, der Beschluss des Großen Senats betreffe ausschließlich berufliche Aufwendungen im Rahmen einer Ehegattengemeinschaft; die Grundsätze seien nicht auf den Streitfall übertragbar, in dem der Vater Eigentümer sei. Da die Klägerin keinen Anspruch nach § 951 BGB gehabt habe, habe sie nicht über die Einbauten verfügen und keine Abschreibungen geltend machen können. Die AfA müssten sich —wenn überhaupt— nach den für Gebäude geltenden Grundsätzen richten.

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und der Klage ist stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Zu Unrecht hat das FG den AfA-Abzug versagt. Die Klägerin ist gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wirtschaftliche Eigentümerin des Ausbaus geworden; aus den Vertragsvereinbarungen ergibt sich kein Verzicht auf den Ersatzanspruch nach §§ 946, 951 BGB für den Fall einer Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung oder Zeitablauf.

a) Wirtschaftliches Eigentum des Mieters ist anzunehmen, wenn er das Gebäude bzw. den Gebäudeteil im Einverständnis mit dem zivilrechtlichen Eigentümer auf eigene Rechnung und Gefahr hergestellt hat und ihm ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Wertes des Gebäudes bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses zusteht (, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741, und vom III R 4/02, BFHE 203, 564, BStBl II 2004, 305).

b) Die tatsächlichen Feststellungen des FG im zweiten Rechtsgang tragen nicht dessen Würdigung, die Klägerin habe in § 17 des Mietvertrags auf den Ersatzanspruch nach §§ 946, 951 BGB verzichtet.

Dem Wortlaut nach trifft die Sondervereinbarung in § 17 nur eine Regelung für den Fall des Verkaufs. Da das Mietverhältnis durch einen Verkauf nicht beendet wird, der Käufer vielmehr in den Mietvertrag eintritt, enthält § 17 eine gegenüber dem gesetzlichen Anspruch nach §§ 946, 951 BGB eigenständige Regelung für den Fall eines Eigentumsüberganges unabhängig davon, ob das Mietverhältnis anlässlich des Erwerbs gekündigt wird oder nicht. Eine Regelung für den Normalfall der Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung oder Fristablauf enthält § 17 demnach gerade nicht. Die Würdigung des FG, die Klägerin habe mit der auf einen Verkauf zugeschnittenen Vereinbarung in § 17 auf den Ersatzanspruch verzichtet, hält einer Überprüfung auf der Grundlage allgemeiner Auslegungsregeln nicht stand. An die Feststellung eines Verzichtwillens sind strenge Anforderungen zu stellen. Es besteht ein Erfahrungssatz, dass ein Verzicht nicht zu vermuten ist und Vereinbarungen im Zweifel eng auszulegen sind (z.B. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 397 Rz. 4, m.w.N.).

Unzureichende Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Urteil und die Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln stellen nach ständiger Rechtsprechung des BFH einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt (, BFH/NV 2003, 1371, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rdnr. 24). Nachdem das FG den Vertrag in Bezug genommen hat, kann der Senat dessen Inhalt selbst auslegen.

§ 14 Abs. 2 gibt dem Mieter für Einrichtungen, mit denen er die Räume versehen hat, ein Wegnahmerecht, das der Vermieter gegen entsprechende Zahlung ablösen kann. Abgesehen davon, dass äußerst zweifelhaft ist, ob ein Dachgeschossausbau überhaupt eine „Einrichtung” ist (vgl. z.B. Palandt, a.a.O., § 258 Rz. 1), handelt es sich bei Einrichtungen häufig um Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB, für die § 946 BGB nicht gilt. Einer Vereinbarung, die auf Einräumung oder vertragliche Bestätigung eines Anspruchs gerichtet ist, ist ein Verzicht auf den gesetzlichen Ersatzanspruch nach §§ 946, 951 BGB nicht zu entnehmen. Sie konkretisiert den Anspruch des Mieters der Höhe nach für den Fall, dass der Vermieter die Wegnahme der Einrichtungen nicht zulässt. Die Bezugnahme hierauf in § 17 des Mietvertrags enthält für den Fall des Verkaufs des Anwesens eine Regelung über die Höhe der Entschädigung für den Rechtsverlust der Klägerin im Zusammenhang mit dem Um- und Ausbau. Da ein Verzicht auf den —grundsätzlich abdingbaren (Palandt/Bassenge, 59. Aufl., 2000, § 51 Rz. 1)— gesetzlichen Ersatzanspruch nicht erkennbar ist, ist der Anspruch gegeben. Die Klägerin ist damit wirtschaftliche Eigentümerin des Dachausbaus geworden.

2. Die Aufwendungen der Klägerin sind Herstellungskosten, die im Jahr der Fertigstellung nach den für Gebäude geltenden Bestimmungen als degressive AfA in Höhe von 10 v.H. berücksichtigt werden können.

a) Nach der neueren Rechtsprechung können die AfA nicht mehr entsprechend der Dauer des Mietverhältnisses —wie die Kläger geltend machen—, sondern nur nach den für Gebäude geltenden Bestimmungen vorgenommen werden (, BFHE 176, 267, 275, BStBl II 1995, 281, unter C.V.; BFH-Urteil in BFHE 182, 344, BStBl II 1997, 533). Den Begriff „Gebäude” hat der BFH in ständiger Rechtsprechung (seit dem Beschluss des Großen Senats vom GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, unter C.II.2.) dahin ausgelegt, dass er auch selbständige Wirtschaftsgüter bildende Gebäudeteile umfasst und diese damit besonderen AfA-Grundsätzen unterliegen können. Als solche selbständige Wirtschaftsgüter sind Gebäudeteile anzusehen, die in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen.

b) Die Aufwendungen betreffen nach den Feststellungen des FG nur den auf den Dachausbau entfallenden Teil des Gebäudes. Der Ausbau, dessen ausschließlich berufliche Veranlassung und Kosten in Höhe von 81 444 DM nicht mehr streitig sind, steht in einem gegenüber dem bisherigen Wohnhaus unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Er stellt damit einen neu hergestellten, selbständigen unbeweglichen Gebäudeteil dar (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., 2004, § 7 Rz. 170, m.w.N.; Ritzrow in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuer, Juni 2001, § 7 Rz. 334 ff.; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, August 2003, § 7 EStG Rz. 467 ff., 472; Kirchhof/Lambrecht, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., 2003, § 7 Rz. 180 ff.; a.A. , EFG 1993, 70), für den die degressive AfA nach § 7 Abs. 5, 5 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch genommen werden kann (, BFHE 186, 371, BStBl II 1998, 625; , BStBl I 1996, 689).

Im Streitjahr betrugen bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehörten und nicht Wohnzwecken dienten und für die der Bauantrag nach dem gestellt worden war (§ 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG) die degressiven AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG 10 v.H. Die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG ist zwar nicht zeitanteilig, sondern für das ganze Jahr der Herstellung abzuziehen (, BFHE 112, 131, BStBl II 1974, 704; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7 Rz. 157), die Kläger haben aber nur anteilige AfA in Höhe von 2 037 DM geltend gemacht; daran ist das Gericht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1397
BFH/NV 2004 S. 1397 Nr. 10
DB 2005 S. 9 Nr. 34
DStRE 2004 S. 1122 Nr. 19
WAAAB-25468