BFH Urteil v. - V R 19/03

Fehlen von Urteilsgründen bei objektiver Klagehäufung

Gesetze: FGO § 119 Nr. 6, § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 115

Instanzenzug: ,U,F (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die im Stahl- und Metallbau tätig ist. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin Beraterhonorare an den Wirtschaftsprüfer B in folgender Höhe gezahlt hatte:


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1990
1991
1992
1993
1994
 
DM
DM
DM
DM
DM  
netto
422 013
75 234
679 859
420 000
284 450  
Umsatz- steuer  
  59 081
  10 532
  95 180
  63 000
  42 667
brutto
481 094
85 766
775 039
483 000
327 117

Während der Betriebsprüfung forderte der Prüfer die Klägerin mehrfach auf, die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen nachzuweisen. Da die seitens B erstellten Rechnungen keinen Aufschluss über die einzelnen Beratungsleistungen ergaben und keinerlei Belege für die Aktivitäten von B eingereicht wurden, vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, dass die Aufwendungen mangels Nachweises der betrieblichen Veranlassung als nicht abziehbare Aufwendungen außerhalb der Bilanz dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen seien; es sei in keiner Weise belegt, dass gerade die Beratungsleistungen des B zur Gewinn- und Umsatzsteigerung des Unternehmens der Klägerin beigetragen hätten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) schloss sich im Ergebnis der Auffassung des Prüfers an und erließ entsprechende geänderte Steuerbescheide. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1990 bis 1994, die Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1994 vom 3. bzw. , die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1990 bis 1994, der Feststellungsbescheide gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum bis hatte Erfolg. Die Umsatzsteuer setzte das Finanzgericht (FG) in der Weise fest, „dass die auf die Beratungsleistungen entfallende Umsatzsteuer i.H. v. 59.081 DM (1990), 10.532 DM (1991), 95.180 DM (1992), 63.000 DM (1993) und 42.676 DM (1994) als Vorsteuer abgezogen werden”. Es ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.

Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1040 veröffentlicht ist, war der Auffassung, das FA habe zu Unrecht die seitens der Klägerin an B gezahlten und als Betriebsausgaben behandelten Honorare dem Einkommen der Klägerin außerhalb der Bilanz wieder als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben hinzugerechnet. Dabei ging das FG maßgeblich davon aus, dass Kapitalgesellschaften nach der ständigen Rechtsprechung (des für die Körperschaftsteuer zuständigen I. Senats) des Bundesfinanzhofs (BFH) keine außerbetriebliche Sphäre hätten. Demgemäß heißt es zur Revisionszulassung:

„Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Denn die Rechtsprechung des BFH, wonach Kapitalgesellschaften keine außerbetriebliche Sphäre haben, führt bei Zugrundelegung der Umstände des Streitfalls ggf. zu einer Bevorzugung von Kapitalgesellschaften gegenüber anderen Unternehmensformen. Hätte die Klägerin nicht die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, wäre der Betriebsausgabenabzug aufgrund der ungewöhnlichen Vertragsgestaltung und deren Durchführung möglicherweise versagt worden. Zwar spielt für den Betriebsausgabenabzug auch bei Nicht-Kapitalgesellschaften grundsätzlich die Angemessenheit oder Fremdüblichkeit einer Vereinbarung keine Rolle. Fehlen aber Merkmale, wie Angemessenheit und Üblichkeit, sind Rückschlüsse auf die betriebliche Veranlassung zulässig, wenn die Möglichkeit einer privaten Mitveranlassung nach Art der Aufwendungen nicht auszuschließen ist (, BFH/NV 1994, 173; Urteil vom VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373).”

Das FA hat gegen das Urteil hinsichtlich der Umsatzsteuer die vorliegende Revision eingelegt. Das FA rügt in erster Linie Verletzung des § 119 Nr. 6 FGO; das Urteil sei hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht mit Gründen versehen. Außerdem rügt es fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980, 1991 und 1993 (UStG). Es meint u.a., über konkrete und identifizierbare Vermittlungsleistungen lägen keine Rechnungen vor. Nach seinem Sachvortrag geht es um „jährlich ausgestellte Rechnungen (für 1990 und 1991 in 1992 zusammengefasst)”.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten. Sie lässt dahinstehen, ob die angefochtene Entscheidung an einem Begründungsmangel leidet und deshalb § 119 Nr. 6 FGO verletzt. Sie hält die Revision schon deshalb für unbegründet, weil die Rechnungen die vom FA gerügten Mängel nicht ausreichender Identifizierbarkeit der erbrachten Leistungen nicht aufwiesen.

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Umsatzsteuer betrifft, und zur Zurückverweisung an das FG.

1. Die Revision ist zulässig.

Nach § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten die Revision an den BFH gegen ein Urteil des FG zu, wenn das FG sie zugelassen hat.

Das FG hat die Revision zugelassen. Die Gründe für die Zulassung beziehen sich zwar ebenso wie die übrigen Entscheidungsgründe nicht auf die Umsatzsteuer; gleichwohl hat das FG die Zulassung der Revision nicht auf die übrigen angefochtenen Bescheide beschränkt.

Zwar ist es möglich, die Zulassung bei objektiver Klagehäufung auf einzelne Streitgegenstände zu beschränken. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist nach der Rechtsprechung des BFH aber nur wirksam, wenn sie im Urteil ausdrücklich und eindeutig ausgesprochen wird. Es reicht nicht aus, dass die Begründung für die Zulassung der Revision nur einzelne Streitgegenstände betrifft (vgl. , BFHE 186, 299, BStBl II 1999, 28). Nach dem Tenor und der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil ist die Revision umfassend zugelassen worden.

2. Die Revision ist auch begründet.

Die Vorentscheidung erwähnt die maßgebende Vorschrift für den streitigen Vorsteuerabzug nicht und subsumiert demgemäß auch nicht den festgestellten Sachverhalt unter diese Vorschrift. Damit enthält das Urteil —soweit es die Umsatzsteuer betrifft— keine Entscheidungsgründe i.S. des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO und ist nach § 119 Nr. 6 FGO als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen.

Maßgebend für den streitigen Vorsteuerabzug ist § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Nach dieser Vorschrift kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Das FG hat zwar begründet, warum es die Zahlungen der Klägerin an B als Betriebsausgaben ansieht. Daraus folgt aber nicht, dass B die der Klägerin in Rechnung gestellten Beratungsleistungen tatsächlich erbracht hat, dass die Zahlungen der Klägerin an B das Entgelt für diese Beratungsleistungen waren und dass die Rechnungen den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG entsprechen (vgl. dazu auch das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom V R 33/01, BFHE 198, 226; Az. des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften C-152/02).

3. Da der BFH als Revisionsgericht auf die Prüfung des Verfahrensfehlers beschränkt ist, wenn ein solcher geltend gemacht wird und durchgreift, muss die Vorentscheidung aufgehoben und ohne Entscheidung in der Sache an das FG zurückverwiesen werden (, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242, und vom VI R 162/88, BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306, jeweils am Ende).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1281
BFH/NV 2004 S. 1281 Nr. 9
FAAAB-24321