BFH Urteil v. - X R 21/02

wie X R 43/01 (n. v.)

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1996 und 1997 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger betreibt in eigenen Räumen ein Restaurant mit angegliederter Pension; die Klägerin ist in diesem Betrieb angestellt.

Nachdem der Kläger den Betrieb zunächst als Pächter geführt hatte, übertrug der Vater des Klägers (V) diesem mit notariellem Vertrag vom das Eigentum am Betriebsgrundstück. Der Kläger verpflichtete sich, an V —bzw. nach dessen Ableben an dessen Ehefrau— eine „dauernde Last„ von monatlich 500 DM zu zahlen. „Falls und soweit„ der Preisindex für die Kosten der Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen sich um mindestens 10 % änderte, sollte sich die Höhe der geschuldeten Leistungen entsprechend ändern. Daneben fand § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) Anwendung, wobei insbesondere auf Änderungen des betrieblichen Gewinns Rücksicht zu nehmen war.

Auch in den Streitjahren zahlte der Kläger monatlich 500 DM an V.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) versagte im Anschluss an eine Betriebsprüfung in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für 1996 und 1997 den Abzug, weil er den Versorgungsvertrag wegen der unterbliebenen Anpassung der Zahlungen an den Preisindex als nicht tatsächlich durchgeführt ansah.

Das Einspruchs- und Klageverfahren blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, zwar stelle die notarielle Vereinbarung vom ihrer Rechtsnatur nach einen Versorgungsvertrag dar. Dieser sei jedoch nicht tatsächlich durchgeführt worden, weil die Höhe der Versorgungsleistungen, die durch die Wertsicherungsklausel beeinflusst werde, zum wesentlichen Inhalt eines Versorgungsvertrags gehöre. Der Vortrag der Kläger, die Vertragsparteien seien sich von Anfang an darüber einig gewesen, dass der Zahlbetrag nur bei einer Änderung der Bedürfnisse des V verändert werden sollte, sei angesichts der differenzierten vertraglichen Regelungen zur Wertsicherungsklausel und zur Änderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO nicht nachvollziehbar.

Mit ihrer Revision vertreten die Kläger die Auffassung, die langjährige Handhabung zeige, dass die Vertragsparteien zumindest die Zahlung des Ursprungsbetrages von 500 DM ernstlich gewollt hätten.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1996 und 1997 unter Änderung der Bescheide vom in der Weise festzusetzen, dass eine dauernde Last in Höhe von jeweils 6 000 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung des Versorgungsvertrages anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Vielmehr hat es den begehrten Sonderausgabenabzug allein deshalb abgelehnt, weil die Höhe der Versorgungsleistungen nicht entsprechend der vereinbarten Wertsicherungsklausel angepasst worden ist.

1. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze zur ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sowie der Bedeutung der Nichtbeachtung einer in einem Versorgungsvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zur amtlichen Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom heutigen Tage X R 14/01 unter II. 4. bis 6.

Danach ist die Frage, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Jedenfalls bei Versorgungsverträgen ist für diese Gesamtwürdigung entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Auffassung des FG, schon die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel müsse zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen, als rechtsfehlerhaft. Denn allein die dauerhafte Zahlung der Versorgungsleistungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Nennbetrag rechtfertigt nicht zwingend den Schluss, dass die Parteien ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr hätten nachkommen wollen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht zur Nachholung der —dem Bereich der tatsächlichen Feststellungen zugehörigen— Gesamtwürdigung an das FG zurück. Dabei wird das FG zu beachten haben, dass Abweichungen, die in ihrer Summe nicht so gewichtig sind, als dass sie den Gesamteindruck der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung und ihrer Durchführung erschüttern könnten, der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen unter nahen Angehörigen nicht entgegenstehen (, BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243 unter II. 2. c).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
GAAAB-22073