OFD Hannover - S 2121 - 17 - StO 211 S 2121 - 16 - StH 211

Steuerliche Behandlung von Entschädigungen, die den ehrenamtlichen Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen gewährt werden

A. Allgemeines

Die den ehrenamtlichen Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen gewährten Entschädigungen unterliegen grundsätzlich als Einnahmen aus „sonstiger selbständiger Arbeit„ i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG der Einkommensteuer. Dies gilt insbesondere für Entschädigungen, die für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden.

Steuerfrei sind

  • nach § 3 Nr. 13 EStG Reisekostenvergütungen, die nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes oder entsprechender Landesgesetze gewährt werden,

  • nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG Aufwandsentschädigungen, soweit sie Aufwendungen abgelten, die einkommensteuerrechtlich als Betriebsausgaben berücksichtigungsfähig wären.

B. Anerkennung steuerfreier Aufwandsentschädigungen (§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG)

I. Ehrenamtliche Mitglieder eines Gemeinderats oder eines Stadtrats

  1. Pauschale Entschädigungen und Sitzungsgelder sind steuerfrei, soweit sie insgesamt während der Dauer der Mitgliedschaft folgende Beträge nicht übersteigen:

    ab :
    in einer Gemeinde oder Stadt mit

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    monatlich
    jährlich
    – 
    höchstens 20.000
    Einwohnern
    175,00 DM
    2.100,00 DM
    – 
    20.001 bis 50.000
    Einwohnern
    280,00 DM
    3.360,00 DM
    – 
    50.001 bis 150.000
    Einwohnern
    345,00 DM
    4.140,00 DM
    – 
    150.001 bis 450.000
    Einwohnern
    435,00 DM
    5.220,00 DM
    – 
    mehr als 450.000
    Einwohnern
    520,00 DM
    6.240,00 DM

    ab :
    in einer Gemeinde oder Stadt mit

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    monatlich
    jährlich
    – 
    höchstens 20.000
    Einwohnern
    90,00 EUR
    1.080,00 EUR
    – 
    20.001 bis 50.000
    Einwohnern
    144,00 EUR
    1.728,00 EUR
    – 
    50.001 bis 150.000
    Einwohnern
    177,00 EUR
    2.124,00 EUR
    – 
    150.001 bis 450.000
    Einwohnern
    223,00 EUR
    2.676,00 EUR
    – 
    mehr als 450.000
    Einwohnern
    266,00 EUR
    3.192,00 EUR

    Die Nachholung nicht ausgeschöpfter Monatsbeträge in anderen Monaten desselben Kalenderjahres ist zulässig. Dabei kann jedoch der steuerfreie Jahresbetrag uneingeschränkt nur dann angesetzt werden, wenn die Ratsmitgliedschaft während eines ganzen Kalenderjahres bestanden hat.

  2. Neben den steuerfreien Beträgen nach Nr. 1 werden die Erstattungen der Reisekosten für Dienstreisen nach Maßgabe des § 3 Nr. 13 EStG sowie die Erstattung der tatsächlichen Fahrkosten für Fahrten von der Wohnung zum Sitzungsort und zurück, um an Rats-, Fraktions- und Ortsvereinssitzungen, Bürgerversammlungen u. ä. teilzunehmen, als steuerfreie Aufwandsentschädigung anerkannt. Bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Sitzungsort ist die Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz oder dem entsprechenden Landesgesetz maßgebend.

    Pauschale Fahrkostenerstattungen – soweit sie zusammen mit den übrigen Entschädigungen die Höchstbeträge nach Nr. 1 übersteigen – sind dagegen selbst dann steuerpflichtig, wenn sie nach Entfernungen oder durchschnittlichen Sitzungszahlen gestaffelt sind.

  3. Die steuerfreien Beträge nach Nr. 1 erhöhen sich

    1. für Ratsvorsitzende

      • auf das Dreifache der Beträge nach Nr. 1

      • auf das Doppelte der Beträge nach Nr. 1, wenn die Gemeinde nach den Grundsätzen der Reform der Niedersächsischen Gemeindeordnung zum geführt wird. Diese Regelung gilt ab .

    2. für die ständigen Vertreter der Ratsvorsitzenden

      • auf das Doppelte der Beträge nach Nr. 1,

      • auf das Eineindrittelfache der Beträge nach Nr. 1, wenn die Gemeinde nach den Grundsätzen der Reform der Niedersächsischen Gemeindeordnung zum geführt wird. Diese Regelung gilt ab .

      Sind satzungsgemäß mehrere – gleichberechtigte oder nachrangige – Vertreter bestellt, so gilt dies für alle Vertreter.

    3. für die Vertreter des hauptamtlichen Bürgermeisters/Oberbürgermeisters in Gemeinden, die nach den Grundsätzen der Reform der Niedersächsischen Gemeindeordnung zum geführt werden – dies sind die sogenannten stellvertretenden Bürgermeister bzw. in kreisfreien und großen selbständigen Städten Bürgermeister – im Hinblick auf ihre zusätzlichen Aufgaben (hierzu gehört insbesondere die repräsentative Vertretung der Gemeinde) auf das Doppelte der Beträge nach Nr. 1. Diese Regelung gilt ab .

    4. für Fraktionsvorsitzende, deren Fraktion mindestens zwei Mitglieder umfasst, auf das Doppelte der Beträge nach Nr. 1.

  4. Übt ein Ratsmitglied mehrere dieser herausgehobenen Tätigkeiten zugleich aus, kann nur der höchste pauschale Steuerfreibetrag gewährt werden. Eine Addition ist nicht zulässig.

  5. Im Übrigen ist die Neuregelung der R 13 Abs. 3 LStR 2002 zu beachten, d. h. dass Aufwandsentschädigungen der kommunalen Mandatsträger mindestens i. H. v. 154,00 EUR monatlich steuerfrei bleiben.

II. Ehrenamtliche Mitglieder eines Kreistages:

  1. Pauschale Entschädigungen und Sitzungsgelder sind steuerfrei, soweit sie insgesamt während der Dauer der Mitgliedschaft folgende Beträge nicht übersteigen:

    ab :
    in einem Landkreis mit

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
     
    monatlich
    jährlich
    – 
    höchstens 250.000
    Einwohnern
    345,00 DM
    4.140,00 DM
    – 
    mehr als 250.000
    Einwohnern
    435,00 DM
    5.220,00 DM

    ab :
    in einem Landkreis mit

    Tabelle in neuem Fenster öffnen
     
    monatlich
    jährlich
    – 
    höchstens 250.000
    Einwohnern
    177,00 EUR
    2.124,00 EUR
    – 
    mehr als 250.000
    Einwohnern
    223,00 EUR
    2.676,00 EUR
  2. Abschn. 1 Nr. 2 und 3 ist sinngemäß anzuwenden. Die Niedersächsische Landkreisverordnung ist zum entsprechend der Niedersächsischen Gemeindeordnung geändert worden.

III. Ehrenamtliche Mitglieder eines Samtgemeinderats

Die Regelungen des Abschn. I gelten sinngemäß. Dabei ist jedoch die Einwohnerzahl der Samtgemeinde maßgebend.

Zur Klarstellung wird darauf hin gewiesen dass der dreifache Steuerfreibetrag nach Abschn. I Nr. 3a erster Spiegelstrich auch für ehrenamtliche Bürgermeister in Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden gilt, denen die repräsentative Vertretung der Gemeinde obliegt (§ 70 Abs. 1 Satz 1 NGO). Die zum in Kraft getretenen Änderungen der NGO haben insoweit hinsichtlich der dem Ratsvorsitzenden obliegenden repräsentativen Vertretung der Gemeinde zu keiner Änderung geführt.

IV. Ehrenamtliche Mitarbeiter der kommunalen Zweckverbände und der Verbandsversammlungen der Zweckverbände

Die Regelungen der Abschn. I und II gelten nicht bei kommunalen Zweckverbänden (z. B. Wasserversorgungs- oder Abwasserbeseitigungsverband).

Auf die Mitglieder der Verbandsversammlungen des Zweckverbandes Großraum Braunschweig ist Abschn. II sinngemäß anzuwenden.

Abschn. II gilt auch für die Regionalabgeordneten der zum gebildeten Region Hannover. Mit der Einführung der Region Hannover wurde zugleich der Kommunalverband Großraum Hannover aufgelöst, für den bis einschließlich Abschn. II sinngemäß anzuwenden ist.

V. Ehrenamtliche Mitglieder eines Ortsrats und Ortsvorstehers

Die Regelungen in Abschn. I Nr. 1 und 2 gelten sinngemäß. Dabei ist jedoch die Einwohnerzahl des Ortsbezirks maßgebend. Für den Vorsitzenden des Ortsrats (Ortsbürgermeister/in) oder den Ortsvorsteher verdoppeln sich die steuerfreien Beträge nach Abschn. I Nr. 1.

VI. Ehrenamtliche Mitglieder eines Stadtbezirksrates

Die Regelungen in Abschn. I Nr. 1 und 2 gelten sinngemäß. Dabei ist jedoch die Einwohnerzahl des Stadtbezirks maßgebend. Für Vorsitzende des Stadtbezirksrates (Bezirksbürgermeister/in) verdoppeln sich die steuerfreien Beträge nach Abschn. I Nr. 1.

VII. Gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren kommunalen Volksvertretungen

Steuerpflichtige, die gleichzeitig Mitglieder mehrerer kommunaler Volksvertretungen sind, können steuerfreie Entschädigungen i. S. d. vorstehenden Abschn. I bis V nebeneinander beziehen. R 13 Abs. 3 Satz 6 LStR ist insoweit nicht anzuwenden.

VIII. Tätigkeit von Ratsmitgliedern in Verwaltungsausschüssen

Die in Abschn. I Nr. 1 und II Nr. 1 genannten steuerfreien Höchstbeträge berücksichtigen auch die Tätigkeit von Ratsmitgliedern in Verwaltungsausschüssen. Eine pauschale Erhöhung der Höchstbeträge wegen solcher Tätigkeiten kann deshalb nicht vorgenommen werden.

C. Wirkung der steuerfreien Aufwandsentschädigungen

Mit den steuerfreien Entschädigungen nach Teil B sind alle Aufwendungen, die mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit i. S. d. Teils B zusammenhängen, abgegolten. Es bleibt den Steuerpflichtigen unbenommen, ihre tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie nicht Kosten der Lebensführung sind, die ihre wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung mit sich bringt, gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. In diesem Falle können die tatsächlichen Aufwendungen insoweit als sie die steuerfreien Entschädigungen übersteigen, als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Die teilweise Anerkennung von Pauschalen und tatsächlichen Kosten nebeneinander ist nicht zulässig; die tatsächlichen Kosten sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie für den gesamten Veranlagungszeitraum und alle Kostenarten einheitlich geltend gemacht werden.

D. Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen

Aufwandsentschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. d. § 24 Nr. 1. Buchst. a EStG gezahlt werden, sind nach § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nur begünstigt, wenn es sich um außerordentliche Einkünfte handelt. Da diese Entschädigungen an die Stelle von Einnahmen lediglich eines Jahres treten, fehlt ihnen in der Regel das Merkmal der Außerordentlichkeit. Eine andere Beurteilung ist dann geboten, wenn z. B. im Jahr der Entschädigung neben dieser weitere, nicht unerhebliche Einkünfte vorhanden sind, während in dem Jahr, dem die entgangenen oder entgehenden Einnahmen zuzurechnen gewesen wären, keine oder nur geringfügige Einkünfte angefallen sind (vgl. BStBl 1960 III S. 72).

Die vorstehenden Regelungen beruhen im Wesentlichen auf den Erlassen des Niedersächsischen Fin Min vom , Nds. MBl 1978 S. 1653, und vom , Nds. MBl 1990 S. 247, die im Zusammenwirken mit dem Niedersächsischen Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde oder in Betracht kommenden öffentlichen Kassen ergangen sind (Hinweis auf das BStBl 1993 II S. 50) sowie den Erlassen des Niedersächsischen Fin Min vom – S 2337 – 8 – 35 –, Nds. MBl 1999 S. 726, vom – S 2337 – 8 – 35 –, Nds. MBl 2000 S. 341, vom – S 2337 – 8 – 35 –, vom – S 2337 – 8 – 35 –, Nds. MBl 2003 S. 354, und vom  – S 2337 – 8 – 35.

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Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
GAAAB-21840