BFH Urteil v. - VI R 122/00 BStBl 2004 II S. 620

GmbH nicht ArbG ihrer von der Obergesellschaft entlohnten und vorübergehend entsandten Geschäftsführer

Leitsatz

Eine GmbH ist nicht Arbeitgeberin ihrer von einer Obergesellschaft entlohnten Geschäftsführer, wenn diese vorübergehend entsandt sind und nur im Rahmen ihres mit der Obergesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrages tätig werden.

Gesetze: EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1EStG § 38 Abs. 1 Satz 2LStDV § 1

Instanzenzug: (EFG 2000, 939) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verpflichtet war, Lohnsteuer für ihre Geschäftsführer abzuführen, die von einer ausländischen Obergesellschaft entsandt und entlohnt wurden.

Die Klägerin führte als Komplementär-GmbH die Geschäfte einer inländischen KG. Alleinige Anteilseignerin der Klägerin war eine inländische GmbH, die zugleich auch die Kommanditanteile an der KG hielt. Die Anteile an dieser GmbH hielt eine österreichische GmbH (Obergesellschaft).

Im Streitjahr 1990 wurden zwei Geschäftsführer der Klägerin von der österreichischen Obergesellschaft entsandt; sie wohnten in Österreich. Die Klägerin wies keine Ausgaben für die Geschäftsführung aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gelangte zu der Auffassung, dass die österreichische Obergesellschaft die KG mit Personalkosten der Klägerin belastet habe. Es habe sich um Lohnzahlung durch Dritte gehandelt. Die Klägerin sei als Arbeitgeberin ihrer Geschäftsführer zum Lohnsteuerabzug verpflichtet gewesen. Da sie keine Angaben über Umfang und Kosten der Tätigkeit machte, schätzte das FA die Höhe des Arbeitslohnes und erließ einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klägerin sei nicht Arbeitgeberin der Geschäftsführer gewesen, weil diese dienstvertraglich allein an die österreichische Obergesellschaft gebunden gewesen seien. Geschäftsführer seien nicht von der GmbH abhängig, deren Organ sie seien, sondern von den Entscheidungen der jeweiligen Gesellschafter der GmbH, im Streitfall also mittelbar von der österreichischen Obergesellschaft, von der sie auch entlohnt worden seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 939 veröffentlicht.

Mit der Revision macht das FA geltend, im Streitfall hätten die Geschäftsführer in zwei unmittelbaren Arbeitsverhältnissen sowohl zur österreichischen Obergesellschaft als auch zur inländischen Klägerin gestanden. Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft seien als Organ in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert und hätten den Weisungen der Gesellschaft zu folgen; sie stünden zu dieser stets in einem Dienstverhältnis. Vorliegend seien die Geschäftsführer an die Weisungen aus den Gesellschafterbeschlüssen der Klägerin gebunden. Daran ändere sich dadurch nichts, dass diese Weisungen letztlich von der österreichischen Obergesellschaft erteilt würden. Denn anderenfalls läge ein mittelbares Dienstverhältnis zur österreichischen Obergesellschaft vor, das der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch mit Urteil vom VI R 9/80 (BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768) abgelehnt habe. Die Belastung der KG mit den Geschäftsführergehältern rechtfertige keine andere Beurteilung, weil es sich lediglich um einen abgekürzten Zahlungsweg handele.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie macht geltend, das FG habe nicht festgestellt, dass die Personalkosten der KG belastet worden seien. Die Auffassung des FA, wonach im Streitfall zwei unmittelbare Arbeitsverhältnisse zur österreichischen Obergesellschaft und zur inländischen Klägerin vorlägen, stünden nicht im Einklang mit der Rechtsprechung. Denn der BFH habe mit Urteil in BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768 entschieden, dass auch in einem Konzernverbund keine Aufspaltung in zwei Dienstverhältnisse stattfinde. Diese Beurteilung müsse auch für Geschäftsführer gelten. Bei Geschäftsführern sei zwischen der Organstellung und dem Dienstverhältnis zu unterscheiden. Entgegen der Darstellung des FA seien die Gehälter der Geschäftsführer nicht von der KG, sondern von der österreichischen Obergesellschaft bezahlt worden, die auch österreichische Lohnsteuer einbehalten und abgeführt habe.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass die Klägerin nicht Arbeitgeberin ihrer von der Obergesellschaft entsandten Geschäftsführer war und daher nicht für deren Lohnsteuer haftete.

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Das gilt auch, wenn er bei Zahlung des Arbeitslohns durch Dritte Lohnsteuer einzubehalten hatte (BFH-Urteil in BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768).

a) Arbeitgeber im steuerlichen Sinne ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen verpflichtet ist, wie sich aus § 1 Abs. 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) ergibt ( BFHE 177, 105, BStBl II 1995, 390). Arbeitgeber ist danach regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag (BFH-Urteil in BFHE 177, 105, BStBl II 1995, 390).

b) Allerdings gibt es Fälle, in denen der Arbeitnehmer weder unter der Leitung seines Vertragspartners aus dem Dienstvertrag tätig wird noch dessen Weisungen zu folgen hat. So kann es sich bei Arbeitnehmerüberlassung oder bei sonstigen Formen des drittbezogenen Arbeitseinsatzes verhalten (vgl. , BFHE 190, 79, BStBl II 2000, 41). In solchen Fällen wurde als Arbeitgeber im lohnsteuerlichen Sinne derjenige angesehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 79, BStBl II 2000, 41).

2. Der Geschäftsführer einer GmbH ist steuerlich grundsätzlich Arbeitnehmer, weil er als Organ in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen zu folgen hat, die sich aus dem Anstellungsvertrag und aus den Gesellschafterbeschlüssen in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften ergeben (, BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255). Daraus folgt jedoch nicht, dass Arbeitgeber des Geschäftsführers ausnahmslos die Gesellschaft sein muss, zu deren Organ er bestellt ist.

a) Zivilrechtlich ist zwischen der Organstellung und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse stehen selbständig nebeneinander und können unabhängig voneinander begründet oder beendet werden (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2003, 351). Deshalb kann die Übernahme des Geschäftsführeramtes unselbständiger Bestandteil eines Arbeitsvertrages sein, wenn ein Angestellter des herrschenden Unternehmens im Konzern unter Fortführung des Anstellungsverhältnisses die Leitung eines abhängigen Konzernunternehmens übernimmt; Gleiches gilt bei Anstellung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH durch die KG (vgl. , GmbH-Rundschau —GmbHR— 1996, 289; Scholz/Schneider, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HaftungGmbHG—, 9. Aufl. 2000, § 35 Rdnr. 165, m.w.N.; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, Anh. § 6 Rdnr. 9).

Möglich ist zwar auch eine Aufspaltung des Arbeitsverhältnisses mit der Obergesellschaft auf mehrere Arbeitsverhältnisse (siehe dazu Forchhammer, Lohnsteuerliche und umsatzsteuerliche Behandlung von Mehrfacharbeitsverträgen im Konzern, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1999, 153 ff.). So liegt der Fall jedoch nicht, wenn ein Angestellter eines Konzernunternehmens im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft bestellt wird (vgl. Forchhammer, a.a.O., DStZ 1999, 153 ff., unter II. 3.). Außerdem kann es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit der Obergesellschaft und zum Abschluss eines Dienstvertrages mit der Tochtergesellschaft kommen; bezieht der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft jedoch weiterhin sein Entgelt von der Konzernobergesellschaft und ist er dieser gegenüber nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages weisungsgebunden, bleibt er zivilrechtlich Arbeitnehmer der Obergesellschaft (vgl. BAG-Beschluss in GmbHR 1996, 289, und Oberlandesgericht Frankfurt/Main vom , GmbHR 1997, 1106).

b) Auch steuerrechtlich ist eine Tochtergesellschaft nicht Arbeitgeberin ihres Geschäftsführers, soweit er im Rahmen eines fortbestehenden Anstellungsverhältnisses mit der Obergesellschaft tätig wird. Wie der Senat entschieden hat, ist Arbeitgeber in einem Konzern grundsätzlich diejenige Konzerngesellschaft, mit der der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat; denn nur dieses Unternehmen kann unmittelbar Weisungsrechte ausüben und hat andererseits die Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen (BFH-Urteil in BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768). Daran ändert sich nichts, wenn ein Angestellter auf Grund seines Anstellungsverhältnisses bei einer Konzern-Obergesellschaft (auch) als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft tätig wird; allein die organschaftliche Stellung rechtfertigt eine von der zivilrechtlichen Ausgangslage abweichende Beurteilung nicht.

3. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Rechtsgrundsätzen.

a) Das FG hat die Klägerin nicht als Arbeitgeberin der Geschäftsführer angesehen, weil sie auf der Grundlage von Dienstverträgen mit der österreichischen Obergesellschaft tätig wurden, von der sie auch entlohnt wurden. Es hat zurecht entschieden, dass allein die Organstellung der Geschäftsführer nicht ausreicht, um die Klägerin als deren Arbeitgeberin anzusehen. Darüber hinausgehende Anhaltspunkte für den Abschluss von Dienstverträgen mit der Klägerin haben weder das FA noch das FG festgestellt. Auf die theoretische Möglichkeit formloser Vertragsabschlüsse kommt es bei dieser Sachlage nicht an, zumal die Geschäftsführer nur vorübergehend im Inland tätig waren.

b) Aus einer allgemeinen Verpflichtung der KG, Aufwendungen der Klägerin zu ersetzen, kann —entgegen der Auffassung des FA— nicht darauf geschlossen werden, dass die Klägerin zur Einbehaltung von Lohnsteuer verpflichtet gewesen wäre. Denn Voraussetzung dafür wäre nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, dass die Obergesellschaft die Gehälter als Dritte im Rahmen eines Dienstverhältnisses der Klägerin mit ihren Geschäftsführern gezahlt hätte. Dafür ist nichts festgestellt. Die theoretische Möglichkeit eines Aufwendungsersatzanspruchs der Klägerin gegen die KG genügt nicht. Eine Belastung der KG mit den Kosten der Geschäftsführung durch die österreichische Obergesellschaft führt zu keiner anderen Beurteilung, weil es um die Führung ihrer eigenen Geschäfte ging.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 620
BB 2004 S. 1089 Nr. 20
BFH/NV 2004 S. 871
BFH/NV 2004 S. 871 Nr. 6
BStBl II 2004 S. 620 Nr. 13
DB 2004 S. 1186 Nr. 22
FR 2004 S. 755 Nr. 13
INF 2004 S. 406 Nr. 11
KÖSDI 2004 S. 14201 Nr. 6
StB 2004 S. 202 Nr. 6
UAAAB-21066