Abzug von Erpressungsgeldern als agw. Bel.
Leitsatz
Erpressungsgelder, die gezahlt werden, damit der Ehepartner nichts von einem außerehelichen Verhältnis erfährt, sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Gesetze: EStG § 33
Instanzenzug: (EFG 2002, 1168) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde im Streitjahr 1996 mit seiner im April 1998 an einem Herzinfarkt verstorbenen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Eheleute waren seit 1964 verheiratet.
Der Kläger hatte mit seiner jetzigen Ehefrau eine außereheliche Beziehung unterhalten, aus der der im Februar 1992 geborene Sohn hervorging. Des Weiteren hatte der Kläger im Jahr 1993 einige Monate lang ein intimes Verhältnis zu der ehemaligen Hausgehilfin. Nach Ende dieser Beziehung wurde der Kläger von deren Freundin, Frau…(im Folgenden Frau A), erpresst. Sie drohte, seiner herzkranken Ehefrau von dem intimen Verhältnis zu erzählen, wenn er ihr nicht Geld zahle. Der Kläger entrichtete hierauf zwischen Anfang 1994 und Dezember 1997 insgesamt etwa 191 000 DM an Frau A, weil er verhindern wollte, dass seine damalige Frau von seinen außerehelichen Beziehungen erfuhr.
Der Kläger notierte sich Zeitpunkt und Umfang der Zahlungen, sammelte Überweisungsträger, kopierte übergebene Schecks und Einzahlungsbelege für Postanweisungen. Daneben ließ er sich von Frau A für eine Vielzahl der Zahlungen von ihm vorformulierte Erklärungen unterschreiben, in denen sie den Empfang des Geldes bestätigte und nach denen sie in Zukunft keine Geldforderungen mehr stellen würde. Nach dem Tod seiner Ehefrau zeigte der Kläger Frau A an. Diese wurde wegen Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.
Am forderte der Kläger Frau A in einem Schreiben an ihren Anwalt zur Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses und der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung über den Betrag von 251 004,16 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab Zahlung der Einzelbeträge auf. Dieses Ansinnen wies Frau A zurück. Der Kläger verfolgte daraufhin seine Ansprüche nicht weiter.
Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 beantragte der Kläger erstmals, Erpressungsgelder in Höhe von 58 104,16 DM als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) wies in der Einspruchsentscheidung den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage dagegen hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Kläger hätte sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen können. Denn wegen der Herzkrankheit wären Leben und Gesundheit seiner damaligen Ehefrau gefährdet gewesen, wenn sie von seinen außerehelichen Beziehungen erfahren hätte. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1168 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 des Einkommensteuergesetzes —EStG—).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht hat das FG die gezahlten Erpressungsgelder als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sowie die durch § 10 EStG und Kinderfreibetrag oder -geld abgegoltenen weiteren zwangsläufigen Aufwendungen (vgl. Bundesfinanzhof —BFH—, Urteile vom III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom III R 24/01, BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567). Nicht unter § 33 EStG fallen auch Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen (§ 12 EStG). Diese sind grundsätzlich von ihm selbst —ohne eine steuerliche Entlastung— zu tragen. Anspruch auf Solidarität der Gemeinschaft hat der Einzelne in der Regel nur, wenn ihn entweder die Steuerzahlung überfordert —für diese Fälle sehen die §§ 163, 227, 222 der Abgabenordnung (AO 1977) die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen vor— oder wenn die Aufwendungen einen Bereich der Lebensführung betreffen, der der individuellen Gestaltungsmöglichkeit des Einzelnen entzogen ist. Nur diese Fälle werden, sofern es sich nicht um Aufwendungen handelt, die durch allgemeine Freibeträge abgegolten werden, durch § 33 EStG erfasst, der ohne Überprüfung der Vermögensverhältnisse zu einer Steuerminderung führt.
Dementsprechend sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG anfallen, die Ursachen zu erforschen (z.B. BFH, Urteile in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Entscheidend ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hatte. Wurzelt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht.
Zudem ist nach ständiger Senatsrechtsprechung die Frage, ob eine Aufwendung zwangsläufig anfällt, nicht danach zu entscheiden, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv zu dieser Handlung verpflichtet fühlt (BFH, Urteile in BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Maßgeblich ist vielmehr, ob die in § 33 Abs. 2 EStG genannten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen derart auf die Entschließung einwirken, dass er ihnen nach einem objektiven Maßstab nicht ausweichen kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Kommt ein alternatives Handeln in Betracht, das nicht zu Aufwendungen führt, fehlt es an der Zwangsläufigkeit, es sei denn, diese anderen Handlungsmöglichkeiten seien dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar.
Für Erpressungsgelder folgt daraus, dass zwischen den Fallgruppen zu unterscheiden ist, in denen der Steuerpflichtige durch sein frei gewähltes Verhalten selbst eine wesentliche Ursache für eine Erpressung bereitet hat, und jenen, in denen es an einem solchen Verhalten fehlt.
Der letztere Fall kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn ein Steuerpflichtiger allein aufgrund des Umstandes, dass er wohlhabend ist, zum Opfer einer Erpressung wird, bei der Angehörige oder andere Personen, die ihm nahe stehen oder seiner Obhut anvertraut sind, mit dem Tod oder einem anderen empfindlichen Übel bedroht werden. Für die Abziehbarkeit von Erpressungs- oder Lösegeldern kommt es in diesem Fall darauf an, ob der Steuerpflichtige Handlungsalternativen besaß, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten. Dafür sind die Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Erpressung maßgeblich. Erkenntnisse, die erst ex post gewonnen wurden, sind nicht zu berücksichtigen.
Anders liegt der Fall dagegen, wenn sich der Steuerpflichtige strafbar oder sonst sozialwidrig verhalten oder gegen die von ihm selbst oder von ihm nahestehenden Personen für verbindlich anerkannten Verhaltensmaximen verstoßen hat. Ein auf diese Weise vom Steuerpflichtigen selbst und ohne Zwang geschaffener Erpressungsgrund nimmt der Zahlung der Erpressungsgelder regelmäßig die Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 EStG.
Im Gegensatz zu Krankheitskosten, die ohne Prüfung der Verursachung als zwangsläufig anerkannt werden (, BFHE 203, 295, BStBl II 2004, 47, m.w.N., und in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543), kann im Fall von Erpressungen nicht auf eine Ursachenaufklärung verzichtet werden, wie das FG meint.
2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe bleibt für die Anwendung von § 33 EStG im vorliegenden Fall kein Raum. Zwar waren die Aufwendungen für den Kläger außergewöhnlich, denn wer ein außereheliches Verhältnis eingeht, ist üblicherweise nicht einer Erpressung ausgesetzt. Es fehlt aber an der Zwangsläufigkeit.
Der Kläger hat sich auf das außereheliche Verhältnis aus freien Stücken eingelassen, und zwar in einem Zeitpunkt, als der labile Gesundheitszustand seiner Ehefrau bereits bestand. Auch wenn er nicht damit rechnen musste, deswegen erpresst zu werden, hat er doch den Anlass für eine mögliche Erpressung selbst gesetzt. Die daraus folgenden Aufwendungen zur Verbergung seiner außerehelichen Beziehung vor seiner verstorbenen Frau waren daher schon aus diesem Grund nicht zwangsläufig i.S. von § 33 EStG.
Zudem hatte der Kläger auch zu der Zeit, als die Zahlungen von ihm verlangt wurden, Handlungsalternativen. Zum einen hätte er Anzeige gegen die Erpresserin erstatten und möglicherweise schon mit der Mitteilung, dies zu beabsichtigen, die Zahlung vermeiden können. Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass niemand zur Selbstbezichtigung gezwungen werden darf, steht dem nicht entgegen, denn das Eingeständnis des Ehebruchs hätte den Kläger nicht in ein Strafverfahren verwickelt. Auch sonst sind keine Gründe vorgetragen worden oder ersichtlich, aus denen der Gang zur Polizei dem Kläger nicht zumutbar gewesen wäre.
Der Kläger hätte seine außereheliche Beziehung aber auch seiner Frau gestehen können. Dies war dem Kläger nicht unzumutbar. Insbesondere gibt nicht schon der labile Gesundheitszustand seiner Frau Veranlassung, die Zahlung der Erpressungsgelder als zwangsläufig zu beurteilen. Zwar war die Ehefrau herzkrank und ist schließlich im Alter von 83 Jahren auch an einer Herzkrankheit gestorben. Dies allein lässt aber nicht den Schluss zu, dass jede Aufregung zu einer ernsthaften Gesundheits- oder gar Lebensgefährdung der Ehefrau geführt hätte. Der Kläger hat weder Umstände dargetan, aus denen sich diese Folgen für seine Frau im Fall eines Geständnisses ergeben hätten noch hat er Anstrengungen unternommen, der Lebensgefahr, sollte sie bestanden haben, durch Beiziehung eines Arztes, entsprechende Medikamentierung oder Ähnliches entgegen zu wirken. Das FG hat sich insoweit lediglich auf die pauschalen Angaben des Klägers bezogen.
Auf die Frage, ob die Zwangsläufigkeit deshalb entfällt, weil der Kläger nicht versucht hat, zivilrechtlich Rückgriff auf die Erpresserin zu nehmen, kommt es demnach nicht mehr an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 867
BFH/NV 2004 S. 880
BFH/NV 2004 S. 880 Nr. 6
BStBl II 2004 S. 867 Nr. 20
DB 2004 S. 1185 Nr. 22
DStRE 2004 S. 631 Nr. 11
FR 2004 S. 667 Nr. 11
INF 2004 S. 445 Nr. 12
KÖSDI 2004 S. 14203 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2006 S. 1515
StB 2004 S. 201 Nr. 6
WAAAB-20773