BFH Beschluss v. - V R 40/03

Anforderungen an die Begr. eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Flugsportverein. Er wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) zur Umsatzsteuer veranlagt. Gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 erhob er Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Der Bundesfinanzhof (BFH) ließ die Revision gegen das Urteil des FG mit Beschluss vom zu. Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom (Fax des Klägers vom ) beantragte der Prozessvertreter des Klägers, die Frist für die Begründung der Revision um eine Woche zu verlängern und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die verspätete Stellung dieses Antrags. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete er damit, dass er vom 11. bis arbeitsunfähig krank gewesen sei. Nach dem vorgelegten Attest litt er unter einer Gastroenteritis.

Mit weiterem Schriftsatz vom (Fax vom ) begründete der Prozessbevollmächtigte die Revision.

II. Die Revision ist unzulässig. Sie war gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.

1. Nach § 120 Abs. 2 FGO ist die Revision im Fall ihrer Zulassung gemäß § 116 Abs. 7 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Der Beschluss über die Zulassung der Revision war dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden. Die Revisionsbegründungsfrist lief am Montag, dem , ab. Der erst danach eingegangene Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist und die noch später eingegangene Revisionsbegründung waren somit verspätet.

2. Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten. Dabei muss sich der Kläger das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO, § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Ein Verschulden i.S. des § 56 FGO ist, jedenfalls wenn es sich um die Fristversäumnis eines Rechtsanwalts handelt, nur dann zu verneinen, wenn dieser die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet hat. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss daher alles ihm Zumutbare tun, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. Dementsprechend hat er die nach den jeweiligen Umständen gebotene Vorsorge für den Fall zu treffen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere an der Wahrung gesetzlicher Pflichten, gehindert wird. Er muss sicherstellen, dass entweder ein Vertreter vorhanden ist oder das Kanzleipersonal sich an einen solchen wenden kann. Dazu gehört zum Beispiel, die für die Überwachung des Fristenkalenders verantwortliche Bürokraft zu beauftragen, nicht nur auf den drohenden Fristablauf zu achten, sondern bei Abwesenheit oder Erkrankung des Rechtsanwalts oder Steuerberaters auch Fristsachen daraufhin zu überprüfen, ob die Schriftsätze rechtzeitig herausgegangen oder Maßnahmen zur Fristverlängerung getroffen worden sind (vgl. , BFH/NV 2002, 794, m.w.N.).

Die im anhängigen Verfahren geltend gemachte und durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemachte Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann als schuldlose Verhinderung i.S. von § 56 Abs. 1 FGO zu werten, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwer ist, dass es für den Prozessbevollmächtigten unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen (vgl. dazu , BFH/NV 2003, 58, m.w.N.) oder —wie hier gemäß § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO möglich— vor Ablauf der Frist Fristverlängerung zu beantragen.

Demgemäß ist es für die schlüssige Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht ausreichend, allein den Umstand der Erkrankung darzulegen; erforderlich sind vielmehr substantiierte Ausführungen dazu, welche Vorkehrungen (Büroorganisation, Bestellung eines Vertreters) der Prozessbevollmächtigte getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, oder aus welchen Gründen (z.B. plötzlicher Ausbruch der Krankheit) der Prozessvertreter Maßnahmen dieser Art nicht habe ergreifen können (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 794, und BFH/NV 2003, 58).

Dem Vortrag des Prozessvertreters des Klägers ist zu entnehmen, dass er fern von seiner Kanzlei in ärztlicher Behandlung war. Es lässt sich aber nicht erkennen, welche Vorkehrungen er in seiner Kanzlei zur Einhaltung von Fristen getroffen hat, wo und wann er erkrankt ist und inwiefern ihn diese Erkrankung gehindert hat, rechtzeitige Maßnahmen gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu ergreifen. Der Umstand, dass er laut ärztlicher Bescheinigung vom 11. bis arbeitsunfähig war, reicht zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags somit nicht aus.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 657
BFH/NV 2004 S. 657 Nr. 5
MAAAB-16998