BFH Beschluss v. - VII B 213/03

Wiedereinsetzung wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob im April 2002 Klage gegen die Entscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners, dass er die Steuerberaterprüfung 2001 nicht bestanden habe. Die Klageschrift enthielt nur den Antrag, die Steuerberaterprüfung für bestanden zu erklären, ansonsten aber keine Begründung. Nachdem eine Aufforderung zur Klagebegründung unbeantwortet geblieben war, wurde der Kläger mit Verfügung des Vorsitzenden des zuständigen Senats des Finanzgerichts (FG) aufgefordert, (u.a.) den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen; hierfür wurde gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Zustellung der Verfügung gesetzt. Die Verfügung wurde dem Kläger am zugestellt. Die Klagebegründung ging jedoch erst am beim FG per Telefax ein.

Mit am eingegangenem Schriftsatz beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug vor, dass er am erkrankt und erst am wieder in der Lage gewesen sei, die Klagebegründung zu verfassen und abzusenden; zur Glaubhaftmachung fügte er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 5. bis bei. Auf weitere Aufforderung seitens des FG reichte der Prozessbevollmächtigte mit am eingegangenem Schriftsatz eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, in der zusätzlich als Diagnose „V.a. Mononukleose Tonsillitis (J 35.0)„ angegeben war. Das FG wies die Klage als unzulässig mit der Begründung ab, dass der Kläger die Ausschlussfrist für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens versäumt habe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der er vorträgt, dass er den Gegenstand des Klagebegehrens bereits mit seiner Klageschrift bezeichnet habe; das FG habe insoweit überzogene Anforderungen gestellt. Auch sei die Auffassung des FG falsch, dass die Schwere der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten nicht schlüssig dargelegt worden sei und dass den Prozessbevollmächtigten ein Organisationsverschulden insoweit treffe, als dieser für den Fall einer Erkrankung keine Vorkehrungen getroffen habe. Aus diesen Gründen habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung und es erfordere darüber hinaus auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Auch könne ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden, auf dem die Entscheidung des FG beruhe.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N., und vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Formulierung einer oder mehrerer konkreter Rechtsfragen, denen nach Auffassung des Klägers grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.

Offen bleiben kann, ob sich der Beschwerdebegründung wenigstens sinngemäß die formulierte Rechtsfrage entnehmen lässt, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO zu stellen sind, und ob ihre Klärungsbedürftigkeit mit der Beschwerde ausreichend dargelegt wird, da diese Frage jedenfalls nicht klärungsbedürftig ist. Der BFH hat bereits entschieden, dass der Kläger zur Bezeichnung des Klagebegehrens das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen muss, d.h. bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen substantiiert darzulegen hat, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt seiner Meinung nach rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt. Was in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt der Substantiierung dem Rechtsuchenden abzuverlangen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227, m.w.N.; , BFH/NV 2002, 726). Für den Fall der Anfechtung einer Prüfungsentscheidung hat der erkennende Senat zudem bereits entschieden, dass der Prüfling sich mit der Bewertung der Prüfungsleistung durch die Prüfer im Einzelnen auseinander setzen, gegen diese ggf. substantiierte Einwendungen vorbringen und genau angeben muss, aus welchen Gründen er meint, dass seine Leistung zu schlecht bewertet worden sei (Senatsurteil vom VII R 49/00, BFHE 195, 93, BStBl II 2001, 736). Die Frage, ob im Streitfall der Kläger nur mit dem Klageantrag, die Steuerberaterprüfung für bestanden zu erklären, den Gegenstand des Klagebegehrens ausreichend bezeichnet hat, konnte daher nur in der Weise beantwortet werden, wie es das FG getan hat.

2. Da mit der Beschwerde konkrete Rechtsfragen nicht formuliert oder die aufgeworfenen Fragen jedenfalls nicht klärungsbedürftig sind, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht ausreichend dargelegt bzw. nicht gegeben (vgl. , BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835).

3. Ob mit dem Vorbringen, das FG habe zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Ausschlussfrist versagt, ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt wird (vgl. dazu Senatsbeschluss vom VII B 349/00, BFH/NV 2001, 1600), kann der Senat offen lassen (vgl. jedoch Senatsbeschluss vom VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609), weil ein solcher Verfahrensmangel jedenfalls nicht vorliegt. Da —wie bereits ausgeführt— allein mit dem in der Klageschrift angekündigten Klageantrag der Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet worden war, durfte der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO eine Ausschlussfrist zur Ergänzung der fehlenden Angaben setzen. Die wegen der Fristversäumung beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das FG zu Recht versagt.

Bei Versäumung der nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist gilt gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 56 FGO entsprechend. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; das bedeutet, dass auch die den Antrag begründenden Tatsachen innerhalb dieser zweiwöchigen Frist schlüssig vorzutragen sind (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 36, 40). Erforderlich ist insoweit die vollständige Darlegung der Ereignisse, welche die unverschuldete Säumnis belegen sollen. Bei einer Fristversäumnis infolge einer Erkrankung (vgl. dazu Senatsurteil vom VII R 39, 43/02, BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828) sind daher die Tatsachen anzugeben, aus denen sich Art und Schwere der Erkrankung in der Weise ergeben, dass sie die Annahme erlauben, dass es aufgrund der Schwere der Krankheit nicht möglich war, einen fristwahrenden Schriftsatz rechtzeitig einzureichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX R 83/95, BFH/NV 2000, 743; vom V B 186/00, BFH/NV 2001, 918). Im Fall der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten sind darüber hinaus die für diesen Fall getroffenen organisatorischen Maßnahmen, um Fristversäumnisse auszuschließen, darzulegen (BFH-Beschlüsse vom IX S 6/93, BFH/NV 1994, 331; vom IV B 150/98, BFH/NV 1999, 1614).

An solchen Darlegungen fehlt es im Streitfall. Der Lauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO begann jedenfalls am , als der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klagebegründung per Telefax dem FG übermittelte. Innerhalb der anschließenden zweiwöchigen Frist hat der Prozessbevollmächtigte nur vorgetragen, dass er seit dem arbeitsunfähig krank gewesen sei, und hat ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, von denen die zweite die ärztliche Diagnose Tonsillitis und Verdacht auf Mononukleose auswies. Weitere Angaben zur Schwere der Erkrankung fehlen, so dass nicht in ausreichender Weise dargelegt worden ist, warum der Prozessbevollmächtigte wegen einer fieberhaften Mandelentzündung über mehrere Tage nicht in der Lage war, einen fristwahrenden Schriftsatz zu verfassen (der nicht einmal besonders umfangreich hätte sein müssen) bzw. diesen seiner Mitarbeiterin zu diktieren und sie zu beauftragen, den Schriftsatz per Telefax dem FG zu übermitteln. Außerdem enthält die innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist gegebene Begründung des Prozessbevollmächtigten keine Angaben dazu, wie er die Abläufe in seinem Büro organisiert hat, um im Fall seiner plötzlichen Erkrankung Fristversäumnisse zu vermeiden, und warum diese Vorkehrungen im konkreten Fall versagt haben. Solche Angaben wären insbesondere erforderlich gewesen, weil nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten am begann, die Ausschlussfrist aber erst am ablief, so dass sich die Frage stellt, warum es dem Prozessbevollmächtigten während dieser vier Tage trotz Erkrankung nicht möglich war, die drohende Fristversäumung durch Einschaltung eines Vertreters abzuwenden.

Das FG ist deshalb hinsichtlich der versäumten Ausschlussfrist zu Recht von einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten ausgegangen, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EAAAB-16590