BFH Urteil v. - III R 8/02 BStBl 2004 II S. 248

Erhöhte Zulage bei langfristiger Vermietung der angeschafften WG

Leitsatz

Eine in die Handwerksrolle eingetragene Personengesellschaft, welche die von ihr angeschafften Wirtschaftsgüter einer nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Kapitalgesellschaft langfristig vermietet, hat —unabhängig davon, ob eine zulagenrechtlich anzuerkennende Betriebsaufspaltung vorliegt— keinen Anspruch auf eine erhöhte Investitionszulage für die vermieteten Wirtschaftsgüter.

Gesetze: InvZulG 1993 § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2

Instanzenzug: (EFG 2002, 1114) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die mit notariellem Vertrag vom gegründete X-GmbH & Co. KG mit Sitz in A (bei Chemnitz). Kommanditisten sind S mit 51 v.H., T mit 20 v. H. und die Z GmbH & Co. KG (KG II) mit 29 v.H. Komplementärin ist die X Beteiligungs-GmbH, an deren Stammkapital S mit 51 v.H., T mit 20 v.H. und die KG II mit 29 v.H. beteiligt sind.

Unternehmensgegenstand der Klägerin ist das Bauhandwerk und die „angemessene kaufmännische Nutzung des Anlagevermögens„. Die Klägerin wurde aufgrund ihres Antrags vom am mit dem Handwerk „Maurer„ in die Handwerksrolle eingetragen. Vom an hatte sie die von ihr angeschafften Wirtschaftsgüter an die seit 1990 bestehende B-GmbH, mit Sitz in Chemnitz, vermietet.

Am Stammkapital der B-GmbH sind S mit 20 v.H., T mit 20 v.H. und die KG II mit 60 v.H. beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der B-GmbH ist der Hoch-, Tief- und Ingenieurbau, der Erwerb von Grundstücken sowie die Errichtung, Verwaltung und der Verkauf von Immobilien. Die B-GmbH ist nicht in die Handwerksrolle eingetragen. Mit Schreiben vom auf einem Briefbogen der B-GmbH war zwar bei der Handwerkskammer Chemnitz beantragt worden, die „Gesellschaft„ in die Handwerksrolle einzutragen. Da das Schreiben jedoch mit der Firmenbezeichnung der Klägerin unterschrieben worden war, war die Handwerkskammer nicht tätig geworden.

Die Klägerin beantragte für in den Wirtschaftsjahren 1994 und 1995 angeschaffte Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage in Höhe von 20 v.H. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gewährte abweichend von diesen Anträgen nur die Grundzulage in Höhe von 8 bzw. 5 v.H. Das FA verneinte die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung, die nach Ansicht der Klägerin zur Inanspruchnahme einer erhöhten Investitionszulage gemäß § 5 Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1993 berechtige.

Die Einsprüche der Klägerin waren insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab. Es war der Auffassung, es sei unerheblich, ob im Streitfall eine Betriebsaufspaltung vorliege, weil die als Betriebsunternehmen in Betracht kommende B-GmbH jedenfalls die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Investitionszulage nicht erfülle, denn sie sei weder in die Handwerksrolle noch in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen. Damit dienten die geförderten Wirtschaftsgüter in dem Betriebsunternehmen nicht dem Handwerk. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1114 veröffentlicht.

Mit der Revision macht die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 5 Abs. 2 InvZulG 1993) geltend.

Zu Unrecht habe das FG das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung offen gelassen und die Gewährung der erhöhten Investitionszulage von 20 v.H. abgelehnt. Die zulagenrechtlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung lägen im Streitfall vor. Die personelle Verflechtung sei trotz nicht identischer Beteiligungsverhältnisse aufgrund der Beherrschungsidentität der Personengruppen, die in beiden Gesellschaften über die Mehrheit der Stimmen verfügten, im Besitz- und Betriebsunternehmen gegeben.

Die Klägerin habe an die B-GmbH Baugeräte vermietet, die entsprechend deren Unternehmenszweck bei ihr zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörten. Liege aber eine Betriebsaufspaltung vor, so dürfe bei der Gewährung der erhöhten Investitionszulage nicht isoliert auf die Verhältnisse bei der B-GmbH als Betriebsunternehmen abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei zulagenrechtlich vielmehr die rechtliche Selbständigkeit von Besitz- und Betriebsunternehmen zu vernachlässigen und der „wirtschaftlichen Einheit„ der verflochtenen Unternehmen der Vorrang einzuräumen.

Im Urteil vom III R 50/95 (BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607) habe der BFH es ausreichen lassen, dass das investierende Besitzunternehmen mit Sitz außerhalb des Fördergebietes Wirtschaftsgüter dem Betriebsunternehmen im Fördergebiet überlassen habe. Im Urteil vom III R 77/96 (BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610) habe der BFH die Eintragung des Betriebsunternehmens in die Handwerksrolle dem Besitzunternehmen zugerechnet.

Es sei kein Grund ersichtlich, diese Rechtsprechungsgrundsätze nach Sinn und Zweck des InvZulG nicht auf den im Streitfall vorliegenden umgekehrten Sachverhalt anzuwenden. Auch wenn nur das Besitzunternehmen in die Handwerksrolle eingetragen sei, werde die Investitionskraft in den neuen Bundesländern gefördert. Die Investitionsgüter dienten gleichermaßen der wirtschaftlichen Einheit des nur rechtlich aufgeteilten Gesamtunternehmens. Die B-GmbH führe ein klassisches Handwerk aus. Gegenstand sei primär das Bauhandwerk (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m. Anlage A der HandwerksordnungHwO—). Die zu begünstigenden Wirtschaftsgüter seien Baugeräte. Damit sei die Zugehörigkeitsvoraussetzung für die erhöhte Investitionszulage erfüllt, ebenso wie die Verbleibensvoraussetzung, für dessen Vorliegen ebenfalls zulagenrechtlich die Einheitsbetrachtung gelte.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen FG den Investitionszulagenbescheid für 1994 sowie den Investitionszulagenbescheid für 1995, jeweils i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom , zu ändern und die Investitionszulage für 1994 um ... DM sowie die Investitionszulage für 1995 um ... DM zu erhöhen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung der erhöhten Investitionszulage für die in den Wirtschaftsjahren 1994 und 1995 angeschafften und der B-GmbH zur längerfristigen Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter verneint.

1. Die zwischen den Beteiligten unstreitige Grundzulage erhöht sich auf 20 v.H. der Bemessungsgrundlage, wenn neben anderen Voraussetzungen die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen des Betriebes eines Gewerbetreibenden gehören, der in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a InvZulG 1993), und drei Jahre in einem solchen Betrieb verbleiben (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b InvZulG 1993).

a) Die in den Streitjahren 1994 und 1995 von der Klägerin angeschafften Wirtschaftsgüter gehörten zum Anlagevermögen der Klägerin, die mit dem Maurerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen war (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung bzw. Antragstellung vgl. die Ausführungen unter II.1.b).

b) Die Wirtschaftsgüter sind indes nicht in einem „solchen„ —das heißt, einem in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragenen— Betrieb verblieben.

Das Verbleiben verlangt eine dauerhafte räumliche Beziehung (vgl. z.B. Senatsurteil vom III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159, m.w.N.) des Wirtschaftsguts zu einem „solchen Betrieb„. Infolge der Vermietung der Wirtschaftsgüter an die B-GmbH und deren Einsatz im Betrieb der B-GmbH sind sie nicht im Betrieb der Klägerin verblieben.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG verlangt zwar nicht, dass die vom Investor angeschafften Wirtschaftsgüter in seinem Betrieb verbleiben. Der Investor hat auch dann Anspruch auf die erhöhte Investitionszulage, wenn die Wirtschaftsgüter an einen anderen Betrieb im Fördergebiet, der ebenfalls in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen ist, vermietet werden (Senatsurteil vom III R 7/02, BFHE 202, 175, BStBl II 2003, 776). Die B-GmbH erfüllt diese Voraussetzung jedoch nicht, da sie in den Streitjahren nicht in die Handwerksrolle eingetragen war.

Nach der Rechtsprechung des Senats zur Eintragung des Anspruchsberechtigten in die Handwerksrolle muss die Eintragung zwar nicht immer schon bei Vornahme der Investition vorliegen. Zumindest aber muss der Anspruchsberechtigte die Eintragung beantragt haben und die Bearbeitung des Antrags muss sich aus Gründen verzögert haben, die der Anspruchsberechtigte nicht beeinflussen kann (Senatsurteil vom III R 17/96, BFHE 182, 230, BStBl II 1998, 29). Weitere Ausnahmen von dem Erfordernis der Eintragung zum Zeitpunkt der Investitionen hat der Senat abgelehnt. Unterbleibt eine Eintragung aufgrund von Umständen, die im Einflussbereich des Anspruchsberechtigten liegen, steht ihm die erhöhte Investitionszulage nicht zu (, BFH/NV 2000, 223, 224). Diese Grundsätze gelten ebenso für die Eintragung des Betriebs, dem der Investor Wirtschaftsgüter überlassen hat.

Im Streitfall hat die B-GmbH keinen Antrag auf Eintragung gestellt. Vielmehr hat die Klägerin die Eintragung beantragt, ohne dass ein Vertretungsverhältnis erkennbar war. Die B-GmbH hat diesen zumindest in sich widersprüchlichen Antrag nicht weiter verfolgt. Die Eintragung in die Handwerksrolle ist daher aus Umständen unterblieben, die der Einflusssphäre der B-GmbH zuzurechnen sind. Sie hat auch keine erkennbaren Anstrengungen unternommen, ihre Eintragung zu erreichen.

2. Das FG hat zu Recht offen gelassen, ob zwischen der Klägerin und der die Wirtschaftsgüter nutzenden B-GmbH eine zulagenrechtlich anzuerkennende Betriebsaufspaltung bestand. Denn auch bei Annahme einer Betriebsaufspaltung wäre die erhöhte Investitionszulage nicht zu gewähren.

a) Der Senat hat in Fällen, in denen das investierende Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung (mit betriebsvermögensmäßiger Verflechtung) Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einem Betriebsunternehmen zur Nutzung überlassen hat, die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1993 als erfüllt angesehen, wenn nur das Betriebsunternehmen in die Handwerksrolle (bzw. in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe) eingetragen war und die ihm überlassenen Wirtschaftsgüter den eingetragenen Gewerken dienten. Die Nichtgewährung der erhöhten Investitionszulage unter dem formalen Gesichtspunkt, dass das Besitzunternehmen und das —in das entsprechende Verzeichnis eingetragene— Betriebsunternehmen rechtlich selbständige Unternehmen seien, widerspräche der Rechtsnatur der Betriebsaufspaltung als bloßer Aufteilung der Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebs auf zwei Rechtsträger (BFH-Urteil in BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610, m.w.N.). Würde die Investitionszulage in solchen Fällen nicht gewährt, wäre in den typischen Fällen der Betriebsaufspaltung die erhöhte Zulage für Handwerksbetriebe (handwerksähnliche Betriebe) ausgeschlossen, weil das die Wirtschaftsgüter überlassende Unternehmen die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mangels einer handwerklichen Tätigkeit nicht erfüllt.

b) Im Streitfall besteht diese Ausnahmesituation aber nicht. Denn die B-GmbH, welche die Wirtschaftsgüter für eine handwerkliche Tätigkeit nutzt, hätte in die Handwerksrolle eingetragen werden und durch einen entsprechenden Antrag die Voraussetzungen für eine erhöhte Investitionszulage schaffen können.

Zudem ist die erhöhte Förderung von Wirtschaftsgütern, die in einem —in die Handwerksrolle eingetragenen— Betrieb eingesetzt werden, an die Verwendung für das eingetragene Gewerk geknüpft. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu sog. Mischbetrieben ist bei handwerklicher Tätigkeit die erhöhte Zulage nur für die Wirtschaftsgüter zu gewähren, die überwiegend dem eingetragenen Gewerk im Sinne der HwO dienen. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass die begünstigten Investitionen entsprechend dem Gesetzesweck den zu fördernden Wirtschaftsbereichen zugute kommen (, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144, unter II. 5. c der Gründe, und vom III R 43/96, BFHE 188, 169, BStBl II 1999, 837). Der Inhalt der Eintragung ist für die Entscheidung maßgebend, ob und in welchem Umfang ein Handwerksbetrieb vorliegt (, BFH/NV 2001, 1453, 1454, m.w.N.). Daher kommt eine erhöhte Investitionszulage nicht in Betracht, wenn das Unternehmen, das die Wirtschaftsgüter einsetzt, überhaupt nicht eingetragen ist. Bei einer Betriebsaufspaltung kann deshalb der (erhöht begünstigte) Einsatz der Wirtschaftsgüter im eingetragenen Betriebsunternehmen für die eingetragenen Gewerke dem Besitzunternehmen zugerechnet werden, nicht aber kann das nur bei der Besitzgesellschaft gegebene persönliche Merkmal der Eintragung in der Handwerksrolle dem Betriebsunternehmen mit der Folge zugerechnet werden, dass die dem Besitzunternehmen überlassenen Wirtschaftsgüter als für das Gewerk verwendet gelten, mit dem die Besitzgesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 248
BB 2004 S. 370 Nr. 7
BFH/NV 2004 S. 440
BFH/NV 2004 S. 440 Nr. 3
BStBl II 2004 S. 248 Nr. 6
DB 2004 S. 689 Nr. 13
DStR 2004 S. 265 Nr. 7
DStRE 2004 S. 304 Nr. 5
INF 2004 S. 248 Nr. 7
KÖSDI 2004 S. 14134 Nr. 4
LAAAB-15850