BFH Urteil v. - IX R 11/03

WK-Abzug bei leer stehender Wohnung

Gesetze: EStG §§ 9, 21

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erwarben in den Jahren 1987 und 1988 zwei Eigentumswohnungen, die bis zum vermietet waren und anschließend bis zu ihrer Veräußerung im Jahre 1996 leer standen. Während der Leerstandszeit hatten die Kläger nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) die Absicht, die Wohnungen entweder zu vermieten oder zu verkaufen. Im Streitjahr 1995 machten die Kläger bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich der beiden Wohnungen unter Ansatz von Mieteinnahmen für vier Monate (3 308 DM) u.a. Schuldzinsen (21 164 DM) und Absetzung für Abnutzung —AfA— (3 767 DM) für das ganze Kalenderjahr geltend.

Den sich daraus ergebenden Werbungskostenüberschuss in Höhe von insgesamt 26 806 DM berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Einkommensteuerbescheid für 1995 lediglich in dem auf die Zeit der tatsächlichen Vermietung entfallenden Umfang (10 186 DM), da für die Folgezeit eine Vermietungsabsicht für die Wohnungen nicht nachgewiesen worden sei. Der dagegen gerichtete Einspruch mit der Begründung, angesichts der negativen Vermietungssituation hätten die Kläger die Wohnungen nicht bewusst im Interesse einer besseren Veräußerbarkeit leer stehen lassen, sondern wären auch zur Vermietung bereit gewesen, hatte keinen Erfolg.

Gegen die am mit einfachem Brief zur Post gegebene Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger am Klage, die das FG wegen Versäumnis der Klagefrist als unzulässig abwies. Das Urteil, in dem das FG die Klage im Übrigen auch mangels Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger als unbegründet erachtete, ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 475 veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 122 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1995 unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids um 5 596 DM niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Es trägt im Wesentlichen vor, die Revisionsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO).

II. 1. Die Revision ist zulässig.

Insbesondere genügt die Revisionsbegründung entgegen der Auffassung des FA den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO.

a) Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom (BGBl I 2000, 1757) muss die Revisionsbegründung ebenso wie nach der zur früheren Fassung ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (vgl. BTDrucks 14/4061, S. 11: Konkretisierung der Begründungsanforderungen im Interesse einer größeren Transparenz für den Rechtsmittelführer; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz. 177; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 58; Rüsken in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 120 FGO Rz. 155.1; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rz. 90 a). Zur hinreichend bestimmten Bezeichnung dieser Umstände muss die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen, welche Norm der Revisionskläger für verletzt und aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art er das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält. Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinander setzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (vgl. , BFH/NV 1999, 501, 502; Urteil vom III R 21/99, BFHE 192, 169, 172, BStBl II 2000, 700, 702).

b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung im Streitfall.

Zur Verfristung der Klage bringt die Revisionsbegründung hinreichend deutlich die Rechtsauffassung der Kläger zum Ausdruck, dass der Lauf der Klagefrist (entsprechend dem Urteil des Senats vom heutigen Tage im Verfahren IX R 68/98, BStBl II 2003, 898) nicht wie vom FG angenommen bereits ab dem , sondern erst ab dem zu laufen begonnen hat und die Klagefrist danach nicht als versäumt angesehen werden kann.

Auch mit der Verneinung der Einkünfteerzielungsabsicht durch das FG setzt sich die Revisionsbegründung zureichend auseinander, indem sie als entscheidungserheblich herausstellt, dass die Kläger „in erster Linie„ hätten vermieten wollen und deshalb eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht verneint werden könne. Weiter gehende Auseinandersetzungen mit den Gründen der FG-Entscheidung waren ersichtlich nicht indiziert, da diese ausschließlich darauf abgestellt hat, dass die Kläger „auch„ die Absicht gehabt hätten zu veräußern und sich daran auch nichts ändere, wenn die Kläger tatsächlich in erster Linie hätten vermieten wollen.

2. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung wird unter Berücksichtigung des streitigen Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung geändert (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

a) Zu Unrecht hat das FG die Klage wegen Versäumnis der Klagefrist in § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO als unzulässig abgewiesen.

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Gemäß § 108 Abs. 3 AO 1977 endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags; wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren IX R 68/98 entschieden hat, findet diese Vorschrift auch auf die Dreitagefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 Anwendung. Danach haben die Kläger mit ihrer am eingereichten Klageschrift die Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO gewahrt, weil deren Lauf —nach Absendung der angefochtenen Einspruchsentscheidung am — nach Maßgabe der § 108 Abs. 3, § 122 Abs. 2 AO 1977 wegen des Feiertags am und des anschließenden Wochenendes erst am Montag, den , begonnen hat.

b) Zu Unrecht hat das FG im Übrigen die Auffassung vertreten, die streitigen Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seien außer Acht zu lassen, weil die Kläger neben ihrer Absicht zur Vermietung der leer stehenden Wohnungen zumindest auch deren Veräußerung beabsichtigt und schon deshalb nicht mehr mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden seien.

aa) Der Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten setzt nach § 9 Abs. 1 EStG voraus, dass sie der „Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen„ aus einer der Einkunftsarten i.S. des § 2 Abs. 1 EStG dienen.

Dies erfordert, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat, auf Dauer aus der betreffenden Einkunftsart —wie hier nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG— einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen solchen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften (, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten diese Grundsätze für die Dauer seiner Vermietungstätigkeit auch dann, wenn er das bebaute Grundstück aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert. Dagegen liegt ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz vor, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs —von in der Regel bis zu fünf Jahren— seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert und innerhalb dieser Zeit nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt (z.B. BFH-Entscheidung vom IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580).

bb) Dementsprechend sind Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger auf Dauer angelegter Vermietung —wie im Streitfall— leer steht, jedenfalls als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den Entschluss zur Einkunftserzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat (vgl. , BFH/NV 1993, 532: Aufgabe der Einkünfterzielungsabsicht durch —unbedingten— (Makler-)Auftrag zur Veräußerung eines leer stehenden Hauses). Daran fehlt es, solange sich der Steuerpflichtige ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung bemüht, selbst wenn er das Vermietungsobjekt daneben —z.B. wegen der Schwierigkeiten einer Vermietung— auch zum Erwerb anbietet (vgl. dazu das Urteil des Senats vom IX R 102/00, DStR 2003, 1965, auf dessen Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird).

cc) Nach diesen Grundsätzen kann die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich der hilfsweise vorgenommenen materiell-rechtlichen Würdigung durch das FG keinen Bestand haben. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels dagegen erhobener Rügen nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, „waren die Kläger nach dem Auszug der Mieter entschlossen, die Wohnungen alternativ entweder zu verkaufen oder zu vermieten„.

Diese Entschlossenheit (auch) zu einer Fortsetzung der Vermietung —neben einer bestehenden Verkaufsabsicht— schließt die Annahme einer endgültigen Aufgabe der Vermietungsabsicht aus. Danach sind die von den Klägern geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1384
GAAAB-15843