BFH Beschluss v. - II B 121/02

Voraussetzungen für das Vorliegen eines Auftragserwerbs

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarb die X-Ltd. (Ltd.) das im Grundbuch von…verzeichnete Flurstück zum Preis von ... Mio. DM. Bei der Ltd. handelt es sich um eine im Februar 1990 inkorporierte Gesellschaft mit registered office in Dublin.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte zunächst gegen die Ltd. mit Bescheid vom wegen eines Erwerbs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) eine Steuer von ... DM und sodann zusätzlich gegen eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts A.P. und B„, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Bescheid vom wegen eines Erwerbs nach § 1 Abs. 2 GrEStG eine Steuer von ... DM fest. Die höhere Steuer ergab sich aus der Hinzurechnung von Erwerbsnebenkosten von 3 v.H. des Kaufpreises. Über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides vom August 1997 wird gestritten.

Zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs waren an der Ltd. A.P. zu 25 v.H., B zu 20 v.H., C.P. zu 5 v.H., D zu 25 v.H. und E.P. zu 25 v.H. beteiligt. Laut eigener Angabe des A.P. war die Familie P vor Erwerb des Grundstücks durch die Ltd. intern übereingekommen, dass „die Beteiligung„ allein A.P. zustehen solle. „Wirtschaftlich„ habe „das Objekt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts A.P. zu 75 v.H. und B zu 25 v.H. zustehen„ sollen.

Aufgrund dieser internen Absprachen nehmen das FA und das Finanzgericht (FG) einen Auftragserwerb des Grundstücks durch die Ltd. an. Dabei geht das FG davon aus, das Vorliegen eines derartigen Auftragserwerbs sei unstreitig. Gestritten werde lediglich noch darüber, ob die Ltd. im Inland rechtsfähig und zu Recht als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden sei. Diese Frage könne jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf sich beruhen, da die Klägerin und die Grundstücksveräußerin sich so verhielten, als sei der Kaufvertrag wirksam. Im Übrigen sei es der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch verwehrt, sich auf eine etwaige fehlende Rechtsfähigkeit der Ltd. zu berufen. Sie trage selbst vor, bei einem Fehlen der Rechtsfähigkeit der Ltd. mit der Ltd. identisch zu sein. Gleichwohl habe sie gegenüber den Steuerbehörden den Anschein der Rechtsfähigkeit der Ltd. erweckt und das FA veranlasst, daraus die entsprechenden grunderwerbsteuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Dazu stünde ihr nunmehriges Vorbringen bezüglich des angefochtenen Steuerbescheides in Widerspruch. Selbst wenn seiner —des FG— Ansicht in diesem Punkt nicht zu folgen wäre, wäre der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Denn dann läge in der Person der Klägerin statt eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2 GrEStG ein solcher nach Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift vor; der Austausch der Rechtsgrundlage wäre unschädlich, weil es sich um denselben Lebenssachverhalt handelte.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfragen zu,

a) ob und inwieweit einem Wechsel der rechtlichen Argumentation die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstünden,

b) ob das FA auch dann noch von einem Erwerb nach § 1 Abs. 2 GrEStG auf einen solchen nach Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift übergehen könne, wenn es den angenommenen nämlichen Lebenssachverhalt bereits gegenüber einem Dritten nach Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift besteuert habe und

c) welche Anforderungen an den Nachweis eines Auftragsverhältnisses zwischen dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und dieser Gesellschaft zu stellen sind.

Eine Entscheidung dieser Rechtsfragen durch das Revisionsgericht sei auch zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Außerdem rügt die Klägerin als Verfahrensmängel —insbesondere als Verletzung ihres Rechts auf Gehör—, das FG habe

a) auf den Gesichtspunkt des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und

b) darauf, dass seiner Ansicht nach die Frage einer Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 GrEStG auf sich beruhen könne, nicht hingewiesen und

c) überdies zu Unrecht angenommen, das Vorliegen eines Auftragserwerbs durch die Ltd. sei unstreitig.

Einen Auftragserwerb habe sie, die Klägerin, ausdrücklich bestritten, wie aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG hervorgehe. Soweit von ihr, der Klägerinseite, davon gesprochen worden sei, „Erwerberin„ bzw. „beteiligt„ zu sein, stelle dies allenfalls eine rechtliche Würdigung dar, die aber nicht dazu genutzt werden könne, entgegen der Sachlage die tatsächlichen Voraussetzungen eines Auftragserwerbs als feststehend anzusehen. Die Gesellschafterstellung in einer Kapitalgesellschaft begründe für sich allein noch kein Treuhand-/Auftragsverhältnis.

Unter Bezugnahme auf eine neuere (nicht näher zitierte) Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Rechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland ist die Klägerin während des Beschwerdeverfahrens von ihrer Ansicht, die Ltd. sei im Inland nicht rechtsfähig, abgerückt.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung leidet unter einem Verfahrensmangel. Es ist sachgerecht, deshalb die Sache gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

1. Die Formulierung des FG, es sei unstreitig, dass ein Auftragserwerb vorliege, enthält zwei Aussagen, nämlich zum einen die, das Vorliegen eines Auftragserwerbs sei zwischen den Beteiligten unstreitig, und zum anderen die, es lägen die tatsächlichen Voraussetzungen vor, die sich im Sinne eines Auftragserwerbs durch die Ltd. (rechtlich) würdigen lassen. Erstere Aussage ist unzutreffend, weil die Klägerin der Annahme eines derartigen Auftragserwerbs sowohl in der Klagebegründung als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausdrücklich widersprochen hat. Die zweite Aussage, wonach die tatsächlichen Voraussetzungen eines Auftragserwerbs vorlägen —diese Aussage ist in der rechtlichen Würdigung, es läge ein Auftragserwerb vor, zwingend enthalten—, entbehrt einer Begründung. Sie wird auch nicht durch die Bezugnahme auf den in der Aussetzungssache ergangenen Beschluss des FG gestützt. Dieser Beschluss enthält nämlich seinerseits keinerlei Ausführungen dazu, worin die tatsächlichen Voraussetzungen eines Auftragserwerbs liegen sollen. Er verweist stattdessen lediglich auf den seinerzeitigen Aussetzungsantrag der Klägerin, dem aber zur Frage eines Auftragserwerbs durch die Ltd. nichts zu entnehmen ist, sowie pauschal auf den Inhalt der Akten.

2. Die Formulierung vom angeblich unstreitigen Auftragserwerb ist mit mehreren Verfahrensfehlern verbunden, von denen die Klägerin mindestens einen ausreichend gerügt hat. Die unzutreffende Aussage, zwischen den Beteiligten sei das Vorliegen eines Auftragserwerbs unstreitig, bedeutet einen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hat (vgl. , BFH/NV 1995, 900), sowie eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO). Das Recht auf Gehör verpflichtet die Gerichte nämlich, sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens eines Beteiligten —also im Streitfall mit dem Bestreiten eines Auftragserwerbs durch die Klägerin— auseinander zu setzen (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1992, 2217, unter 1.). Das FG hat aber eine wesentliche Tatsachenbehauptung der Klägerin —nämlich die, wonach es an den letztlich vom FA nachzuweisenden Voraussetzungen eines Auftragserwerbs fehle— nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen. Die Aussage, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Auftragserwerbs vorliegen, ist außerdem nicht mit Gründen versehen. Damit enthält die Vorentscheidung zum Kern des Streitfalls und einem der Hauptangriffspunkte der Klägerin keine Begründung. Auch dies stellt einen Verfahrensmangel dar, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht werden kann (Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Anm. 86).

3. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auch in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise gerügt worden. Die Klägerin hat unter Hinweis auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung gerügt, dass das FG ihr Vorbringen, wonach ein Auftragserwerb der Ltd. bestritten werde, übergangen habe und dass dieses Übergehen eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör darstelle. Sie hat weiter dargelegt, zumindest aufgrund dieses Bestreitens habe Anlass bestanden, die Voraussetzungen eines Auftragserwerbs zu prüfen, und dass eine derartige Prüfung mangels tatsächlicher Voraussetzungen keinen Auftragserwerb ergeben hätte.

4. Soweit die Ausführungen des FG zur angeblichen Austauschbarkeit der Erwerbstatbestände des § 1 Abs. 2 GrEStG und Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift überhaupt eine Alternativbegründung darstellen, die die Klägerin zwingen würde, auch hinsichtlich dieser Ausführungen einen der Revisionszulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO geltend zu machen, hätte sie dem mit dem Vortrag genügt, diesen Ausführungen seien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine ausreichenden rechtlichen Erörterungen vorausgegangen. Damit macht sie unausgesprochen, aber zutreffend geltend, insoweit liege eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör vor.

5. Für die erneute Verhandlung und Entscheidung wird auf folgende Rechtsprechung hingewiesen: Zur Frage eines Treuhandverhältnisses auf den (BFH/NV 2001, 1299); zur Frage eines Auftragsverhältnisses auf das (BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 666
BFH/NV 2004 S. 666 Nr. 5
IAAAB-15825