OFD Hannover - S 0340 – 27 – StH 461 S 0340 – 8 – StO 321

§ 169 AO Wahrung der Festsetzungsfrist durch rechtzeitige Bekanntgabe des Steuerbescheids (zu § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO)

1 Zum Beschluss des Großen Senats des , BStBl 2003 II S. 548)

Nach der bisherigen Rechtsprechung reichte es für die Wahrung der Festsetzungsfrist aus, den Steuerbescheid rechtzeitig abzusenden; der tatsächliche Zugang des Bescheids war insoweit unmaßgeblich. Es genügte, dem Steuerpflichtigen nach Ablauf der Festsetzungsfrist einen inhaltsgleichen Bescheid zu übersenden. Dies reicht zur Fristwahrung nicht mehr aus.

Der Große Senat des – (a. a. O.) entschieden, dass die Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur gewahrt ist, wenn der Steuerbescheid, der vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat, dem Empfänger auch tatsächlich zugeht (Änderung der Rechtsprechung).

Ein Zugang des Steuerbescheids vor Ablauf der Festsetzungsfrist ist für die Fristwahrung nicht erforderlich.

Die OFD bittet daher darauf zu achten, dass Steuerbescheide, bei denen der Eintritt der Festsetzungsverjährung droht, förmlich nach dem Verwaltungszustellungsgesetz zugestellt werden (§ 122 Abs. 5 Satz 1 AO), wenn auf Grund besonderer Umstände vermutet werden kann, dass der Steuerpflichtige/Steuerberater im Einzelfall den Zugang des Steuerbescheids bestreiten wird (AEAO § 122 Tz. 3.1).

Die Regelung in Nr. 1 des AEAO zu § 169 in der Fassung des amtlichen AO-Handbuches 2003 ist daher überholt und wird demnächst neu gefasst.

2 Weitere Voraussetzungen für die Wahrung der Festsetzungsfrist

2.1 Erlass des Steuerbescheids durch das örtlich zuständige Finanzamt

Für die Wahrung der Festsetzungsfrist bleibt weiterhin bedeutsam, dass der Bescheid von dem örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wird (vgl. –, BStBl II 2002 S. 406, nach dem ein materiell unrichtiger Steuerbescheid eines örtlich nicht zuständigen Finanzamts die Festsetzungsfrist nicht nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO wahrt, wenn der Bescheid dem Steuerpflichtigen erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist zugegangen ist; die Frage, ob der materiell richtige Bescheid eines örtlich unzuständigen Finanzamts die Festsetzungsfrist wahrt, ist bisher nicht entschieden. Die OFD bittet insoweit entweder auf eine rechtzeitige Aktenabgabe oder eine formell korrekte Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO zu achten).

2.2 Beweisführung über rechtzeitige Absendung

In dem Urteil vom – III R 43/97 – (BStBl 2001 II S. 211) hat der BFH darüber hinaus entschieden, dass das Finanzamt Beweis darüber führen muss, dass der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist das zuständige Finanzamt verlassen hat.

Im Zentralversand durch das Finanz-Rechenzentrum kann im Einzelfall nicht nachgewiesen werden, dass der fristwahrende Bescheid den „Bereich des Finanzamts„ tatsächlich verlassen hat. Dies ist grundsätzlich verfahrensrechtlich unproblematisch, weil in der Regel die ganz überwiegende Zahl der Postsendungen beim Empfänger ankommen und von diesem auch der Zugang nicht bestritten wird.

Es kann jedoch erforderlich sein, in Ausnahmefällen, in denen die Festsetzungsfrist demnächst abläuft und auf Grund weiterer Umstände ein besonderes Gewicht auf die Nachweismöglichkeit der rechtzeitigen Absendung gelegt werden muss, weil z. B. besondere Umstände des Einzelfalls die Behauptung eines Nichtzugangs durch den Steuerpflichtigen/Berater vermuten lassen, die rechtzeitige Absendung durch die Finanzbehörde nachzuweisen. In diesen Fällen ist der Bescheid förmlich zuzustellen (vgl. Nr. 1).

In anderen Ausnahmefällen, in denen die Festsetzungsfrist demnächst abläuft und auf Grund weiterer Umstände ebenfalls ein besonderes Gewicht auf die Nachweismöglichkeit der rechtzeitigen Absendung gelegt werden muss (z. B. Steuerbescheid mit hoher Steuerschuld) bittet die OFD, Bescheide, die ab dem 1. Oktober des Jahres versandt werden, mit dessen Ablauf die Festsetzungsverjährung eintritt, vom Zentralversand auszuschließen (vgl. hierzu Rdvfg. vom – O 2200 – 314/71 – StH 114/StO 142 –, Tz. 5.2). Bei Bescheiden, die früher versandt werden, ist dies nicht erforderlich, weil davon ausgegangen werden kann, dass eine rechtzeitige Wiederholung der Bekanntgabe im Falle des Bestreitens des Zugangs des Bescheids möglich ist.

Bei Bescheiden, die nicht im zentralen Versand verschickt werden, lässt der BFH einen Aktenvermerk der veranlagenden Stelle über die Aufgabe zur Post nicht genügen, sondern fordert einen Absendevermerk der Poststelle. Der Absendevermerk durch einen Bediensteten des Festsetzungsbereichs ist nach Auffassung des BFH nicht ausreichend, da der Bescheid auf dem Weg vom Festsetzungsbereich zur Poststelle verloren gehen könnte.

Zu diesem Zweck ist die StarOffice-Vorlage „Absendevermerk Poststelle„ eingestellt. Diese soll grundsätzlich nur verwendet werden, wenn das Finanzamt die Steuerbescheide selbst versendet und der Eintritt der Festsetzungsverjährung in Kürze bevorsteht (s. o.).

Der Absendevermerk ist im Bedarfsfall von der Veranlagungsstelle durch Abarbeitung der Vorlage zu erstellen und zusammen mit dem Bescheid und ggf. den beizufügenden Anlagen der Poststelle zuzuleiten und von dieser nach Durchführung der Absendearbeiten zu unterzeichnen. Nach der Aufgabe zur Post ist der unterschriebene Vermerk an die Veranlagungsstelle zurückzusenden und dort zu den Akten bzw. dem Vorgang zu nehmen.

Werden Bescheide, bei denen der Eintritt der Festsetzungsverjährung droht, nach den Vorschriften des VwZG förmlich zugestellt, weil die Verjährung unmittelbar bevorsteht, sind auch bei diesen Zustellungen Absendevermerke durch die Poststelle zu fertigen, weil bei Zustellungen nur der Zeitpunkt des Zugangs, nicht aber der Zeitpunkt des Abgangs beim Finanzamt exakt nachgewiesen werden kann.

3 Verfahren bei drohender Zahlungsverjährung

Die vorstehenden Regelungen gelten für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, bei denen Zahlungsverjährung droht, sinngemäß (z. B. Bekanntgabe von AdV-Bescheiden).

OFD Hannover v. - S 0340 – 27 – StH 461 S 0340 – 8 – StO 321

Fundstelle(n):
OAAAB-15126