BFH Urteil v. - VI R 10/99 BStBl 2004 II S. 195

Wechsel von der Pauschalierung des Arbeitslohns zur Regelbesteuerung nach Ablauf des Kj

Leitsatz

Ein Arbeitgeber ist weder unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs noch durch die Zielrichtung des § 40a EStG gehindert, nach Ablauf des Kalenderjahres die Pauschalversteuerung des Arbeitslohnes für die in seinem Betrieb angestellte Ehefrau rückgängig zu machen und zur Lohn-Regelbesteuerung überzugehen.

Gesetze: AO 1977 § 42EStG § 40a

Instanzenzug: (EFG 1999, 474) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach Ablauf des Kalenderjahres die pauschale Versteuerung des Arbeitslohnes gemäß § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für seine angestellte Ehefrau rückgängig machen konnte, um die Versteuerung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu erreichen.

Der Kläger betreibt ein Einzelunternehmen, in dem seine Ehefrau bis zum als Arbeitnehmerin beschäftigt war. Sie erhielt im Jahr 1994 insgesamt 2 980 DM als Arbeitslohn, den der Kläger nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal versteuerte.

Mit berichtigter Lohnsteuer-Anmeldung vom machte der Kläger die pauschale Versteuerung des Arbeitslohnes rückgängig. Seine Ehefrau berücksichtigte den Lohn in der gemeinsamen Einkommensteuer-Erklärung für 1994.

Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung nicht. Der Kläger sei an die zu Beginn des Jahres 1994 gewählte Art der Lohnsteuererhebung gebunden, weil wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe für einen Wechsel der Besteuerungsart fehlten.

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied unter Berufung auf das (BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695), ein Wechsel zwischen Pauschalbesteuerung und normalem Lohnsteuerabzug laufe der Zielrichtung des § 40a EStG zuwider —sofern nicht das Arbeitsverhältnis dazu Veranlassung gebe—, weil er zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand des Arbeitgebers führe. Der Kläger sei an die zu Beginn des Jahres gewählte Art der Lohnsteuererhebung gebunden, auch wenn ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht anzunehmen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 474 veröffentlicht.

Mit der dagegen gerichteten Revision macht der Kläger geltend, das EStG enthalte keine Frist für die Wahl des Besteuerungsverfahrens. Entstehe durch die Lohnsteuer-Pauschalierung eine höhere Steuerschuld, als unter Anwendung der Regelbesteuerung, müsse das Verfahren —ähnlich wie bei anderen Wahlrechten— nachträglich geändert werden können. In der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts könne auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) liegen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das und den Nachforderungsbescheid des Beklagten vom , soweit er Lohnsteuer für 1994 in Höhe von 447 DM betrifft, aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegen getreten.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet.

1. Die Revision wurde mit ihrer Zulassung durch das FG nachträglich statthaft; es ist daher —entgegen der Auffassung des FA— unschädlich, dass sie gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde (, BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650).

2. Die Revision ist auch begründet. Der Kläger konnte die pauschale Versteuerung des Arbeitslohnes seiner angestellten Ehefrau nach Ablauf des Kalenderjahres rückgängig machen, um eine Versteuerung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung und damit eine insgesamt niedrigere Steuerbelastung zu erreichen.

a) Nach § 40a Abs. 2 Satz 1 EStG kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei Arbeitnehmern, die nur in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz (im Streitjahr 15 v.H. des Arbeitslohnes) erheben. Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, hat der Arbeitgeber die Wahl zwischen Pauschalierung und Regelbesteuerung. Für die Pauschalierung ist ein Antrag nicht erforderlich (vgl. Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 40a Rz. 1; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 40a EStG Rdnr. 35); sie erfolgt in der Lohnsteuer-Anmeldung (§ 41a EStG). Die Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO 1977).

b) Solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist, kann der Arbeitgeber grundsätzlich die Wahl der Besteuerungsart ändern (vgl. , BFH/NV 1987, 751 zum Wechsel der Veranlagungsart). Er kann von der Pauschalierung zur Lohn-Regelbesteuerung übergehen, sofern kein Gestaltungsmissbrauch vorliegt (BFH-Urteil in BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695) und die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).

c) Ein Wechsel der Besteuerungsart ist als Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 anzusehen, wenn er während eines Kalenderjahres mit dem alleinigen Ziel erfolgt, die jeweiligen Vorteile der Besteuerungsarten zu kombinieren und durch Ausnutzung der mit den Lohneinkünften zusammenhängenden Freibeträge für einen Teil des Lohnes einer Besteuerung zu entgehen (BFH-Urteil in BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695). Eine missbräuchliche Ausnutzung der Vorteile beider Besteuerungsarten wird dagegen verneint, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf des Kalenderjahres die zunächst vorgenommene Lohnsteuer-Pauschalierung rückgängig macht (h.M.; vgl. FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 4 K 1917/97 L, EFG 1998, 1409; Blümich/ Heuermann, a.a.O., § 40a EStG Rdnr. 9; Trzaskalik in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 40a Rdnr. B 5; Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 40a EStG Anm. 6). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Denn in einem solchen Fall fehlt es an einer missbräuchlichen Aufspaltung eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses; es kommt zu der im EStG vorgesehenen Lohn-Regelbesteuerung.

d) Eine darüber hinausgehende Einschränkung der Änderungsmöglichkeiten lässt sich —entgegen der Auffassung von FA und FG— nicht allein mit der Zielrichtung des § 40a EStG begründen, dem Arbeitgeber durch ein vereinfachtes Verfahren die Lohnsteuererhebung zu erleichtern (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695). Liegt kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO 1977 vor, fehlt dafür eine Rechtsgrundlage. Der Gesetzeszweck rechtfertigt es nicht, den Arbeitgeber —außerhalb missbräuchlicher Gestaltungen und über den Wortlaut der Regelung hinaus— vor aus eigenem Entschluss übernommenem Verwaltungsaufwand zu schützen.

e) Der Kläger war daher weder durch die Zielrichtung des § 40a EStG noch —wie das FG insoweit zutreffend entschieden hat— unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs gehindert, nach Ablauf des Kalenderjahres 1994 die Pauschalversteuerung des Arbeitslohnes für seine angestellte Ehefrau rückgängig zu machen und zur Lohn-Regelbesteuerung überzugehen.

Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 195
BB 2004 S. 260 Nr. 5
BFH/NV 2004 S. 389
BFH/NV 2004 S. 389 Nr. 3
BStBl II 2004 S. 195 Nr. 5
DB 2004 S. 361 Nr. 7
DStRE 2004 S. 257 Nr. 5
FR 2004 S. 347 Nr. 6
INF 2004 S. 247 Nr. 7
KÖSDI 2004 S. 14047 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2005 S. 4257
QAAAB-14914