BFH Urteil v. - II R 84/00

Kein Erlass von SchenkSt wegen Mitwirkung des Bedachten bei der Bildung des ihm später übertragenen Vermögens des Zuwendenden

Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1; AO § 227

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau waren an einer GmbH beteiligt. Sie übertrugen 1984 ihre GmbH-Anteile auf die Mutter des Klägers; der Kläger wurde zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom gab die Mutter des Klägers diesem gegenüber ein Angebot zur Abtretung der Geschäftsanteile an der GmbH ab; eine Zahlung für die zum Nennwert zu übertragenden Anteile sollte nicht erfolgen. Der Kläger nahm dieses Angebot mit notariell beurkundeter Erklärung vom an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte gegen den Kläger für die ihm seitens seiner Mutter übertragenen GmbH-Anteile Schenkungsteuer von ... DM fest. Auf die dagegen gerichtete Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Schenkungsteuer auf ... DM herab und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) als unzulässig verworfen.

Der Kläger beantragte daraufhin beim FA den Erlass der festgesetzten Schenkungsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen und machte geltend: Er sei wegen des rechtswidrigen Zugriffs eines Gläubigers auf sein Vermögen gezwungen gewesen, die GmbH-Anteile auf seine Mutter zu übertragen. Der Wertzuwachs der GmbH-Anteile, der bis zu deren Rückübertragung auf ihn eingetreten sei, sei ausschließlich durch seine eigenen Leistungen bewirkt worden. Das FA lehnte den Erlassantrag ab. Der nachfolgende Einspruch blieb erfolglos. In seiner Einspruchsentscheidung führte das FA im Wesentlichen aus, die Erhebung der Schenkungsteuer entspreche im Streitfall den gesetzlichen Wertungen. Nach dem Willen des Gesetzgebers bestehe die Schenkungsteuerpflicht auch dann, wenn der Bedachte bei der Bildung des Vermögens des Zuwendenden aus einer Zwangslage heraus mitgewirkt habe, die ihm die Bildung eines eigenen Vermögens verwehrt habe.

Das FG wies die Klage mit der Begründung als unbegründet ab, eine für den Erlass erforderliche sachliche Unbilligkeit sei nicht zu erkennen. Das FA habe in dem angegriffenen Ablehnungs- und Einspruchsbescheid weder den Umfang seines Ermessens verkannt noch den Begriff der sachlichen Unbilligkeit fehlerhaft ausgelegt. Es könne letztlich offen bleiben, ob eine ungewollte Härte in der Belastung mit Schenkungsteuer liege, wenn die Übertragung von Vermögenswerten, deren Rückübertragung besteuert worden sei, erfolgt sei, um diese Vermögenswerte dem tatsächlichen Zugriff eines Gläubigers zu entziehen. Für die Übertragung und die Modalitäten und Zeitpunkte der Rückübertragung der GmbH-Anteile seien zum großen Teil andere Motive —so der Ausschluss der Ehefrau vom Zugewinn und die Verhinderung des Zugriffs des FA auf Vermögenswerte— ursächlich gewesen, die nicht als sachliche Billigkeitsgründe anzuerkennen seien.

Mit der Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Prüfung der Erlassvoraussetzungen erfordere eine Würdigung des Gesamtzusammenhangs; dies habe das FA unterlassen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung das FA zu verpflichten, die festgesetzte Schenkungsteuer zu erlassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Aus den Gründen des FG-Urteils ergibt sich zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts. Die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Das FG hat die durch § 102 FGO gezogenen Grenzen richterlicher Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Finanzbehörde nicht beachtet. Nach § 102 FGO können Ermessensentscheidungen durch das FG nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist die Ermessensentscheidung regelmäßig in der Form, wie sie nach Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens getroffen wurde (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 102 Rz. 13). Das FG ist nicht berechtigt, eigenes Ermessen auszuüben und an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörden zu setzen. Es hat deshalb auch nicht nachzuprüfen, ob die Ermessensentscheidung richtig oder angebracht ist oder ob sie sich aus anderen als den der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zugrunde liegenden Erwägungen als richtig erweist (, BFH/NV 1996, 873, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 102 Rz. 14, m.w.N.).

Gegen diese Verfahrensgrundsätze hat das FG verstoßen. Es hat die Prüfung unterlassen, ob die Ermessenserwägungen, so wie sie in der Begründung der Einspruchsentscheidung ihren Niederschlag gefunden haben, rechtsfehlerfrei sind. Das FA hat die Ablehnung des Erlassantrags darauf gestützt, dass nach Wortlaut und Sinn des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) auch dann Schenkungsteuer zu erheben sei, wenn der Bedachte bei der Bildung des Vermögens des Zuwendenden aus einer Zwangslage heraus mitgewirkt habe, die ihm die Bildung eines eigenen Vermögens verwehrt habe. Das FG hat demgegenüber für diese die Ermessensentscheidung tragende Erwägung das Vorliegen einer ungewollten Härte in der Belastung mit Schenkungsteuer ausdrücklich offen gelassen. Stattdessen hat das FG die Klageabweisung auf einen vom FA nicht geltend gemachten Grund gestützt, indem es einen Billigkeitserlass unter Hinweis auf anderweitige für die Übertragung und Rückübertragung der GmbH-Anteile maßgebende Motive des Klägers —nämlich den Ausschluss der Ehefrau des Klägers vom Zugewinn und die Verhinderung des Zugriffs durch das FA auf Vermögenswerte— abgelehnt hat. Das FG hat damit unter Verstoß gegen § 102 FGO anstelle der Finanzbehörde eigenes Ermessen ausgeübt.

2. Die Revision ist gleichwohl als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO). Die Ermessenserwägungen des FA, die der Ablehnung des beantragten Erlasses der Schenkungsteuer wegen sachlicher Unbilligkeit zugrunde liegen, halten einer rechtlichen Prüfung stand.

Unbilligkeit aus sachlichen Gründen —auf die der Kläger den Erlassantrag stützt— kann gegeben sein, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396). Dies ist anzunehmen, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers davon ausgegangen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage —hätte er sie geregelt— im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (, BFH/NV 1998, 1376, m.w.N.). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen dem Erlass entgegen (, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716).

a) Das FA hat einen Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ermessensfehlerfrei abgelehnt, soweit sich der Kläger auf die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftig festgesetzten Schenkungsteuer berufen hat. Eine sachliche Unbilligkeit nach Eintritt der Bestandskraft eines Steuerbescheids kommt nur in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig rechtswidrig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren (, BFH/NV 1995, 1036). Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich.

b) Die Ablehnung des begehrten Erlasses ist auch insoweit frei von Ermessensfehlern, als sich der Kläger für die Übertragung der GmbH-Anteile auf seine Mutter auf eine Zwangslage infolge rechtswidrigen Zugriffs eines Gläubigers berufen und ferner den Wertzuwachs der später auf ihn zurück übertragenen GmbH-Anteile auf seine alleinigen Leistungen zurückgeführt hat. Für den Steuertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind die einer freigebigen Zuwendung zugrunde liegenden Motive des Zuwendenden und die näheren Umstände, unter denen der Zuwendende das Zuwendungsobjekt erworben hat, ohne Bedeutung. Es entspricht den Wertungen des ErbStG, eine —wie hier— (objektiv) unentgeltliche Zuwendung auch dann der Schenkungsteuer zu unterwerfen, wenn der Bedachte bei der Bildung des ihm später übertragenen Vermögens des Zuwendenden mitgewirkt hat. Der Ausnahmefall sachlicher Unbilligkeit der Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, der sich als Folge eines der Entstehung des Anspruchs vorausgegangenen widerrechtlichen staatlichen Zwangs ergeben kann (dazu , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1962, 346; vom VII 54/61, HFR 1993, 33), liegt nicht vor.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 340
BFH/NV 2004 S. 340 Nr. 3
IAAAB-14639