BFH Beschluss v. - XI B 95/02 BStBl 2004 II S. 26

Begr. der NZB innerhalb der Zweimonatsfrist

Leitsatz

Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine selbständige Zweimonatsfrist, die mit der Zustellung des angefochtenen Urteils beginnt. Innerhalb dieser Frist ist die Beschwerde auch dann zu begründen, wenn die Einlegungsfrist versäumt worden und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (vgl. , NJW 1992, 2780, zu § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Gesetze: FGO § 116 Abs. 3 Satz 1FGO § 56

Instanzenzug:

Gründe

I.

Das Urteil des Hessischen mit dem dieses die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) als unbegründet abgewiesen hat, ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, dem…(N), gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Als Datum des Zugangs des Urteils hat N auf dem Empfangsbekenntnis den vermerkt. Gegen das Urteil haben die für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) beauftragten Prozessbevollmächtigten für den Kläger Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision erhoben. Das Beschwerdeschreiben ging per Fax am beim BFH ein.

Auf den Hinweis der Vorsitzenden des XI. Senats, dass die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt worden sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom , das am gleichen Tag beim BFH einging, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, der Bevollmächtigte des erstinstanzlichen Verfahrens N habe das Empfangsbekenntnis erst einige Zeit nach Erhalt ausgefüllt und dabei versehentlich ein zu frühes Zugangsdatum eingetragen. N habe am den jetzigen Prozessbevollmächtigten gebeten, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu fertigen. Bei diesem Gespräch, das in den Räumen des N stattgefunden habe, sei das Empfangsbekenntnis noch nicht ausgefüllt und unterschrieben gewesen. Die Eintragung eines zu frühen Zugangsdatums werde auch dadurch deutlich, dass ein auf Grund mündlicher Verhandlung vom ergangenes Urteil unmöglich bereits am zugestellt worden sein könne. Das FG, das kein Postausgangsbuch führe, habe auf Nachfrage den Postausgang des Urteils nicht mehr feststellen können.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) trägt dazu in seiner Stellungnahme zur Nichtzulassungsbeschwerde vor, dass das Urteil laut eines Vermerks der Geschäftsstelle des FG am ausgefertigt und ihm am zugestellt worden sei.

Mit Schreiben vom hat der Kläger gleichzeitig die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Er stützt diese im Wesentlichen auf Verfahrensfehler des FG. Auf den Hinweis der Vorsitzenden des XI. Senats, dass —selbst wenn man von einer Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils erst am ausgehe— die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt worden sei, beantragte der Kläger auch insoweit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor: Aufgrund der Mitteilung des BFH habe zunächst davon ausgegangen werden müssen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde verspätet eingelegt worden sei. Somit sei eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erforderlich gewesen. Erst am habe N sein Versehen beim Ausfüllen des Empfangsbekenntnisses schriftlich bestätigt. Noch an diesem Tag sei Wiedereinsetzung beantragt und die Beschwerde begründet worden. Einen Anlass, die Beschwerde vorher zu begründen, habe es nicht gegeben.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob der Kläger die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat und ob ihm insoweit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte. Die Beschwerde ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Kläger die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat und ihm insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Unterstellt man den Vortrag des Klägers in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom als zutreffend, so ist das finanzgerichtliche Urteil dem damaligen Prozessbevollmächtigten N (spätestens) am zugegangen. Denn an diesem Tag bat N den jetzigen Prozessbevollmächtigten, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu fertigen; er musste das Urteil folglich bereits in Händen haben. Die zweimonatige Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde begann damit am zu laufen und endete mit dem Ablauf des . Die erst am beim BFH eingegangene Beschwerdebegründung war somit verspätet.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Tatsache, dass er wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, keinen Einfluss auf den Beginn und den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Das gilt unabhängig davon, ob die Einlegungsfrist tatsächlich versäumt worden und ob dem Kläger insoweit die Wiedereinsetzung zu gewähren war oder nicht.

Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO neu eingeführte zweimonatige Begründungsfrist ist —wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt— eine selbständige, vom Lauf der Einlegungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde unabhängige Frist, die auch dann mit der Zustellung des vollständigen Urteils zu laufen beginnt, wenn wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 20, m.w.N.; , Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2780 zur gleichlautenden Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung). Denn mit der gesetzlichen Festlegung des Beginns der Begründungsfrist auf den Tag der Zustellung des vollständigen Urteils hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es für die Berechnung der Begründungsfrist weder darauf ankommt, wann die einmonatige Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) geendet hat, noch darauf, wann die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist (so auch die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/4061 S. 10).

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gehindert war. Dabei muss er sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat keine Gründe vorgetragen, aus denen hervorgeht, dass er an der Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist gehindert war. Er hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er der Auffassung war, eine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht erforderlich, weil die Einlegung der Beschwerde verspätet gewesen sei. Diese unzutreffende Rechtsauffassung stellt —jedenfalls bei einem Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe— kein unverschuldetes Hindernis i.S. des § 56 FGO dar (vgl. , BFH/NV 1995, 52, zur Versäumung der Revisionsbegründungsfrist).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2004 II Seite 26
BB 2004 S. 92 Nr. 2
BFH/NV 2004 S. 287
BFH/NV 2004 S. 287 Nr. 2
BStBl II 2004 S. 26 Nr. 1
DB 2004 S. 50 Nr. 1
DStR 2004 S. 88 Nr. 3
DStRE 2004 S. 120 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2005 S. 4456
StB 2004 S. 45 Nr. 2
ZAAAB-13897