BFH Beschluss v. - III S 7/03

Verluste aus der Vermietung einer Ferienwohnung

Gesetze: EStG § 21

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Antragsteller (Kläger) machten in ihren Einkommensteuererklärungen für 1994 und 1995 Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung von Ferienwohnungen als Verluste aus Gewerbebetrieb (§ 15 des EinkommensteuergesetzesEStG—) geltend, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zunächst antragsgemäß berücksichtigte. Nach einer Betriebsprüfung verneinte das FA eine Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger bei der Vermietung der Ferienwohnungen, da insgesamt gesehen eine Gewinnerzielungsabsicht unter Würdigung der Gesamtumstände nicht festgestellt werden könne. Einspruch und Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995 vom waren erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, als gewerbliche Einkünfte könnten die Verluste schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Voraussetzungen, unter denen bei der Vermietung von Wohnungen ein Gewerbebetrieb angenommen werde, im Streitfall nicht vorlägen. Als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) könnten die Verluste nicht berücksichtigt werden, weil die Kläger nicht mit Überschusserzielungsabsicht gehandelt hätten.

Während des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision beantragten die Kläger am beim FA Aussetzung der Vollziehung (AdV) und, nachdem ihr Antrag abschlägig beschieden worden war, am beim Bundesfinanzhof (BFH). Diesen Antrag verwarf der BFH als unzulässig, weil die Kläger nicht ordnungsgemäß vertreten waren.

Nach Zulassung der Revision durch den BFH beantragten die Kläger erneut die AdV der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995. Das FA setzte daraufhin mit Verfügung vom die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 mit Wirkung ab dem (Eingang der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde) aus.

Die Kläger begehrten daraufhin die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 ab dem —dem Zeitpunkt der Fälligkeit— aufzuheben. Dies lehnte das FA mit der Begründung ab, die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung werde grundsätzlich jeweils nur für eine Rechtsbehelfsstufe bewilligt.

Die Kläger beantragen, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 ab dem aufzuheben.

Das FA beantragt, den Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 abzulehnen.

II. Der Antrag ist begründet.

1. Nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf AdV eines Steuerbescheides unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO entsprechen. Danach soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO).

2. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389, m.w.N.; , BFH/NV 1994, 4), die AdV als rechtsgestaltenden Verwaltungsakt zu verstehen, dessen Wirkung sich nur auf die Zukunft erstreckt. Soweit der angefochtene Verwaltungsakt vor der Gewährung einer AdV bereits vollzogen ist, bleiben die schon eingetretenen Rechtsfolgen bestehen. Als Vollzug eines Steuerbescheides in diesem Sinne wird jeder Gebrauch seiner Wirkungen, also auch der Anfall von Säumniszuschlägen nach Maßgabe des § 240 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) angesehen (BFH-Beschluss in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). In diesen Fällen ist die Aufhebung der Vollziehung rechtlich möglich. Hierfür gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die AdV nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO. Deshalb kommt es für die Bestimmung des Zeitpunktes, ab welchem die Wirkungen der Vollziehung eines Steuerbescheides aufzuheben sind, wesentlich darauf an, ab wann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides erkennbar vorlagen (BFH-Beschlüsse in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389; vom II B 33/89, BFH/NV 1990, 670, und vom VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12, m.w.N.). Entscheidend ist dabei nicht, ab wann das FA die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids erkannt hat oder erkennen konnte oder sich die „Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts greifbar abgezeichnet„ hat (BFH-Beschluss in BFH/NV 1990, 670), sondern seit wann objektiv an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids ernstliche Zweifel bestehen. Auch wenn die schon bei Erlass vorliegenden ernstlichen Zweifel erst nachträglich festgestellt werden, entfallen die Voraussetzungen für die Ausübung von Druck durch Säumniszuschläge „rückwirkend„ (BFH-Urteil in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389).

3. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Einkommensteuerbescheide im September 1996 war durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer zu Werbungskostenüberschüssen führenden Vermietungstätigkeit eine Überschusserzielungsabsicht zu verneinen ist. Das FA hat die Berücksichtigung der Verluste wegen fehlender Überschusserzielungsabsicht abgelehnt ohne zu unterscheiden, ob es sich dem Grunde nach um Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung handelt. Nach dem (BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771) ist aber bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich eine Absicht des Steuerpflichtigen zur Erwirtschaftung eines Einnahmeüberschusses anzunehmen. Der BFH hat in der Folgezeit mehrfach bestätigt, dass diese Annahme auch für die Vermietung von Ferienwohnungen gilt, die der Steuerpflichtige ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereithält (z.B. , BFHE 193, 479, BStBl II 2001, 705, und vom IX R 18/02, BFHE 200, 556, BFH/NV 2003, 549). Es bestanden daher im Streitfall von Anfang an ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass eine AdV, wenn sie keine Angaben über die Dauer enthält, regelmäßig nur für den jeweiligen Verfahrensabschnitt gilt (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 151, m.w.N.). Eine AdV, die im Verwaltungsverfahren angeordnet wurde, endet daher mit Abschluss des Einspruchsverfahrens und eine AdV im finanzgerichtlichen Verfahren mit der Entscheidung in der Hauptsache. Weder das FA noch das Gericht der Hauptsache sind aber gehindert, die Vollziehung rückwirkend aufzuheben (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389; in BFH/NV 1990, 670, und in BFH/NV 2003, 12).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 183 Nr. 2
YAAAB-13747