BFH Urteil v. - VI R 139/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) für das Streitjahr 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei machten sie erfolglos Aufwendungen als Werbungskosten geltend, die wegen des "Rücktritts" von einem Kaufvertrag über ein Eigenheim in den Niederlanden entstanden sind.

Der Kläger -- ein niederländischer Staatsangehöriger, der im Inland seit 1989 unbeschränkt steuerpflichtig ist -- war im Streitjahr bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bereits im Juli 1991 wurde ihm von seinem Arbeitgeber eine Stelle bei einem niederländischen Schwesterunternehmen angeboten. Der Kläger nahm das Angebot am an. Die Tätigkeit sollte am aufgenommen werden. Am schlossen die Kläger einen Kaufvertrag über ein Einfamilienhaus in den Niederlanden, das umgerechnet rd. 460 000 DM kostete.

Im März 1992 wurde die Weiterbeschäftigung des Klägers im Inland vereinbart, da er dort für ein Großprojekt benötigt wurde. Die Kläger machten darauf mit Vereinbarung vom den Kaufvertrag rückgängig. Ihnen entstanden deswegen Schadensersatzverpflichtungen gegenüber den Verkäufern in Höhe von 90 000 hfl; außerdem wurden ihnen von einem Makler Annullierungskosten in Höhe von 1 759 hfl und von einem Notariat ein Honorar in Höhe von 349 hfl in Rechnung gestellt. Der Gesamtbetrag entsprach zum damaligen Zeitpunkt umgerechnet einem Wert von 82 032 DM.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass der Arbeitgeber nur eine Entschädigung von 19 631 DM gezahlt habe, die vollständig als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt wurde.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Zwar könnten auch Schadensersatzzahlungen Werbungskosten sein, wenn das zum Schaden führende Ereignis wesentlich durch eine auf Einkunftserzielung ausgerichtete Tätigkeit veranlasst sei. Bei entsprechender Veranlassung könnten sowohl vergebliche Aufwendungen als auch solche berücksichtigt werden, die im Vorfeld der Einkunftserzielung angefallen seien. Im Streitfall lägen wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots (§ 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) jedoch keine Werbungskosten vor. Die geltend gemachten Aufwendungen seien zwar auch im Zusammenhang mit der geplanten beruflichen Veränderung des Klägers entstanden, hätten aber überwiegend der Verfolgung privater Interessen gedient. Die Entscheidung der Kläger, den Hauskauf rückgängig zu machen, sei auch von Elementen der privaten Vermögenssphäre bestimmt worden. So wie Erlöse aus dem Verkauf eines privaten Vermögensgegenstandes nicht steuerbar seien, könnten auch Aufwendungen zum Erwerb nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Dieser Grundsatz gelte auch bei beruflich bedingter Versetzung und bei entsprechenden Rückabwicklungsaufwendungen. Zwar könne die private Mitveranlassung bei einem Umzug zurücktreten; der Vorrang der beruflichen Veranlassung gegenüber einer anderen Mitveranlassung gelte jedoch auch dann nicht für alle Aufwendungen - insbesondere nicht für Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Die Aufwendungen für das Rückgängigmachen der Anschaffung teilten das rechtliche Schicksal der Erwerbskosten; sie spielten sich auf der steuerrechtlich unbeachtlichen Vermögenssphäre ab.

Gegen das Urteil des FG wenden sich die Kläger mit der Revision. Sie machen sinngemäß eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geltend. Die berufliche Veranlassung der streitigen Aufwendungen wird im Wesentlichen damit begründet, dass im Streitfall -- anders als im (BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476) -- weder Anschaffungs- noch Veräußerungskosten vorlägen, weil es gar nicht zur Anschaffung eines Hauses gekommen sei. Aufwendungen, die nicht zum Erwerb oder zur Herstellung eines Vermögensgegenstandes dienten, seien handelsrechtlich weder Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern laufender Aufwand. Im Gegensatz zur Auffassung des FG könne bei dem streitigen Aufwand nicht von einem "actus contrarius" zum Erwerbsaufwand gesprochen werden. Die Vorinstanz weiche auch vom (BFHE 173, 124, BStBl II 1994, 323) ab, da hier das auslösende Moment für die streitigen Aufwendungen ebenfalls im beruflichen Bereich liege, nämlich der Rückgängigmachung des geänderten Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber des Klägers.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils den streitigen Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung so abzuändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 82 032 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.

Der Revisionsantrag, den Steuerbescheid vom aufzuheben, gehe über das Klagebegehren in der Vorinstanz hinaus und stelle deshalb eine -- nach § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässige -- Klageerweiterung dar. Das angegriffene Urteil stelle sich auch im Ergebnis als richtig dar. Selbst wenn es sich bei den streitigen Aufwendungen nicht um Anschaffungskosten handeln sollte, bliebe das auslösende Moment die Entscheidung im Bereich der privaten Vermögenssphäre, da es einem Arbeitgeber regelmäßig frei stehe, ein Haus zur Eigennutzung zu erwerben. Die Vergeblichkeit der Aufwendungen ändere daran nichts. Soweit im (BFHE 192, 293, BStBl II 2000, 584) hierzu eine andere Auffassung vertreten werde, könne dem nicht gefolgt werden.

Gründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Revision ist zulässig. Die Auslegung des Revisionsantrags unter Berücksichtigung seiner Begründung ergibt, dass die Kläger nicht etwa die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern die Herabsetzung der Einkommensteuer unter Ansatz der geltend gemachten Werbungskosten begehren.

2. Die streitigen Aufwendungen können als Werbungskosten bei den im Inland erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sein. Der erkennende Senat hat nach Ergehen des angefochtenen Urteils in der Entscheidung in BFHE 192, 293, BStBl II 2000, 584 ausgeführt, dass vergebliche Aufwendungen Werbungskosten sein können, wenn die Absicht umzuziehen aufgegeben wird, weil eine vorgesehene Versetzung nicht durchgeführt wird. Hieran hält er fest. Die Grundsätze dieses Urteils sind auch auf einen Fall wie den vorliegenden anwendbar, bei dem die vergeblichen Aufwendungen im Ausland angefallen sind. Denn die für den geplanten Umzug ins Werk gesetzten Maßnahmen sind rückgängig gemacht worden, um weiter -- wie bisher -- durch die Verwertung der Arbeitskraft im Inland Einkünfte zu erzielen. Damit wird -- wie im Fall in BFHE 192, 293, BStBl II 2000, 584 -- der Entschluss, Eigentum an einem ins Auge gefassten anderen Arbeitsplatz zu erwerben, durch das Bestreben, den bisherigen Arbeitsplatz nunmehr beizubehalten, überlagert.

3. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zur Höhe der zu berücksichtigenden Aufwendungen trifft. Insbesondere wird es der Frage nachzugehen haben, ob und ggf. in welcher Höhe vom Arbeitgeber oder von dritter Seite -- etwa der Schwestergesellschaft des Arbeitgebers -- Ersatz geleistet worden ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1379
BFH/NV 2001 S. 1379 Nr. 11
DStRE 2001 S. 1078 Nr. 20
KÖSDI 2002 S. 13159 Nr. 2
KAAAA-97044