Oberfinanzdirektion Niedersachsen - S 7179 – 103 – St 181

Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG;
Umsätze von Tanzschulen aus Kursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen”

Allgemeines

Träger von allgemein bildenden und berufsbildenden Einrichtungen benötigen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, aus der sich ergibt, dass und für welchen Zeitraum die Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Die Bescheinigung bindet die Finanzbehörden insoweit als Grundlagenbescheid. Sie unterliegt nicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden oder die Finanzgerichte.

Die Finanzbehörden entscheiden in eigener Zuständigkeit, ob die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, s. Abschnitt 4.21.5 Absätze 1 und 2 UStAE. Zur Prüfung der Finanzämter gehört, ob eine allgemein bildende oder berufsbildende Einrichtung vorliegt (s. Abschnitt 4.21.2 UStAE) und ob unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen vorliegen (Abschnitt 4.21.4 UStAE). Nach richtlinienkonformer Auslegung (Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSyStRL) ist hierbei insbesondere zu prüfen, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden (Schul- und Hochschulunterricht) und ob die Leistungen der bloßen Freizeitgestaltung gedient haben [1]. Für die Frage, ob Schul- oder Hochschulunterricht vorliegt, ist auf die Art der erbrachten Leistung und auf ihre generelle Eignung als solcher abzustellen. Deshalb ist bei dieser Beurteilung ohne Belang, wie hoch der Anteil der Schüler ist, die den Unterricht tatsächlich im Hinblick auf eine Berufsausbildung oder eine Prüfungsvorbereitung besuchen oder später tatsächlich den entsprechenden Beruf ergreifen [2]. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ist Indiz dafür, dass die Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen. Solche gegenteiligen Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung der Unterrichtsleistung ergeben. Unterrichtsleistungen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, sind von der Steuerbefreiung ausgeschlossen [3]. Maßgebend für die Zuordnung, ob eine Leistung vorliegt, die der reinen Freizeitgestaltung dient, ist die allgemeine Verkehrsauffassung. Die Entscheidung kann nur im Einzelfall und nach genauer Sachverhaltsaufklärung entschieden werden.

Umsätze von Tanzschulen aus Kursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen”

Umsätze aus Kursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen”, die von Tanzschulen durchgeführt werden, sind bei Anwendung der o. a. Grundsätze nicht steuerbefreit. Es handelt sich weder um eine Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient oder einen direkten Bezug zu einem Gewerbe oder einen Beruf aufweist, noch um eine Tätigkeit, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln. Außerdem sind sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung von ihrer Zielrichtung auf reine Freizeitveranstaltung gerichtet.

Nach den bisher gemachten Erfahrungen erteilt das in Niedersachsen zuständige Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die Kurse „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen” zwar Bescheinigungen darüber, dass die Bildungseinrichtung (Tanzschule) auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Die Umsätze sind jedoch wegen gewichtiger gegenteiligen Anhaltspunkte steuerpflichtig:

Bei dem Tanzunterricht im Rahmen des „Welttanzprogramms” geht es um das Erlernen von Tänzen und Tanzformen, die zu den weltweit gespielten Musikrichtungen passen, z. B. Disco, Swing, Walzer. Unterrichtsziel ist, zu jedem gesellschaftlichem Anlass den passenden Tanz zu erkennen und anzuwenden. Die Medaillenkurse (Deutsches Tanzabzeichen) bauen auf die Welttanzkurse auf und dienen dazu, die bis dahin erworbenen Fähigkeiten zu erweitern und zu verfeinern; insbesondere wird hier Wert auf den tänzerischen Bewegungsstil gelegt. Auch in diesen Kursen werden Gesellschaftstänze geübt, also im Privatleben angewandte Fähigkeiten ausgebaut. Dass nach der Ausbildungsordnung des ADTV das Tanzen der Paartänze des „Welttanzprogramms” Teil der Ausbildung zum Tanzlehrer ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil diese verbandsinterne Richtlinie nicht rechtlich verbindlich ist. Die Ausbildung zum Tanzlehrer nach dieser Ausbildungsordnung ist weder Voraussetzung für die Tätigkeit als Tanzlehrer noch für das Führen einer Tanzschule [4]. Die Kurse werden nach der allgemeinen Lebenserfahrung – ebenso wie Hochzeits- und Crashkurse – von Teilnehmern besucht, die generell am Tanz interessiert sind. Sie betreiben das Tanzen regelmäßig als reine Freizeitbeschäftigung. Kursteilnehmer, die den Beruf des Tanzlehrers anstreben, vermögen dem kein anderes Gepräge zu geben.

Zu diesem Ergebnis kommt auch der BFH in seinem Urteil vom [5]. Hiernach sind Tanzkurse zum Erlernen von Standardtänzen, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, auch nach richtlinienkonformer Auslegung (Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL) nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 22 UStG, weil sie nicht Aus- oder Fortbildungszwecken, sondern der Freizeitgestaltung der Teilnehmer dienen.

Für Umsätze aus Kursen tänzerischer Früherziehung und Kindertanzen für Kinder ab drei Jahren sowie aus klassischem Ballettunterricht kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG in der Regel gewährt werden [6].

Oberfinanzdirektion Niedersachsen v. - S 7179 – 103 – St 181

Fundstelle(n):
ZAAAE-32923

1 und BStBl 2012 I S. 484, Abschnitt 4.21.2 Abs. 8 und Abschnitt 4.21.4 Abs. 1, 1a UStAE

2Abschnitt 4.21.4 Abs. 1 S. 7 und 8 UStAE

3Abschnitt 4.21.4 Abs. 1a UStAE

4 (NV) –

5

64.21.2 Abs. 8 UStAE