Elekronischer Datenzugriff des FA auf die von einer Apotheke in einem elektronischen Warenwirtschaftssystem geführte Verkaufsdatei
Nebeneinander von steuerlichen und außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten
Entwicklung und Änderung der GoB unter Berücksichtigung geänderter technischer Möglichkeiten
keine Pflicht zur Einzelaufzeichnung von Betriebseinnahmen bei technischer, betriebswirtschaftlicher und praktischer Unmöglichkeit
Leitsatz
1. Eine in einem elektronischen Warenwirtschaftssystem geführte Verkaufsdatei eines Apotkekers, bestehend aus einer Kassenzeile,
den Einzeldaten und einer Bewegungsdatei, gehört zu den aufbewahrungspflichtigen Kassenunterlagen i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr.
5 AO und damit zu den nach § 147 Abs. 6 AO dem Datenzugriff des FA in elektronischer Form unterliegenden Unterlagen, da anhand
der Verkaufsdatei die Bestände sowie die Bestandsveränderungen an Arzneimitteln, an Betäubungsmitteln oder auch an nicht verschreibungspflichtigen
Produkten mit den Erlösen im Einzelnen verprobt werden können.
2. Allgemein umfasst der Datenzugriff die steuerlich relevanten Daten, d. h., die Daten der Finanz-, Anlage- und Lohnbuchhaltung.
Bei Daten eines Warenwirtschaftssystems wie der Verkaufsdatei handelt es sich um Daten der Finanzbuchhaltung, für die den
Apotheker gemäß §§ 238ff. HGB i. V. m. den GoB eine Aufzeichnungspflicht trifft und die daher dem Datenzugriff unterfallen.
3. Außer den allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften u. a. des Handelsrechts transformiert § 140 AO eine Vielzahl
von in Gesetzen und Verordnungen geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften bestimmter Berufe und Tätigkeiten
zu steuerrechtlichen Pflichten, für Apotheken beispielsweise §§ 22 ApBetrO, §§ 13-15 Betäubungsmittel-VerschreibungsVO i.V.m.
§ 13 Abs. 3 BetäubungsmittelG.
4. Nach dem Sinn und Zweck und nach der Entwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und unter Berücksichtigung
des Gesichtspunkts der Zumutbarkeit sind in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht
bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufzuzeichnen,
wenn dies technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist; jedoch sind grundsätzlich die angefallenen Registrierkassenstreifen,
Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufzubewahren.
5. Welche Anforderungen die GoB stellen, ist vom Gericht objektiv unter Berücksichtigung des Zwecks der Buchführung, etwa
vorhandener gesetzlicher Vorschriften und der Zumutbarkeit der Aufzeichnungen zu beurteilen. Die GoB werden durch das allgemeine
Bewusstsein der anständigen und ordentlichen Kaufmannschaft geprägt und davon beeinflusst, was technisch, betriebswirtschaftlich
und praktisch möglich und zumutbar ist, und verändern sich folglich.
6. Die verschiedenen steuerlichen und außensteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten bestehen unabhängig voneinander.
Durch § 145 AO sollte nichts an dem durch § 140 AO und § 5 EStG erzeugten steuerrechtlichen Einfluss der handelsrechtlichen
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung geändert werden. Unterliegt der Steuerpflichtige bereits außensteuerlichen Regelungen
der GoB, sind die handelsrechtlichen GoB auch für steuerliche Zwecke einzuhalten und treten die §§ 144, § 145 AO in den Hintergrund.
Fundstelle(n): DStR 2013 S. 10 Nr. 47 DStRE 2014 S. 230 Nr. 4 WAAAE-42294
Preis: €5,00
Nutzungsdauer: 30 Tage
Online-Dokument
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil v. 23.05.2013 - 1 K 396/12
Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,
die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen.
Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.