Sicherung des Steueranspruchs durch Bürgschaft eines Dritten
1. Allgemeines
Gem. § 48 AO können Dritte Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) gegenüber der Finanzbehörde bewirken bzw. sich vertraglich für diese Leistung verpflichten. Die Ansprüche aus derartigen Verträgen (z. B. Bürgschaft, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis) sind privat-rechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Natur und können daher nur gem. § 192 AO nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts durchgesetzt werden.
Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge einseitig gegenüber dem Finanzamt, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen (§ 765 BGB). Es kann sich hierbei auch um eine künftige oder bedingt fällige Verbindlichkeit handeln (§ 765 Abs. 2 BGB).
2. Taugliche Steuerbürgen
Nach § 244 AO ist eine Bürgschaft als Sicherheit (§ 241 AO) nur geeignet, wenn sie von Personen abgegeben worden sind, die ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzen und ihren allgemeinen oder einen vereinbarten Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Im Vollstreckungsverfahren kann u. U. auch eine Bürgschaft von nicht ein angemessenes Vermögen besitzenden Personen (nahen Angehörigen, nichtehelichen Lebenspartnern, Geschäftsführern oder Gesellschaftern des Steuerschuldners) infrage kommen, wenn sich das Finanzamt davor schützen will, dass Vermögen vom Hauptschuldner auf den Bürgen übertragen wird oder die gewerbliche Tätigkeit des Hauptschuldners vom Bürgen als Strohmann fortgeführt wird.
Nebeneffekt einer solchen Bürgschaft ist, dass der Bürge zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme u. U. derart Einfluss auf den Steuerschuldner nimmt, dass dieser seinen Verpflichtungen – z. B. Zahlung von laufend fälligen Beträgen sowie der Raten und Abgabe der Steuererklärungen bei einem gewährten Vollstreckungsaufschub – künftig (innerhalb der vorgegebenen Fristen) nachkommt.
Wenn der Bürge kein angemessenes Vermögen besitzt, ist jedoch zu beachten, dass derartige Bürgschaften nach § 138 BGB nichtig sein können (vgl. Tz. 4) oder dass eine Inanspruchnahme des Bürgen nach § 242 BGB gegen Treu und Glauben (vgl. Tz. 5) verstoßen kann.
Es sind daher die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bürgen eingehend zu prüfen und die Bürgschaftssummen ggf. auf einen angemessenen Teilbetrag der Steuerschuld zu begrenzen. Bei vermögenslosen Bürgen ist ausdrücklich zu bestimmen, dass eine Inanspruchnahme nur für den Fall von Vermögensübertragungen zwischen Hauptschuldner und Bürgen oder für den Fall eines bestimmten Vermögenszuwachses erfolgt.
Über die entsprechenden Verhandlungen mit dem Hauptschuldner und dem Bürgen sind Aktenvermerke zu fertigen. In diesen ist festzuhalten, wie der Bürgschaftsvertrag zustande kam und in welchem Umfang eine Belehrung des Bürgen (Hinweis auf die Risiken einer Bürgschaft, insbesondere bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern) erfolgt ist.
Bezüglich der allgemein zugelassenen Steuerbürgen (i. d. R. Banken) Hinweis auf AO-Kartei §§ 241 bis 248 AO Karte 2 Abschn. (33) bis (51).
3. Formvorschriften und Akzessorietät
Das Bürgschaftsversprechen des Bürgen ist nur als Sicherheit anzunehmen, wenn es schriftlich erfolgt ist (§ 244 Abs. 1 Satz 3 AO) und vom Bürgen unterschrieben worden ist (§§ 126, 766 BGB).
Aus dem Bürgschaftsversprechen müssen sich ferner die Steuerschuld, für welche die Bürgschaft übernommen wird sowie der Gläubiger und Schuldner der Steuerschuld ergeben, da nach § 767 BGB die Bürgschaftsschuld von dem Bestand der Steuerschuld abhängig ist. Für eine künftige Forderung kann daher nur eine Bürgschaft übernommen werden, wenn die Forderung bestimmbar ist ( BGHZ Bd 25, S. 318).
Auf das Vorlegen von Blankobürgschaften (Finanzamt füllt die vom Bürgen bereits unterzeichnete Urkunde aus) ist grundsätzlich zu verzichten. Auf die (NJW 1984, S. 798) und vom (NJW 1996, S. 1467) wird hingewiesen.
Soweit eine Bürgschaft der Form des § 766 Satz 1 BGB nicht genügt, ist der Vertrag nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).
4. Sittenwidrigkeit der Bürgschaft
Der Bürgschaftsvertrag kann wie jedes Rechtsgeschäft gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Dies ist der Fall, wenn das Geschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter gegen die guten Sitten verstößt, wobei auf die Umstände bei Vertragsabschluss abzustellen ist ( ZIP 1989, S. 427). Dass der Inhalt des Vertrags nur den Bürgen im erheblichen Umfang belastet, stellt für sich die Wirksamkeit der Bürgschaft nicht infrage ( ZIP 1995, S. 812). In der Regel vermag jede unbeschränkt geschäftsfähige Person das mit der Übernahme der Bürgschaft erhebliche persönliche Risiko zu erkennen, die Tragweite ihres Handelns entsprechend einzuschätzen und danach ihre Entscheidung zu treffen ( ZIP 1994, S. 520).
Bürgschaftsverträge sind jedoch unwirksam, wenn sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen sind und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastung begründen ( ZIP 1993, S. 1775).
Eine Sittenwidrigkeit liegt danach z. B. vor, wenn
der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt und der Bürge durch zusätzliche dem Gläubiger zurechenbare Umstände in seiner Entscheidungsfreiheit durch ein rechtlich oder sittlich zu beanstandendes Verhalten beeinträchtigt worden und so ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern entstanden ist ( ZIP 1996, S. 1126); solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt ( ZIP 1994, S. 520),
der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell krass überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist; eine krasse Überforderung liegt vor, wenn die Verbindlichkeit, für die der Bürge einstehen soll, so hoch ist, dass bereits bei Vertragsabschluss nicht zu erwarten war, dass die Forderung des Gläubigers vom Bürgen wenigstens zu wesentlichen Teilen getilgt werden kann (vgl. auch ZIP 2000, S. 351),
die finanziellen Mittel des Bürgen mit Rücksicht auf die Höhe der verbürgten Hauptschuld praktisch bedeutungslos sind und der Gläubiger kein rechtlich vertretbares Interesse an dem vereinbarten Haftungsumfang hat ( NJW 2000, S. 362) oder
die Schuld, für die der Bürge einstehen soll, so hoch ist, dass selbst bei günstiger Prognose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Forderung des Gläubigers von dem Bürgen im Laufe seines Lebens nicht einmal zu großen Teilen getilgt werden kann ( ZIP 1994, S. 520).
Ein grobes Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des (vermögenslosen) Bürgen liegt vor, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen voraussichtlich nicht ausreichen, in fünf Jahren ein Viertel der Hauptforderung abzudecken (vgl. auch ZIP 1997, S. 1957). Maßgebend ist hier die Prognose zurzeit des Vertragsabschlusses darüber, ob nennenswertes Einkommen oder Vermögen zur Bedienung der Bürgschaft zurzeit der Inanspruchnahme zur Verfügung stehen wird.
Zu beachten ist, dass ein Missverhältnis von Verpflichtungsumfang und Leistungsfähigkeit des Bürgen in aller Regel allein jedoch nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr müssen noch weitere belastende Umstände, die auch auf einem Verhalten des Hauptschuldners beruhen können, hinzukommen. Dies ist z. B. der Fall, wenn
der Gläubiger dem Bürgen gegenüber Umfang und Tragweite der Haftung verharmlost hat ( ZIP 1994, S. 614) oder ungewöhnliche und schwerwiegende, dem Bürgen ersichtlich unbekannte Haftungsrisiken verschwiegen hat ( ZIP 1994, S. 520); gleichwohl besteht allerdings keine Verpflichtung des Gläubigers zur Aufklärung des Bürgen über die vorhandenen Risiken einer Bürgschaft ( ZIP 1987, S. 1519, 1521),
der Bürge nur eine eingeschränkte Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Entscheidung und Beurteilung der Risiken bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags hatte ( ZIP 1994, S. 1516),
der Gläubiger in rechtlich verwerflicher Weise für den Bürgen eine Zwangslage begründet ( ZIP 1996, S. 1126) oder in sonstiger Weise dessen Geschäftsunerfahrenheit zu seinem Vorteil ausnutzt ( ZIP 1994, S. 520) oder
der Gläubiger klar zutage getretene sittlich missbilligenswerte Handlungen des Hauptschuldners für eigene Zwecke verwertet z. B. die Entscheidung eines nahen Angehörigen (§ 138 InsO) zur Bürgschaft unter Ausnutzung einer seelischen Zwangslage zustande kam; dies ist der Fall, wenn der Bürge sich entgegen seiner eigenen Interessen nur aus einer unterlegenen Position heraus auf das Geschäft eingelassen, z. B. weil ihn seine Eltern entgegen ihrer familiären Rücksichtnahmepflicht aus § 1618a BGB hierzu überredet haben ( ZIP 1994, S. 520 und ZIP 1996, S. 1977).
Bei einer Bürgschaft des Ehegatten darf der Gläubiger dagegen in der Regel davon ausgehen, dass die Entscheidung, die Bürgschaft als Sicherheitsleistung für eine den verständigen Interessen beider Ehepartner dienende AdV, Stundung oder einen Vollstreckungsaufschub zu erteilen, in freier Selbstbestimmung, ohne Missbrauch der Vertragsfreiheit, getroffen wurde. Dies ist z. B. der Fall, wenn die AdV, die Stundung oder der Vollstreckungsaufschub dazu führt, dass der Betrieb des Hauptschuldners erhalten werden kann und dadurch die Sicherung des Familienunterhalts gewährleistet werden kann. Anderes würde nur gelten, wenn der Hauptschuldner den Bürgen mit unzulässigen Mitteln, etwa der Drohung empfindlicher finanzieller Nachteile oder Appellen an die eheliche Solidarität, zur Übernahme der Haftung gedrängt hat ( ZIP 1997, S. 406).
Hinweise, dass derartige weitere belastenden Umstände nicht vorliegen, können sich nach dem (ZIP 1996, S. 495) z. B. aus folgenden Sachverhalten ergeben:
der Bürge ist nicht geschäftlich unerfahren, z. B. weil er als Buchhalter tätig ist, eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung hat oder bereits früher schon eine Bürgschaft geleistet hatte (vgl. auch ZIP 1996, S. 1126),
der Bürge hatte eine relativ lange (zumindest mehrere Tage) Bedenkzeit,
der Bürge ist im Geschäftsbetrieb des Steuerschuldners tätig und hat u. U. auch einen gewissen Einblick in das Schuldnerunternehmen bzw. ist sogar in die Entscheidungsprozesse eingebunden,
ein dem Steuerschuldner gewährter Vollstreckungsaufschub oder eine AdV bzw. Stundung auch dem Bürgen zugute kommt (dieser hat ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Fortführung des Betriebs) und
nach dem (ZIP 1998, S. 1999) muss in Bürgschaften die ab dem von finanziell nicht leistungsfähigen Bürgen erteilt werden, ausdrücklich geregelt werden, dass die Bürgschaft den Gläubiger vor Vermögensverlagerungen schützen soll und dass eine Inanspruchnahme nur für den Fall der Vermögensübertragung erfolgt (vgl. auch NJW 2000, S. 362). Für eine künftige Erbschaft des Bürgen sind die Grundsätze gleichermaßen anzuwenden (vgl. analog hierzu das ZIP 1997, S. 406).
Von einer Wirksamkeit der Bürgschaft kann ferner ausgegangen werden, wenn der Bürge Geschäftsführer oder Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin ist ( ZIP 2000, S. 451).
Umstände, die zur Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB führen, hat der Bürge zu beweisen ( ZIP 1994, S. 520).
5. Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Auch wenn der Bürgschaftsvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, kann eine Inanspruchnahme des Bürgen aufgrund eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein.
Die Ausübung gesetzlicher oder vertraglicher Rechte ist ausnahmsweise nicht gestattet, wenn sie dem Zweck der Norm oder der getroffenen Vereinbarung eindeutig nicht entspricht sowie beachtliche Belange des anderen verletzt und der Berechtigte kein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung des erhobenen Anspruchs hat ( ZIP 1997, S. 406).
Dies ist der Fall, wenn der Bürge zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Bürgschaftsschuld voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, Zahlungen auf die Hauptschuld zu erbringen, der Gläubiger also nicht mit finanziellen Leistungen des Bürgen rechnen darf; die Prognose ist dabei auf den Zeitpunkt auszurichten, zu dem die Bürgschaftsschuld tatsächlich fällig geworden ist ( ZIP 1996, S. 1126). Bei Ehegatten wurde eine Sittenwidrigkeit verneint, wenn die pfändbaren Einkünfte des Bürgen voraussichtlich nicht ausreichen, innerhalb von fünf Jahren seit der Fälligkeit der Bürgschaftsforderung ein Viertel der Bürgschaftssumme abzudecken (sog. 25 %-Grenze, vgl. ZIP 1996, S. 1126).
Ein Verstoß gegen § 242 BGB liegt ebenso vor, wenn der vor dem abgeschlossene Bürgschaftsvertrag ausschließlich Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den einkommens- und vermögenslosen Bürgen verhindern soll und eine Inanspruchnahme des Bürgen erfolgt, ohne dass derartige Vermögensübertragungen erfolgt sind (vgl. NJW 2000, S. 362). Gleiches gilt, wenn eine Verpflichtung aus einer Bürgschaft erst mit dem Eintritt des Erbfalls bzw. erst mit dem Erhalt der Zuwendung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgen soll ( ZIP 1996, S. 1126 und ZIP 1997, S. 406).
Auch kann der Gläubiger daran gehindert sein, den Ehepartner, der eine seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit übersteigende Bürgschaftsverpflichtung eingegangen ist, in Anspruch zu nehmen, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht ( ZIP 1996, S. 1126) und zugleich keine gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen mehr bestanden ( ZIP 1997, S. 406).
Der Bürge hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die den Einwand aus § 242 BGB rechtfertigen (vgl. ZIP 1996, S. 1126).
Auf der anderen Seite können aber auch ausnahmsweise Einwendungen des Bürgen nach seiner Inanspruchnahme gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Bürge, der längere Zeit aus einem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat, sich jedoch unter Berufung auf Formmängel seiner Verpflichtung entziehen will (vgl. NJW 1996, S. 1467).
6. Kündigung der Bürgschaft
Eine Kündigung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger ist grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung möglich. Ohne derartige Vereinbarungen auf unbestimmte Zeit eingegangenen Bürgschaften können jedoch nach Ablauf eines gewissen Zeitraums mit angemessener Frist oder bei Eintritt wichtiger Umstände mit Wirkung für die Zukunft gekündigt werden ( NJW 1986, S. 252). Die Bürgschaft beschränkt sich dann auf die bis zur Wirksamkeit der Kündigung begründeten Verbindlichkeiten.
7. Einreden des Bürgen
Unabhängig von etwaigen Einwendungen, dass die Bürgschaft gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) bzw. gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, stehen dem Bürgen ferner alle Einreden zu, die auch der Hauptschuldner gegen den Gläubiger hat (§ 768 BGB).
Solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten, kann der Bürge nach § 770 BGB die Befriedigung des Gläubigers verweigern.
Der Bürge hat ferner die Möglichkeit der Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB). Danach muss der Gläubiger vor Inanspruchnahme des Bürgen zunächst die Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners erfolglos versucht haben. Nach § 244 Abs. 1 Satz 2 AO müssen Bürgschaften, die das Finanzamt als Sicherheit annehmen will, den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (§ 773 Nr. 1 BGB) enthalten. Es ist daher regelmäßig auf einer selbstschuldnerischen Bürgschaft zu bestehen.
Einer Bank ist die Einrede der Vorausklage durch § 349 HGB verwehrt.
Seit dem beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist, der auch eine Bürgschaft unterliegt, gem. § 195 BGB nur noch drei Jahre. Bei Bürgschaften, die dem Finanzamt als Sicherheit dienen sollen, ist auf die Einrede der Verjährung gem. § 195 BGB zu verzichten.
8. Bürgschaft bei dinglicher Sicherung des Steueranspruchs durch den Steuerschuldner
Unter Bezugnahme auf Tz. 11 ist zu beachten, dass eine Freigabe von dinglichen Sicherheiten des Steuerschuldners insoweit, als der Bürge aus dem freigegebenen Recht hätte Ersatz verlangen können, auch zu einer Befreiung des Bürgen führt (§ 776 BGB). Eine Freigabe der Sicherheit in diesem Sinne ist auch, wenn die dingliche Sicherheit für eine andere Steuerforderung verwertet wird als für die durch die Bürgschaft gesicherte. Gleiches gilt selbst dann, wenn diese Sicherheit nach der Bürgschaft erlangt worden ist.
9. Insolvenz des Hauptschuldners
Durch ein Insolvenzplanverfahren bzw. ein Restschuldbefreiungsverfahren bei dem Hauptschuldner wird das Recht des Gläubigers gegenüber dem Bürgen nicht eingeschränkt. Diesem gegenüber kann daher weiterhin der gesamte Anspruch geltend gemacht werden (§§ 254 Abs. 2 und 301 Abs. 2 InsO).
10. Besondere Arten der Bürgschaft
Will der Bürge gegenüber dem Gläubiger nur bis zu einer betragsmäßigen Grenze maximal haften, kann eine Höchstbetragsbürgschaft vereinbart werden.
Bei einer Ausfallbürgschaft haftet der Bürge nur, wenn der Gläubiger trotz Zwangsvollstreckung beim Hauptschuldner und mangels sonstiger Sicherheiten einen Ausfall erlitten hat. Einer Einrede der Vorausklage (vgl. Tz. 6) bedarf es daher nicht. Zu beachten ist aber, dass der Bürge insoweit nicht in Anspruch genommen werden kann, als der Ausfall durch eigene Nachlässigkeit des Gläubigers herbeigeführt worden ist ( DB 1999, S. 426).
Verzichtet der Bürge auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 Nr. 1 BGG, handelt es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft.
Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern muss der Gläubiger bei der Geltendmachung seines Anspruchs nicht einmal den Bestand oder die Fälligkeit der Hauptforderung schlüssig darlegen. Einwendungen des Bürgen können, solange kein Missbrauch durch den Gläubiger vorliegt, nur in einem etwaigen Rückforderungsprozess gemäß § 812 BGB geltend gemacht werden. Es bestehen jedoch für den Gläubiger besondere Aufklärungs- und Belehrungspflichten. Bei einer Verletzung dieser Hinweispflicht haftet der Bürge nur aus einer gewöhnlichen Bürgschaft ( NJW 1998, S. 2280).
Möglich ist auch, dass sich mehrere Personen für die Hauptschuld verbürgen. Bezieht sich die Verpflichtung der Bürgen auf eindeutig abgegrenzte und unterschiedliche Teile der gesicherten Forderung spricht man von einer Teilbürgschaft. Haften dagegen die Bürgen für dieselben gesicherten Forderungen handelt es sich um eine Mitbürgschaft (§ 769 BGB). Die Bürgen sind in diesem Fall Gesamtschuldner.
Auch eine zeitliche Begrenzung der Bürgschaft ist möglich. Die zeitliche Begrenzung kann dabei entweder den Sinn eines Endtermins haben, nach dessen Ablauf die Verpflichtung des Bürgen erlöschen soll (vgl. § 777 BGB), oder sie kann auch die Verbindlichkeit, für die der Bürge sich verbürgt, dahingehend näher bestimmen, dass der Bürge nur für die innerhalb einer bestimmten Zeit begründeten Verbindlichkeiten – für diese aber unbefristet – einstehen soll.
11. Zahlung des Bürgen
Mit Befriedigung des Gläubigers durch den Bürgen erwirbt dieser kraft Gesetz die Hauptforderung und eventuell die für sie bestellten dinglichen Sicherheiten (§§ 774, 412, 401 BGB). Auf die Ausführungen in Tz. 8 wird besonders hingewiesen.
12. Inanspruchnahme des Bürgen
Soweit nicht eine Inanspruchnahme nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist (vgl. Tz. 5), kann (Ermessensentscheidung) der Bürge mit Fristsetzung und unter Darlegung der Gründe seiner Inanspruchnahme (z. B. Hauptschuldner kommt seinen Verpflichtungen aus dem bewilligten Vollstreckungsaufschub nicht nach) zur Zahlung aufgefordert werden.
Verweigert der Bürge die Zahlung oder schenkt er der Zahlungsaufforderung des Finanzamts keine Beachtung, kann er im Zivilrechtswege in Anspruch genommen werden; eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid ist nicht zulässig (vgl. Tz. 1).
Die Geltendmachung des Anspruchs kann aber auch im Urkundenmahnverfahren (vgl. Tz. 13) oder im Urkundenprozess (vgl. Tz. 14) erfolgen.
13. Urkundenmahnbescheid
Nach § 703a ZPO kann ein Antrag auf Erlass eines Urkundenmahnbescheids unter Hinweis auf die zum Beweis dienende Urkunde gestellt werden.
Die Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs kann wie folgt erfolgen:
„Inanspruchnahme aus der am …… zugunsten des/r ……(Vollstreckungsschuldner) übernommenen Bürgschaft. Die Inanspruchnahme erfolgte mit Schreiben vom …… . Die Forderung ist fällig.”
Wird gegen den Urkundenmahnbescheid rechtzeitig Widerspruch erhoben, wird dann automatisch ein Urkundenprozess anhängig (§ 703a Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
14. Klage im Urkundenprozess
Für Geldansprüche, deren anspruchsbegründende Tatsachen sich aus der in den Händen des Klägers befindlichen Urkunde ergeben, können durch Urkundenprozess (§§ 592 ff. ZPO) beschleunigt durchgeführt werden, da dem beweispflichtigen Beklagten nur der Antrag auf Parteivernehmung oder Urkundenbeweis zur Verfügung steht (§ 595 Abs. 2 ZPO).
Soll die Klage als Urkundenprozess geführt werden, muss die Klage eine entsprechende Erklärung enthalten (§ 593 Abs. 1 ZPO). Eine Nachholung der Erklärung ist nicht möglich. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kann von einem Urkundenprozess Abstand genommen werden (§ 596 ZPO). Fehlt die Erklärung bzw. wird von ihr Abstand genommen, wird die Klage im ordentlichen Verfahren anhängig.
Die Urkunden sind in Urschrift oder in Abschrift der Klageschrift beizufügen (§ 593 Abs. 2 ZPO). Spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung muss die den Anspruch begründende Urkunde vorgelegt werden, andernfalls ist der Urkundenprozess unstatthaft (§ 597 Abs. 2 ZPO). Der Anspruch kann dann nur noch in einem ordentlichen Verfahren geltend gemacht werden.
Örtlich zuständig ist das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten (§§ 12 ff. ZPO).
Das Urteil im Urkundenprozess ist vorläufig vollstreckbar (§ 599 ZPO). Der Beklagte kann seine Einwendungen in einem Nachverfahren (§ 600 ZPO) weiterverfolgen. In diesem Verfahren kann er sämtliche nach bürgerlichem Recht möglichen Einwendungen vortragen und sämtliche zivilprozessrechtlichen statthaften Beweismittel vorlegen.
Ein Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 4 ZPO). Ggf. macht sich der Kläger jedoch schadensersatzpflichtig, wenn sich in einem Nachverfahren herausstellt, dass der Anspruch des Klägers unbegründet war (§§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 ZPO).
Ein Muster für eine Höchstbetragsbürgschaft steht unter der Vorlage Voll 056 zur Verfügung.
OFD Niedersachsen v. - S 0490 – 13 – St 145
Fundstelle(n):
VAAAE-20841