BFH Beschluss v. - I B 10/01

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche. Die für sie ausgestellten Lohnsteuerkarten für die Jahre 1995 bis 1998 (Streitjahre) enthielten ebenso wie die für die Jahre 1990 bis 1994 eine entsprechende Eintragung. Dennoch behielt der Arbeitgeber vom Arbeitslohn der Klägerin keine Kirchenlohnsteuer ein. Die Klägerin wurde zunächst auch nicht zur evangelischen Kirchensteuer veranlagt. Diese Fehler stellten die Finanzbehörden erst bei einer Lohnsteueraußenprüfung im März 1998 fest. Um auch künftig einen Abzug von Kirchenlohnsteuer zu vermeiden, trat die Klägerin im April 1998 aus der evangelischen Kirche aus.

Da hinsichtlich der Kirchensteueransprüche für die Streitjahre noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, veranlagte das zuständige Finanzamt die Klägerin im Frühjahr 1999 für die Zeit vom bis zur evangelischen Kirchensteuer. Die Kirchensteuerbescheide wurden bestandskräftig. Den Antrag der Klägerin, die Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) ab. Einspruch und Klage waren erfolglos.

Mit ihrer Beschwerde beantragt die Klägerin, die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zuzulassen.

Der Beschwerdebegründung lässt sich entnehmen, dass die Klägerin in dem von ihr angestrebten Revisionsverfahren folgende Rechtsfrage geklärt haben möchte:

Ist die erstmalige Festsetzung und Erhebung von Kirchensteuer für mehrere zurückliegende Veranlagungszeiträume sachlich unbillig i.S. der §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 8 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz —KiStG— NRW), wenn der Kirchensteuerpflichtige bei einer zeitnahen Festsetzung und Erhebung der Steuer bereits im ersten Veranlagungszeitraum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus der Kirche ausgetreten wäre, um die Steuerpflicht zu beenden?

Diese Rechtsfrage hat nach Auffassung der Klägerin grundsätzliche Bedeutung, da der Bundesfinanzhof (BFH) sie bisher noch nicht entschieden habe und Fälle wie der Streitfall immer wieder vorkommen könnten.

Der Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten. Er hält sie für unbegründet.

II. Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob sich die von der Klägerin aufgezeigte Rechtsfrage noch in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle stellen wird und deshalb ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Das Mitglied einer Kirche, das —wie die Klägerin— seine Kirchensteuerpflicht und die einfache Möglichkeit ihrer kurzfristigen Beendigung kennt und das auch unbedingt bereit ist, zur Vermeidung von Kirchensteuerzahlungen aus der Kirche auszutreten, wird in der Regel seinen Austritt schon erklären, sobald es mit dem Entstehen einer Kirchsteuerschuld rechnen muss. Es wird mit dem Austritt aus der Kirche nicht —wie die Klägerin— warten, bis die für die Erhebung und Festsetzung der Steuer zuständigen Behörden Kenntnis vom Entstehen der Steuerschuld haben.

2. Doch selbst wenn unterstellt wird, Fälle wie der Streitfall seien keine seltenen Einzelfälle, hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Es ist offensichtlich, dass die Festsetzung und Erhebung der Kirchensteuer in Fällen wie dem Streitfall keine sachliche Unbilligkeit ist. Solange ein Mitglied einer Kirche in Kenntnis seiner Kirchensteuerpflicht und der Möglichkeit ihrer Beendigung durch einseitige Erklärung an seiner Mitgliedschaft festhält, entspricht es dem Gebot der Gleichbehandlung und ist es deshalb auch nicht sachlich unbillig, es wie die anderen Mitglieder mit entsprechenden Einkünften zur Steuerzahlung heranzuziehen.

Fundstelle(n):
VAAAA-68028