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Anordnung einer Bp während einer Kassen-Nachschau beim Anfangsverdacht einer Steuerstraftat?
Lange Zeit hat sich die Kassen-Nachschau (§ 146b AO) – mit Ausnahme in Niedersachsen – in einem „Dornröschenschlaf“ befunden. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und zuletzt die Grundsteuerreform wurden als Argumente genutzt, warum bundesweit nur wenige unangekündigte Kassen-Nachschauen erfolgten. 2023 soll sich dies ändern. Die Finanzbehörden haben ihre Prüferinnen und Prüfer mit der neuen Software Amadeus Verify geschult und beabsichtigen, nunmehr verstärkt gegen Nicht- bzw. Falscheingaben in elektronischen Aufzeichnungssystemen vorzugehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was beim Übergang von der Kassen-Nachschau zur Betriebsprüfung (§ 146b Abs. 3 AO) beachtet werden muss – insbesondere in den Fällen, wo bereits ein Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat vorliegt (§ 10 BpO).
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I. Umsetzung der Kassen-Nachschauen durch die Finanzverwaltung
[i]Teutemacher/Krullmann, Datenzugriffe und Prüfungsoptionen im Rahmen einer Kassen-Nachschau ? Erweiterte Analysemöglichkeiten durch neue Prüfsoftware der Finanzverwaltung, BBK 17/2021 S. 822 NWB OAAAH-87384 In der Zeit vor Ausbruch der Corona-Pandemie zählten Betriebsprüfungen bei bargeldintensiven Betrieben zu den Prüfungsschwerpunkten, insbesondere wegen fehlerhaften, wenn nicht sogar manipulierten Aufzeichnungen und Buchführungen (sog. Kassenmanipulationen). Nicht selten kam es dabei zur Einleitung von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren.
Seit dem sind flächendeckend elektronische Aufzeichnungssysteme im Einsatz, die die Geschäftsvorfälle mithilfe einer vom BSI zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) zum Schutz vor Manipulationen absichern und speichern. Die Finanzverwaltung führt seitdem verstärkt anlass- und begründungslose Kassen-Nachschauen i. S. des § 146b AO durch.S. 515
Diese dienen nicht nur der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben, sondern auch dazu festzustellen, welches Kassensystem die Steuerpflichtigen überhaupt nutzen oder ob die elektronischen Aufzeichnungssysteme entsprechend den Regelungen des § 146a Abs. 1 AO eingesetzt werden.
Geprüft wird auch, ob die zertifizierte TSE aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle (DSFinV-K) besteht und hierfür entsprechend gültige Zertifikate vorliegen.
Ergeben [i]Übergang zur Bp auch beim Verdacht einer Steuerstraftat?sich im Rahmen einer Kassen-Nachschau Feststellungen, die Anlass geben, zu einer Betriebsprüfung nach §§ 193 ff. AO überzugehen, ist dies ohne vorherige Prüfungsanordnung möglich (§ 146b Abs. 3 AO). Wenn aber die genannten Feststellungen den Anfangsverdacht einer Straftat begründen, darf dann auch noch zu einer Betriebsprüfung i. S. der §§ 193 ff. AO übergegangen werden?
II. Kassen-Nachschau vs. Betriebsprüfung
Die Kassen-Nachschau i. S. des § 146b AO wurde mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen neu ins Gesetz aufgenommen und gilt seit dem . Die Finanzverwaltung bzw. die von ihr betrauten Amtsträger können ohne vorherige Anmeldung – ohne Prüfungsanordnung und außerhalb einer Betriebsprüfung i. S. der §§ 193 ff. AO – Grundstücke und Räume von Gewerbetreibenden und sonstige selbständig Tätigen während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, um die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen, der Kassenbuchführung und deren Aufbewahrung zu prüfen. Ihr Zweck besteht in der repressiven Aufdeckung von Kassenmanipulationen.
[i]Prüfung von Kontrollmitteilungen im Rahmen einer Kassen-NachschauEine Kassen-Nachschau kann auch dazu genutzt werden, vorliegendes Kontrollmaterial oder Anzeigen zu überprüfen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Steuerhinterziehung noch nicht mit Sicherheit feststeht, denn dann besteht bereits ein strafrechtlicher Anfangsverdacht und die Kassen-Nachschau darf nicht zur Umgehung der Rechte des Steuerpflichtigen in einem Strafverfahren benutzt werden. Im Stadium einer vorliegenden Vermutung ist eine Kassen-Nachschau weiterhin zulässig.
Ein Anfangsverdacht liegt vor, wenn die Kenntnis von Tatsachen vorliegt, aus denen nach kriminalistischer Erfahrung auf eine Steuerstraftat geschlossen werden kann. Nicht ausreichend sind unverbürgte Gerüchte, bloße Vermutungen, statistische Häufigkeiten oder alleinige kriminalistische Hypothesen. Die reine Möglichkeit einer Steuerhinterziehung begründet keinen Anfangsverdacht.
Das Vorliegen eines Anfangsverdachts liegt im subjektiven Beurteilungsspielraum eines jeden Amtsträgers.
Zu [i]Einschaltung der Straf- und Bußgeldsachenstellebeachten ist auch bei einer Kassen-Nachschau der § 10 BpO (St): Ergeben sich während einer Kassen-Nachschau zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO), die der Ermittlung der Finanzbehörde obliegt, so ist die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten. Dies ist die S. 516Straf- und Bußgeldsachenstelle (STRABUST). § 10 BpO (St) verwendet hier den Begriff „Außenprüfung“, aber m. E. kann diese Vorschrift auch auf die Kassen-Nachschau übertragen werden.
[i]Rücksprache mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle ist auch erforderlichDaraus ergibt sich, dass bei Vorliegen eines Verdachts nicht ohne vorherige Rücksprache mit der STRABUST zu einer Außenprüfung – wie es § 146b Abs. 3 AO vorsieht – übergegangen werden darf.
In einem Beschluss vom hat sich der BFH dazu geäußert. Zusammenfassend lässt sich – abgewandelt auf die Kassen-Nachschau – feststellen, dass die Durchführung einer Kassen-Nachschau noch möglich ist, wenn bereits eine Vermutung besteht, der Steuerpflichtige könnte Steuern hinterzogen haben. Dabei darf die Steuerhinterziehung aber noch nicht mit Sicherheit feststehen.
[i]Beyer, Strafrechtliche Folgen bei der Manipulation elektronischer Kassenführung – BGH konkretisiert die Voraussetzungen einer Einziehung, BBK 23/2022 S. 1092 NWB TAAAJ-27078 Besteht bereits ein strafrechtlicher Anfangsverdacht, dann darf keine Kassen-Nachschau mehr durchgeführt werden. Ergeben sich im Rahmen der Kassen-Nachschau Feststellungen, die aus der Vermutung einen Anfangsverdacht entstehen lassen, darf nicht mehr zu einer Betriebsprüfung (§§ 193 ff. AO) übergangen werden.
Das Problem verdeutlicht das folgende Fallbeispiel.