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Rechnungslegung der Kleinstkapitalgesellschaften (HGB)
1. Anwendungsbereich
1.1. Größenkriterien
Der Begriff der „Kleinstkapitalgesellschaften“ ist seit der Novellierung des Handelsrechts durch das MicroBilG (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz) in § 267a HGB geregelt. Kleinstkapitalgesellschaften sind definiert als kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB), die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht überschreiten:
450.000 € Bilanzsumme,
900.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag,
im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer (§ 267a Abs. 1 Satz 1 f. HGB).
Im Falle der Umwandlung oder Neugründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Größenmerkmale am ersten Abschlussstichtag nach der Umwandlung oder Neugründung vorliegen (vgl. § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. mit § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Im Falle des Verzichts auf die Bilanzierung latenter Steuern (vgl. § 274a Nr. 4 HGB) gehen die aktiven latenten Steuern nicht in die Berechnung der Bilanzsumme ein (vgl. § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. mit § 267 Abs. 4a Satz 1 HGB). Ein auf der Aktivseite ausgewiesener Fehlbetrag wird nicht in die Bilanzsumme einbezogen (vgl. § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. mit § 267 Abs. 4a Satz 2 HGB). Im Übrigen gelten für die Ermittlung der Größenkriterien und der Rechtsfolgen § 267 Abs. 4–6 HGB analog (vgl. § 267a Abs. 1 Satz 2 HGB).
Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. des § 264d HGB gelten – unabhängig von der tatsächlichen Unternehmensgröße – stets als große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB).
Im Falle von Zweigniederlassungen von Kleinstkapitalgesellschaften richtet sich die Inanspruchnahme von Erleichterungen für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Kleinstkapitalgesellschaften nach den Regelungen im Sitzstaat der Kleinstkapitalgesellschaft (§ 325a Abs. 3 HGB).
Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften wurden – inflationsbedingt – die monetären Schwellenwerte in § 267a Abs. 1 HGB im April 2024 erhöht. Nach Art. 93 Abs. 1 EGHGB sind die erhöhten monetären Schwellenwerte des § 267a HGB erstmals auf Jahresabschlüsse und Lageberichte für das nach dem beginnende Geschäftsjahr anzuwenden; bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr sind diese erstmals zur Größenfeststellung zum heranzuziehen. Entsprechend der Praxis bei früheren Anhebungen sind die neuen Schwellenwerte auch bzgl. der Beurteilung des vorangegangenen Abschlussstichtags anzuwenden. Dementsprechend sind für die Größenklassifizierung einer Kapitalgesellschaft zum die erhöhten Schwellenwerte auch auf den Abschlussstichtag anzuwenden. Zusätzlich eröffnet Art. 93 Abs. 2 EGHGB das Wahlrecht die erhöhten monetären Schwellenwerte bereits auf das nach dem beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. In diesem Falle sind bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Geschäftsjahr zur Größenklassifizierung der Kapitalgesellschaft zum die erhöhten monetären Schwellenwerte auf die Abschlussstichtage und anzuwenden (vgl. Ollinger/Philippsen, StuB 8/2024, S. 284 f.).
Haller/Groß, Der MicroBilG-RegE – Vereinfachung der Rechnungslegung für Kleinstkapitalgesellschaften im Eiltempo, DB 2012 S. 2412
Haller/Groß, Der MicroBilG-RefE – Neue Regeln für die Rechnungslegung kleiner Kapitalgesellschaften, DB 2012 S. 2109
Kirsch, Jahresabschlüsse von Kleinstunternehmen, Regierungsentwurf zum MicroBilG beschlossen, DStZ 2012 S. 754
Kolb/Roß, Zweifelsfragen zum MicroBilG – unter Berücksichtigung des Referentenentwurfs des BilRUG, WPg 2014 S. 991
Ollinger/Philippsen, Auswirkungen der Anpassung der monetären Größenmerkmale auf handelsrechtliche Jahres- und Konzernabschlüsse,
Schubert u. a. in Grottel u. a. (Hrsg.), Beck’scher Bilanzkommentar, 13. Aufl. 2022, § 266
Theile/Eggert, Jahresabschluss der kleinen Kapitalgesellschaften, 3. Aufl. 2020
1.2. Ausschluss der Erleichterungsvorschriften für Kleinstkapitalgesellschaften
Die Inanspruchnahme der folgenden Erleichterungen
Verzicht auf die Aufstellung eines Anhangs (§ 264 Abs. 1 Satz 5 HGB),
Anwendung der auf Großbuchstaben verkürzten Bilanzgliederung (§ 266 Abs. 1 Satz 4 HGB),
Anwendung der verkürzten GuV-Gliederung (§ 275 Abs. 5 HGB),
Möglichkeit der Hinterlegung des Jahresabschlusses (§ 326 Abs. 2 HGB)
ist erstens davon abhängig, dass die Kleinstkapitalgesellschaft keine Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden zum beizulegenden Zeitwert vornimmt (§ 253 Abs. 1 Satz 5 HGB). Diese Anforderung folgt unmittelbar aus Art. 1a Abs. 4 der EU-Micro-Richtlinie. Daher sind ggf. bei Kleinstkapitalgesellschaften bestehende Altersversorgungsverpflichtungen, die sich ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert von Wertpapieren i. S. des § 266 Abs. 2 A. III. 5 HGB bestimmen, sowie Planvermögen nach § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB zu (fortgeführten) Anschaffungskosten zu bewerten, um die aufgeführten Erleichterungen in Anspruch zu nehmen (§ 253 Abs. 1 Satz 6 HGB).
Zweitens finden die Erleichterungsvorschriften für Kleinstkapitalgesellschaften nur Anwendung, wenn es sich nicht um folgende Gesellschaften handelt: