Verlegung des Familienwohnsitzes bei beiderseits berufstätigen Ehegatten und Beibehaltung einer Wohnung am Arbeitsort begründet keinen doppelten Haushalt
Leitsatz
Verlegen beiderseits berufstätige Ehegatten ihren Familienwohnsitz von dem Ort, an dem bisher beide gearbeitet haben, aus privaten Gründen - Errichtung eines Eigenheims - an einen anderen Ort, an dem nunmehr nur ein Ehegatte berufstätig ist, kann dieser die Umzugskosten nicht als Werbungskosten geltend machen. Der andere Ehegatte, der weiter an seiner bisherigen Arbeitstelle arbeitet und am Ort der Arbeitsstelle eine kleinere Wohnung bezieht, kann keine Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend machen.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr (1995) zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Ihre gemeinsame Wohnung befand sich bis Ende September des Streitjahres in der Nähe von A. Dort waren beide Ehegatten nichtselbständig tätig, die Klägerin bis Ende September des Streitjahres, der Kläger während des gesamten Streitjahres und darüber hinaus. Bereits im Jahr 1993 hatten die Kläger im Münsterland ein Baugrundstück erworben und aufgrund des Bauantrags vom Dezember 1994 im November des Streitjahres ihr Einfamilienhaus fertig gestellt und bezogen. Die Klägerin ist ab Oktober des Streitjahres bei einer…im Münsterland beschäftigt, der Kläger weiterhin in der Nähe von A. Er bezog dort im November eine kleinere Wohnung.
Die als Werbungskosten der Klägerin geltend gemachten Umzugskosten (3 274 DM) und als Werbungskosten des Klägers erklärten Kosten einer doppelten Haushaltsführung (2 020 DM) ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht zum Abzug zu, berücksichtigte aber Familienheimfahrten.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte mit abgekürztem Urteil (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), dessen Leitsatz in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 735 veröffentlicht ist, den Ausführungen des FA in seiner Einspruchsentscheidung. Dort hatte das FA die Auffassung vertreten, § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stehe der Berücksichtigung von Umzugskosten entgegen. Der Wohnungswechsel an den Heimatort des Klägers sei nicht vollzogen worden, weil die Klägerin dort Arbeit gefunden habe, sondern weil das bereits seit 1993 geplante Haus im November des Streitjahres fertig gestellt worden sei. Dementsprechend sei auch die doppelte Haushaltsführung nicht beruflich begründet worden.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 EStG. Für die Beurteilung von Werbungskosten spiele keine Rolle, welche Motivation dafür ausschlaggebend gewesen sei, einen bestimmten Arbeitsplatz zu wählen. Die freie Berufswahl und die freie Wahl des Arbeitsplatzes habe Verfassungsrang und dürfe nicht durch die Beschneidung von Werbungskosten reglementiert werden. Die neue Arbeitsstelle der Klägerin sei ca. 700 km von der alten Wohnung entfernt. Deshalb sei ein Wohnungswechsel zwangsläufig beruflich und nicht privat veranlasst. Hinsichtlich der doppelten Haushaltsführung des Klägers sei vom (BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321) auszugehen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung des Klägers und Umzugskosten der Klägerin zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt, weil sie durch die Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) veranlasst wurden.
Dies betrifft zunächst die Umzugskosten. Sie können als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nur abgezogen werden, wenn sie nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sind, private Gründe also allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle spielen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585, m.w.N.). Im Streitfall war aber nicht der Arbeitsplatzwechsel der Anlass für den Umzug, sondern der Hausbau und der damit verbundene Umzug der alleinige Anlass für den Arbeitsplatzwechsel. Diesen Schluss hat das FG aus der Abfolge der Ereignisse gezogen, indem es der Begründung der Einspruchsentscheidung nach § 105 Abs. 5 FGO gefolgt ist. Er bindet —weil nahe liegend, jedenfalls aber möglich— den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO. Entgegen der Revision kommt es auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung nur dann nicht an, wenn —was hier nicht der Fall ist— die berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig feststeht (so BFH-Urteil in BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585).
Aus den nämlichen Gründen kann der Kläger keine Aufwendungen als Werbungskosten absetzen, die ihm wegen doppelter Haushaltsführung entstanden sind, fehlt es doch am beruflichen Anlass ihrer Begründung i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision nicht aus dem BFH-Urteil in BFHE 158, 527, BStBl II 1990, 321; denn dort wurde ein doppelter Haushalt infolge eines Arbeitsplatzwechsels begründet. Aus der Entscheidung ergibt sich indes nicht, dass eine doppelte Haushaltsführung bei beiderseits berufstätigen Ehegatten immer zu berücksichtigen sei, unabhängig davon, warum es zum Verlegen des Familienwohnsitzes gekommen ist (vgl. z.B. , BFHE 180, 136, BStBl II 1996, 315).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1273 Nr. 7
EStB 2006 S. 213 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2006 S. 1659
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 6
TAAAB-82743