BFH Beschluss v. - I B 92/99

Instanzenzug: BVerfG 2 BvR 1825/00

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Regelung, die das Bayerische Kirchensteuergesetz (BayKiStG) in der seit dem geltenden Fassung für die Steuerfestsetzung in glaubensverschiedenen Ehen trifft.

Die verheiratete und in Bayern wohnhafte Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gehörte im Streitjahr (1996) der römisch-katholischen Kirche an; ihr Ehemann war nicht Mitglied einer umlageberechtigten Religionsgemeinschaft. Demgemäß veranlagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das römisch-katholische Kirchensteueramt —Beklagter—) die Klägerin für das Streitjahr in der Weise zur Kirchensteuer, dass die Steuer nach dem Verhältnis der von der Klägerin erzielten Einkünfte zu den Gesamteinkünften beider Ehegatten bemessen wurde. Diese Vorgehensweise entspricht, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, der Regelung in Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 Satz 2

BayKiStG.

Die Klägerin hält die genannte Vorschrift indessen für verfassungswidrig. Sie begehrt deshalb eine Festsetzung der Kirchensteuer auf der Basis der bis zum geltenden Gesetzeslage. Ihre darauf gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Beklagte ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung:

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, die das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 7, m.w.N.). Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden worden ist oder sich ihre Beantwortung unmittelbar aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu anderen Gestaltungen ableiten lässt. In einer solchen Situation kann eine grundsätzliche Bedeutung nur vorliegen, wenn gewichtige Gesichtspunkte vorhanden sind, die in der bislang vorliegenden Rechtsprechung nicht berücksichtigt worden sind und eine erneute Überprüfung jener Rechtsprechung erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 9, m.w.N.).

2. Im Streitfall besteht ein Bedürfnis nach einer höchstrichterlichen Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage nicht. Diese Frage ist vielmehr durch die bereits vorliegende Rechtsprechung zur Kirchensteuer bei glaubens- und konfessionsverschiedenen Ehen geklärt:

a) Speziell zu der von der Klägerin angesprochenen Problematik der Verfassungsmäßigkeit des Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 BayKiStG haben zwar bislang weder der Bundesfinanzhof (BFH) noch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Stellung genommen. Der Senat hat jedoch sowohl die Vorgängervorschrift der im Streitfall anzuwendenden Regelung (Senatsurteil vom I R 68/96, BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545) als auch vergleichbare Normen in anderen Kirchensteuergesetzen (Senatsurteil vom I R 41/97, BFH/NV 1998, 1262) wiederholt für verfassungsgemäß erachtet. Darüber hinaus hat er in seinem Urteil vom I R 85/94 (BFHE 177, 303, BStBl II 1995, 547) eine Regelung des nordrhein-westfälischen Kirchensteuerrechts für unbedenklich gehalten, nach der bei konfessionsverschiedenen Ehen die Kirchensteuer nach der Hälfte der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer bemessen wird. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich unmittelbar ableiten, dass die hier zu beurteilende Regelung ebenfalls mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

Denn nach der —vom Senat gebilligten— bis zum in Bayern geltenden Regelung war bei glaubensverschiedenen Ehen die Kirchensteuer des umlagepflichtigen Ehegatten mit Hilfe einer fiktiven getrennten Veranlagung der Ehegatten zur Einkommensteuer zu berechnen (vgl. hierzu , Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1178). Bei dieser Vorgehensweise wirkten sich vom Grundsatz her die Besteuerungsmerkmale des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten in vollem Umfang, diejenigen des anderen Ehegatten hingegen gar nicht aus; eine Ausnahme von diesem Grundsatz kam lediglich für die in § 26a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Beträge in Betracht. Es handelte sich mithin dort um eine überwiegend auf den einzelnen Ehegatten bezogene Konzeption, bei der die Verhältnisse des anderen Ehegatten nur in Randbereichen in die Bemessung der Kirchensteuer eingingen. Dagegen ging die —ebenfalls durch den Senat bestätigte— Regelung des nordrhein-westfälischen Kirchensteuergesetzes dahin, dass die Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft begriffen wurde und auf dieser Basis alle steuerbegründenden und -mindernden Merkmale beiden Ehegatten jeweils zur Hälfte zugerechnet wurden. Mithin konnten sich hier für den kirchensteuerpflichtigen Ehegatten z.B. auch die Einkünfte des anderen Ehegatten steuererhöhend auswirken. Indem der Senat beide Bemessungssysteme als verfassungsgemäß beurteilt hat, ist er zugleich erkennbar davon ausgegangen, dass in diesem Punkt ein weiter gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum besteht (Urteil in BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545, 546) und dass sachgerechte Zwischenlösungen ebenfalls als unbedenklich angesehen werden müssen.

b) Um eine solche Zwischenlösung handelt es sich bei der im Streitfall zu beurteilenden Regelung. Diese läuft nämlich darauf hinaus, dass einerseits hinsichtlich der Einkünfte an die Verhältnisse der einzelnen Ehegatten angeknüpft wird, während sich andererseits die tatsächliche Verteilung der übrigen einkommensteuerwirksamen Umstände —speziell der Sonderausgaben und der außergewöhnlichen Belastungen— nicht auf der Bemessung der Kirchensteuer des kirchenangehörigen Ehegatten auswirkt. Das nunmehr in Bayern geltende Recht enthält mithin im ersten Punkt eine —der früheren Regelung entsprechende— individuelle Komponente, während sie im zweiten Punkt stärker auf das Bild der Ehe als Wirtschafts- und Leistungsfähigkeitsgemeinschaft abstellt. Damit liegt diese Lösung erkennbar innerhalb derjenigen Bandbreite, die der Senat dem Gesetzgeber für die Gestaltung kirchensteuerrechtlicher Regelungen zugestanden hat. Daraus folgt, dass sie von der bereits vorliegenden Rechtsprechung abgedeckt wird.

c) Vor diesem Hintergrund könnte ein Klärungsbedürfnis und damit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur dann gegeben sein, wenn es im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung gewichtige Umstände gäbe, die in der zitierten Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt worden sind. Solche Umstände sind nicht erkennbar und insbesondere auch von der Klägerin nicht bezeichnet worden. Die Klägerin hat sich zwar zur Stützung ihres Anliegens darauf berufen, dass es nach der Rechtsprechung des BVerfG mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei, wenn die Kirchensteuer des einer steuerberechtigten Konfession angehörenden Ehegatten nach der Hälfte der zusammengerechneten Einkommensteuer beider Ehegatten bemessen werde , BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196). Das reicht zur Darlegung eines Klärungsbedürfnisses jedoch schon deshalb nicht aus, weil der Senat sich schon in seinem Urteil in BFHE 177, 303, BStBl II 1995, 547 mit dieser Rechtsprechung ausführlich auseinandergesetzt hat. Der Vortrag der Klägerin läuft letztlich allein darauf hinaus, dass die damals gewonnene Einschätzung unrichtig sei. Irgendwelche Gesichtspunkte oder Überlegungen, die seinerzeit nicht beachtet worden wären und ein erneutes Überdenken der zitierten Entscheidung erforderlich machen könnten, ergeben sich hieraus nicht.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
SAAAA-65343