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InfoCenter - Stand: 22.01.2021

Erlass aus Billigkeitsgründen

Catrin Geißler
Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus

Wird dem Finanzamt bis zum aufgrund einer Mitteilung des Vollstreckungsschuldners bekannt, dass der Vollstreckungsschuldner nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist, soll bis zum von Vollstreckungsmaßnahmen bei bis zum fällig gewordenen Steuern abgesehen werden. In diesen Fällen sind die im Zeitraum vom bis zum entstandenen Säumniszuschläge grundsätzlich zu erlassen. Bei Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung ist in den Fällen der Ziffer 2.1 eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs für die bis zum fälligen Steuern längstens bis zum einschließlich des Erlasses der bis dahin insoweit entstandenen Säumniszuschläge möglich. Die Finanzämter können den Erlass der Säumniszuschläge durch Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 AO) regeln.

I. Definition des Erlasses aus Billigkeitsgründen

[i]

Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Dabei kann der Steueranspruch aus sachlichen oder persönlichen Gründen erlassen werden. Durch den Erlass erlischt die Steuerschuld, § 47 AO.

Darüber hinaus gibt es in Einzelgesetzen spezielle Erlassvorschriften:

  • § 32 GrStG (Grundsteuererlass für Kulturgüter und Grünanlagen),

  • § 33 GrStG (Grundsteuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung),

  • § 34c Abs. 5 EStG (Steuererlass bei ausländischen Einkünften).

Zu unterscheiden ist der Erlass aus Billigkeitsgründen gem. § 227 AO von der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO), z. B. . Beim Erlass bleibt die Steuerfestsetzung unberührt.

II. Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis

Erlassen werden können alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO ), diese sind im Einzelnen:

Ein häufiger Anwendungsfall des § 227 AO ist der Erlass von Säumniszuschlägen.

Über eine Verweisnorm ist der abgabenrechtliche Erlass auch anwendbar für die Rückforderung von:

III. Sachliche Billigkeitsgründe

Der Steueranspruch kann erlassen werden, soweit sachliche Billigkeitsgründe vorliegen. Allein die Belastung mit einer Steuer, die durch Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes entsteht, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss im Einzelfall in der Geltendmachung des gesetzmäßigen Steueranspruches eine darüber hinausgehende Härte liegen.

Sachlich unbillig ist die Einziehung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint.

Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn

  • nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann,

  • dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt,

  • im Sinne der beantragten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (sog. Gesetzesüberhang).

    Dagegen rechtfertigen Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, einen Billigkeitserlass nicht, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben.

Die Billigkeitsprüfung muss alle Normen berücksichtigen, auf die sich der Steueranspruch stützt. Die Gesamtbetrachtung kann dazu führen, dass einzelne, rechtmäßige und billige Rechtsfolgen in der Gesamtheit zu einem unbilligen Ergebnis führen, das durch einen Billigkeitserlass korrigiert werden muss. Daher kann z.B. die Erhebung eines Einkommensteueranspruchs sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld führt, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde liegt.

Allein die Verfassungswidrigkeit eines Steuergesetzes rechtfertigt keinen Billigkeitserlass, da hier der Rechtsweg beschritten werden muss.

Sachliche Unbilligkeit kommt insbesondere in folgenden Fällen in Betracht:

  • Ein unanfechtbarer, belastender Verwaltungsakte ist offensichtlich und eindeutig fehlerhaft ist und der Steuerpflichtige hat das seinerseits Erforderliche getan hat, um die richtige Festsetzung zu erreichen oder es war ihm nicht möglich oder nicht zumutbar, sich gegen die Fehlerhaftigkeit der Festsetzung mit dem hierfür vorgesehenen Rechtsbehelf zu wehren.

  • Die Besteuerung eines aus der Auflösung des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten resultierenden Veräußerungsgewinns ist sachlich unbillig, wenn dem negativen Kapitalkonto Verluste zugrunde liegen, die der Steuerpflichtige wegen des Ausgleichs- und Abzugsverbots z.B. für gewerbliche Tierzucht und -haltung nicht hatte verrechnen können.

  • Sachlich unbillig kann auch ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht des Finanzamtes sein, wenn es hierdurch gegen seine Fürsorgepflicht verstößt. Kann daher bei einem eindeutigen Verstoß der Finanzbehörden gegen die Fürsorgepflicht dem Steuerpflichtigen nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) oder durch Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geholfen werden, so kann es geboten sein, die zu Unrecht festgesetzte Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (AEAO zu § 89 Nr. 1.2).

  • Säumniszuschläge, die auf einer materiell rechtswidrigen und deswegen auf Grund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen geänderten Jahressteuerfestsetzung beruhen, sind aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige insoweit die AdV der Vorauszahlungsbescheide erreicht hat und die – weitere – AdV dieser Beträge nach Ergehen des Jahressteuerbescheides allein an den Regelungen der §§ 361 Abs. 2 S. 4 AO und 69 Abs. 2 S. 8 FGO (keine AdV der Jahressteuerschuld i.H.d. festgesetzten Vorauszahlungen) scheitert.

  • Säumniszuschläge sind wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung später aufgehoben wird und der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV des Steuerbescheids zu erreichen, das FA oder das FG aber die Aussetzung „obwohl möglich und geboten“ abgelehnt hat, in diesem Fall ist das Ermessen auf 0 reduziert.

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