Verfassung bietet keine Erhöhung des Kindergeldes auf 265 Euro pro Monat
Leitsatz
Aus Art. 6 Abs. 1 GG i. V. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf Kindergeld im Kalenderjahr 2002 in Höhe von 265 ? monatlich, wie dies der Deutsche Familienverband in seiner Stellungnahme vom Juni 2001 für angemessen gehalten hat.
Gesetze: EStG § 66; GG Art. 6; GG Art. 20
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 6 K 2294/03
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt für seine im September 1988 geborene Tochter X im Kalenderjahr 2002 Kindergeld in der gesetzlich vorgesehenen Höhe von 154 € monatlich.
Mit seinem Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung im Juni 2002 machte der Kläger erfolglos geltend, die Höhe des Kindergeldes entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, mit der der Kläger Kindergeld für X von 265 € pro Monat begehrte. Das FG führte aus, dem Kläger stehe für X nach § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr gültigen Fassung lediglich Kindergeld in Höhe von 154 € monatlich zu. Die gesetzliche Regelung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) auch verfassungsmäßig.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Er trägt im Wesentlichen vor, das Kindergeld müsse unter Berücksichtigung von Art. 6 und Art. 20 des Grundgesetzes (GG) in realitätsgerechter Höhe mindestens 265 € monatlich betragen, wie dies der Deutsche Familienverband in seiner Stellungnahme vom Juni 2001 für angemessen halte. Das angestrebte Revisionsverfahren diene zur Klärung der verfassungsrechtlich notwendigen Höhe des Kindergeldes als Sozialleistung. Diese sei vom Gesetzgeber nicht realitätsgerecht und damit gegenüber dem tatsächlichen Aufwand einer Familie nicht folgerichtig als Sozialleistung bemessen. Der Gesetzgeber und überwiegende Teile der Literatur, welche die bisherige Regelung für verfassungsgemäß hielten, ließen außer Acht, dass ein umfangreiches Gebot zur Förderung und Erhaltung der Familien vom Staat im Interesse der Erhaltung des Gemeinwesens erforderlich sei, um die Strukturen des Staates erhalten zu können. Die jetzige Regelung werde dem verfassungsrechtlichen Auftrag, eine Chancengerechtigkeit und -gleichheit des Familienleistungsausgleichs zu erreichen, nicht gerecht. Derzeit stehe im Vordergrund, lediglich den steuer- und existenzrechtlich notwendigen Ausgleich des steuerfreien Existenzminimums sicherzustellen. Der Blickwinkel auf die tatsächlich notwendige Förderung der Familie sei dabei offensichtlich verloren gegangen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
Die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist das Existenzminimum des Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung von der Einkommensteuer freizustellen. Die Freistellung wird durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG) bewirkt (§ 31 Satz 1 EStG). Wird die Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang erreicht, sind bei der Einkommensteuerveranlagung die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG) und die erhaltenen Kindergeldbeträge zu verrechnen (§ 31 Satz 6 EStG). Soweit das Kindergeld höher ist als zur Freistellung von der Einkommensteuer erforderlich, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG).
Je nachdem, ob das Kindergeld der steuerlichen Freistellung oder der Förderung der Familien dient, gelten unterschiedliche verfassungsrechtliche Maßstäbe. Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung des Familienexistenzminimums von der Einkommensteuer ist der Gesetzgeber stärker gebunden als bei Maßnahmen der darreichenden Verwaltung wie bei der Förderung der Familie (Beschlüsse des , BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005 Beilage 1, 33, und vom 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005 Beilage 3, 260, jeweils m.w.N.).
Aus der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergibt sich zwar das Gebot zum Ausgleich familienbedingter finanzieller Belastungen. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung darüber, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz der Familie verwirklicht, aber ein Gestaltungsspielraum zu. Er ist insoweit gebunden, als er bei der Abgrenzung der Leistungsempfänger nicht sachwidrig unterscheiden darf (Beschlüsse des BVerfG in BVerfGE 110, 412, BFH/NV 2005 Beilage 1, 33; vom 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005 Beilage 2, 114, und in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005 Beilage 3, 260). Weder Art. 6 Abs. 1 GG noch dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG lässt sich ein Anspruch auf Erhalt von Kindergeld zur Förderung der Familie in einer bestimmten Höhe herleiten (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2004, 692, m.w.N.). Die Höhe des Kindergeldes ist daher auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber gemäß den Vorgaben des BVerfG neben dem Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes ab dem Jahr 2000 einen Betreuungsfreibetrag bzw. ab dem Jahr 2002 einen Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes eingeführt, das Kindergeld aber nicht in entsprechendem Umfang erhöht hat (, BFH/NV 2003, 1303, zur Rechtslage im Jahr 2000, bestätigt durch den Kammerbeschluss des BVerfG in HFR 2004, 692). Ebenso wenig ist verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass sich durch die Neuregelung der Anteil derjenigen Steuerpflichtigen erhöht hat, bei denen die gebotene steuerliche Freistellung nicht schon durch das Kindergeld, sondern erst durch den Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bewirkt wird (Kammerbeschluss des BVerfG in HFR 2004, 692).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2007 S. 1114
QAAAC-40977