Zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer
Leitsatz
Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist.
Instanzenzug: Conseil d'État (Frankreich) - (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der VELECLAIR SA (im Folgenden: Véleclair) und dem Ministre du Budget, des Comptes publics et de la Réforme de l'État (Minister für Haushalt, öffentliche Finanzen und die Reform des Staates) über eine nationale Regelung, die das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen Zahlung dieser Steuer abhängig macht.
Rechtlicher Rahmen
Sechste Richtlinie
Art. 10 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Im Sinne dieser Richtlinie gilt als
a) Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
b) Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann."
In Art. 10 Abs. 2 und 3 der Sechsten Richtlinie heißt es weiter:
"(2) Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird.
...
Abweichend von den vorstehenden Bestimmungen können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder für Gruppen von Steuerpflichtigen zu den folgenden Zeitpunkten entsteht:
- entweder spätestens bei der Ausstellung der Rechnung oder des an deren Stelle tretenden Dokuments,
- oder spätestens bei der Vereinnahmung des Preises,
- oder im Falle der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung oder des an deren Stelle tretenden Dokuments, binnen einer bestimmten Frist nach dem Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands.
(3) Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt. Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Artikel 7 Absatz 3, so treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesen Regelungen nicht mehr unterliegen.
Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, so treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Tatbestand und der Anspruch dieser gemeinschaftlichen Abgaben entstehen.
In den Fällen, in denen die eingeführten Gegenstände keiner dieser gemeinschaftlichen Abgaben unterliegen, wenden die Mitgliedstaaten die für Zölle geltenden Vorschriften über den Steuertatbestand und den Steueranspruch an."
Art. 17 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
b) die Mehrwertsteuer, die für eingeführte Gegenstände im Inland geschuldet wird oder entrichtet worden ist,
..."
Art. 18 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht Folgendes vor:
"(1) Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige
...
b) über die nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe b) abziehbare Steuer ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzen, das ihn als Empfänger oder Importeur ausweist und aus dem sich der geschuldete Steuerbetrag ergibt oder auf Grund dessen seine Berechnung möglich ist;
...
(2) Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Erklärungszeitraum schuldet, den Betrag der Steuer absetzt, für die das Abzugsrecht entstanden ist, und wird nach Absatz 1 während des gleichen Zeitraums ausgeübt.
..."
Art. 21 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Die Mehrwertsteuer schuldet
...
2. bei der Einfuhr: die Person oder Personen, die vom Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bezeichnet oder anerkannt wird oder werden."
Nationales Recht
Artikel 271 Abs. 2 Nr. 1 des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) bestimmt:
"Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke ihrer besteuerten Umsätze verwendet werden und unter der Voraussetzung, dass für diese Umsätze ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, können die Steuerschuldner abziehen:
...
b) die Steuer, die bei der Einfuhr erhoben wird.
...."
In Art. 291 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a CGI heißt es:
"Als Einfuhr von Waren wird angesehen:
a) das Verbringen eines Gegenstands mit Ursprung in oder Herkunft aus einem nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Staat oder Gebiet nach Frankreich, wenn der Gegenstand nicht in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wurde ..."
Art. 293 A Nr. 1 CGI bestimmt:
"Bei der Einfuhr treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der Gegenstand als eingeführt im Sinne des Art. 291 Abs. 1 Nr. 2 angesehen wird.
...
Die Steuer ist von der Person zu entrichten, die auf der Einfuhrerklärung als tatsächlicher Empfänger der Ware bezeichnet ist.
..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Véleclair führte in den Jahren 1992-1995 Fahrräder ein, wobei sie als deren Ursprung Vietnam angab. Die französische Zollverwaltung ging dagegen davon aus, dass die Fahrräder in Wirklichkeit aus China stammten, und erstellte daher ein Protokoll wegen falscher Herkunftsangaben. Daraufhin wurden von Véleclair Zölle und Antidumpingzölle in Höhe von knapp 4 Mio. Euro erhoben, worauf wiederum Mehrwertsteuer in Höhe von 735 437 Euro entfiel.
Véleclair entrichtete diese Mehrwertsteuer nicht und die Zollverwaltung informierte hierüber die Finanzverwaltung, die somit eine Forderung gegen Véleclair hatte. Mit Beschluss vom stellte der Konkursrichter die Präklusion der Forderung fest, da diese nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Veröffentlichung der Insolvenz von Véleclair endgültig angemeldet worden sei. Diese Entscheidung wurde am in letzter Instanz von der Cour de cassation bestätigt.
Véleclair stellte einen Erstattungsantrag in Höhe von 723 503,37 Euro, was dem abziehbaren Mehrwertsteuerguthaben entsprach, auf das sie ihrer Meinung nach am 31. Dezember 1997 aufgrund der Erhöhung der Einfuhrmehrwertsteuer auf die hinterzogenen Zölle Anspruch hatte.
Dieser Antrag wurde von der Finanzverwaltung mit der Begründung abgewiesen, dass die Abzugsfähigkeit der Einfuhrmehrwertsteuer nach dem CGI von deren vorheriger Zahlung durch den Steuerschuldner abhängig sei. Diese Auffassung der Finanzverwaltung wurde im ersten Rechtszug vom Tribunal administratif d'Orléans bestätigt. Da die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung zur Cour administrative de Nantes ebenfalls zurückgewiesen wurde, legte Véleclair Kassationsbeschwerde beim Conseil d'État ein.
Vor diesem Gericht machte Véleclair geltend, dass die Ausübung ihres Abzugsrechts nicht von der vorherigen Zahlung der von ihr geschuldeten Steuer abhängig gemacht werden dürfe, weil Art. 271 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b CGI, wonach das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer von deren tatsächlicher Vereinnahmung durch die Finanzverwaltung und nicht allein vom Steueranspruch abhängig sei, mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie unvereinbar sei.
Unter diesen Umständen hat der Conseil d'État das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Erlaubt Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie einem Mitgliedstaat, das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer, insbesondere angesichts des Betrugsrisikos, von der tatsächlichen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn der Steuerschuldner der Einfuhrmehrwertsteuer und der zu ihrem Abzug Berechtigte, wie in Frankreich, ein und dieselbe Person sind?
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist.
Zur Beantwortung dieser Frage ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Steuerpflichtige nach dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie befugt ist, die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für eingeführte Gegenstände "geschuldet wird oder entrichtet worden ist".
Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift, der den von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie verwendeten Ausdruck aufgreift, wonach die Steuerpflichtigen berechtigt sind, die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für Gegenstände "geschuldet wird oder entrichtet worden ist", die ihnen geliefert worden sind oder werden, betrifft das Recht des Steuerpflichtigen auf Steuerabzug eindeutig nicht nur die Mehrwertsteuer, die er entrichtet hat, sondern auch die von ihm geschuldete, d. h. die von ihm noch zu entrichtende Mehrwertsteuer.
Wie die Generalanwältin in den Nrn. 56 bis 58 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich der Begriff "geschuldet" auf eine rechtlich durchsetzbare Steuerschuld und setzt somit voraus, dass der Steuerpflichtige zur Zahlung des Mehrwertsteuerbetrags, den er als Vorsteuer abziehen möchte, verpflichtet ist.
Zudem hätte der Unionsgesetzgeber, wenn er das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner hätte abhängig machen wollen, dies explizit dadurch tun können, dass er beispielsweise in Art. 17 den Begriff "geschuldet" weggelassen hätte.
Des Weiteren ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie, dass das Recht auf Mehrwertsteuerabzug unabhängig davon entsteht, ob die für den oder die eingeführten Gegenstände geschuldete Gegenleistung gezahlt worden ist.
Folglich kann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht werden, dass diese Mehrwertsteuer zuvor tatsächlich gezahlt worden ist.
Zweitens ist festzustellen, dass diese Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie durch andere Bestimmungen der Sechsten Richtlinie gestützt wird.
Zum einen ist Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, in dem, wie aus Randnr. 19 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ebenfalls der Ausdruck "geschuldet oder entrichtet" verwendet wird, dahin zu verstehen, dass es für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung ist, ob die Mehrwertsteuer, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnr. 54).
Zum anderen beschränkt sich Art. 18 ("Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug") der Sechsten Richtlinie, wie die Generalanwältin in Nr. 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, darauf, in seinem Abs. 1 Buchst. b vorzusehen, dass der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, nur ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzen muss, das ihn als Empfänger oder Importeur ausweist und aus dem sich der geschuldete Steuerbetrag "ergibt oder auf Grund dessen seine Berechnung möglich ist". Somit ist selbst die Ausübung dieses Abzugsrechts nicht von der tatsächlichen vorherigen Zahlung der Einfuhrmehrwertsteuer abhängig.
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass die vorstehende Auslegung mit den Zielen der Sechsten Richtlinie vereinbar ist, da durch sie sichergestellt werden kann, dass das Abzugsrecht, das grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann, integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer bleibt, und weiterhin für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, Slg. 2006, I-6161, Randnr. 47).
Außerdem kann durch diese Auslegung am besten gewährleistet werden, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird.
Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. u. a. Urteil Kittel und Recolta Recycling, Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Aus den von der Generalanwältin in den Nrn. 39 bis 42 ihrer Schlussanträge ausführlich dargelegten Gründen würde dem Steuerpflichtigen, wenn das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer davon abhängig gemacht würde, dass diese Steuer zuvor tatsächlich gezahlt wurde, für eine gewisse Zeit eine von ihm nicht zu tragende wirtschaftliche Belastung auferlegt, die durch das Abzugssystem gerade vermieden werden soll.
Diese Auslegung wird auch nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt, dass ohne die tatsächliche vorherige Zahlung der Einfuhrmehrwertsteuer die Gefahr der Mehrwertsteuerhinterziehung oder des Missbrauchs bestünde.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird. Wer einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, muss beweisen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Wenn die Finanzverwaltung feststellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise ausgeübt wurde, so ist sie befugt, rückwirkend die Zahlung der abgezogenen Beträge zu verlangen. Außerdem hat das nationale Gericht den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Aktenlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise geltend gemacht wird (vgl. u. a. Urteil Kittel und Recolta Recycling, Randnrn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ferner kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass eine Einfuhr ein Vorgang sei, bei dem die Gefahr der Steuerhinterziehung oder des Missbrauchs größer sei. Bei der Einfuhr eines Gegenstandes handelt es sich nämlich um einen physischen Akt, der von der zuständigen Verwaltung bescheinigt wird und von ihr bei der Gestellung des Gegenstandes überprüft werden kann.
Schließlich erhöht sich die Gefahr der Steuerhinterziehung oder des Missbrauchs auch nicht dadurch, dass der Schuldner der Einfuhrmehrwertsteuer zugleich der zum Abzug dieser Steuer Berechtigte ist. Vielmehr ist diese Situation, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, dadurch, dass der Schuldner der Einfuhrmehrwertsteuer und der zu ihrem Abzug Berechtigte ein und dieselbe Person sind, der Situation ähnlich, die sich im Rahmen des Systems der Selbstveranlagung zur Mehrwertsteuer nach der Sechsten Richtlinie ergibt. Wie der Unionsgesetzgeber im 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) noch einmal hervorgehoben hat, erlaubt dieses System, die bei bestimmten Arten von Umsätzen festgestellten Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen.
Aufgrund der vorstehenden Erwägung ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, das Recht auf Abzug der Einfuhrmehrwertsteuer von der tatsächlichen vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2013 II Seite 941
PAAAE-06305