Steuerberater sind ab zur aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) verpflichtet; Anforderungen an einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Kenntnis des Steuerberaters von der Möglichkeit der Priorisierung der Registrierung („fast lane“)
Leitsatz
1. Steuerberatern steht seit dem mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung, so dass sie in finanzgerichtlichen Verfahren seit diesem Zeitpunkt vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen als elektronische Dokumente übermitteln müssen.
2. Beantragt ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung seiner Registrierung (sog. fast lane) Gebrauch gemacht hat.
Gesetze: FGO § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2; FGO § 52d Satz 1 und 2; FGO § 56; FGO § 62 Abs. 2 Satz 1; StBerG § 86d; StBerG § 157e;
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Urteil vom ab. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, einem Steuerberater, am zugestellt. Mit am (per Telefax) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schreiben hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Am beantragte sie per Telefax die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde um einen weiteren Monat. Diese Verlängerung wurde ihr mit Schreiben vom gewährt.
2 Am ging beim BFH die Beschwerdebegründung vom per Telefax ein. Danach wies die Senatsgeschäftsstelle die Klägerin mit Schreiben vom darauf hin, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln seien und die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht genüge. Auf § 52d Satz 3 und 4 sowie § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wurde hingewiesen.
3 Mit einem —von einem unterbevollmächtigten Rechtsanwalt elektronisch eingereichten— Schriftsatz vom legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Begründung vom erneut —diesmal in elektronischer Form (per besonderem elektronischem Anwaltspostfach —beA—)— vor und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO). Der Prozessbevollmächtigte trägt vor, eine elektronische Einreichung der Beschwerdebegründung sei nicht möglich gewesen, weil das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht eingerichtet gewesen sei. Die Einrichtung durch die Steuerberaterkammer erfolge im ersten Quartal 2023 in alphabetischer Reihenfolge. Der auf den datierende Registrierungsbrief der Bundessteuerberaterkammer sei erst am beim Prozessbevollmächtigten eingegangen. Die Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware hätten bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am nicht realisiert werden können.
4 Beigefügt war ein Schreiben der Steuerberaterkammer X vom , in dem darauf hingewiesen wird, dass für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, die Möglichkeit besteht, sich für eine Priorisierung (sog. fast lane) anzumelden. Vortrag dazu, weshalb die Möglichkeit der „fast lane“ nicht genutzt worden ist, enthält der Antrag nicht.
5 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Revision gegen das zuzulassen.
6 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
7 Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die Beschwerdebegründungsfrist versäumt und nicht hinreichend dargelegt, dass sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden daran gehindert war, die Beschwerdebegründung fristgerecht elektronisch per beSt einzureichen.
8 1. Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt.
9 a) Das Urteil des FG ist der Klägerin am zugestellt worden. Die antragsgemäß verlängerte Frist zur Begründung der form- und fristgerecht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde lief gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und 4 FGO am ab.
10 b) Die per beA eingereichte Beschwerdebegründung vom ist verspätet eingegangen und hat die Frist nicht gewahrt.
11 c) Die am per Telefax eingegangene Beschwerdebegründung ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere eine Fristwahrung aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI B 8/22, BFH/NV 2022, 1057, Rz 12; vom - VIII S 3/22, BFHE 276, 566, BStBl II 2023, 83, Rz 9; vom - VIII B 88/22, juris, Rz 6).
12 aa) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 FGO zur Verfügung steht; ausgenommen sind nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 oder Nr. 2 FGO vertretungsbefugte Personen.
13 bb) Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Steuerberater steht seit dem ein sicherer Übermittlungsweg i.S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung; denn seit dem (§ 157e des Steuerberatungsgesetzes —StBerG—) richtet die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit ein (§ 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG). Steuerberater sind mit der Einrichtung des Postfachs, spätestens aber ab diesem Zeitpunkt, nach § 52d Satz 2 FGO nutzungspflichtig (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2022, 1057, Rz 9; s.a. Brandis in Tipke/Kruse, § 52d FGO Rz 1; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52d FGO Rz 15; Rauch, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2022, 949, 951; Peters, juris PraxisReport Steuerrecht 45/2022 Anm. 2; Pohl, Die Steuerberatung 2022, 426, 429). Dies ist vorliegend nicht geschehen, so dass das Telefax die Begründungsfrist nicht gewahrt hat.
14 2. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden daran gehindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten.
15 a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
16 aa) Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom - XI R 40/11, BFH/NV 2013, 213, Rz 14; vom - XI R 15/18, BFH/NV 2021, 29, Rz 18).
17 bb) Jedes Verschulden —mithin auch einfache Fahrlässigkeit— schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom - I R 38/09, BFH/NV 2010, 1283; vom - XI R 48/10, BFH/NV 2013, 212, Rz 12). Nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 Satz 1 FGO muss sich jeder Beteiligte das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. z.B. , BFH/NV 2019, 924, Rz 7); ein beim Prozessbevollmächtigten angestellter, verantwortlich tätiger Steuerberater, der nicht nur unselbständige Hilfs- und Bürotätigkeiten ausübt, ist insoweit einem Bevollmächtigten i.S. des § 85 Abs. 2 ZPO gleichgestellt (vgl. , BFH/NV 2020, 907, Rz 23, m.w.N.).
18 b) Ausgehend davon erfüllt der Wiedereinsetzungsantrag vom bereits die o.g. Darlegungsanforderungen nicht. Der Antrag erläutert nicht, weshalb der Prozessbevollmächtigte nicht von der Möglichkeit der Nutzung der „fast lane“ Gebrauch gemacht hat.
19 aa) Dass die Möglichkeit der Nutzung der „fast lane“ für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, besteht, war dem Prozessbevollmächtigten aufgrund des Schreibens der Steuerberaterkammer X vom bekannt. Sowohl bereits aufgrund der Einlegung der Beschwerde im November 2022 als auch aufgrund des Antrags auf Gewährung von Fristverlängerung im Dezember 2022 musste ihm bewusst sein, dass er zu dem im Schreiben genannten Personenkreis gehört.
20 bb) Aufgrund des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2022, 1057, Rz 9 musste dem Prozessbevollmächtigten außerdem bewusst sein, dass er ab dem gemäß § 52d Satz 2 FGO zur aktiven elektronischen Kommunikation mit dem BFH verpflichtet sein wird.
21 cc) Weshalb den Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz dieser beiden Umstände kein Verschulden daran treffen soll, die „fast lane“ nicht genutzt zu haben, um eine frühere Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware zu ermöglichen, begründet die Beschwerde nicht. Der Wiedereinsetzungsantrag ist deshalb abzulehnen.
22 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
23 4. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.280423.XIB101.22.0
Fundstelle(n):
BStBl 2023 II Seite 763
AO-StB 2023 S. 165 Nr. 6
AO-StB 2023 S. 166 Nr. 6
BB 2023 S. 1046 Nr. 19
BFH/NV 2023 S. 930 Nr. 7
DB 2023 S. 1201 Nr. 20
DStR 2023 S. 1081 Nr. 20
DStR 2023 S. 11 Nr. 18
DStRE 2023 S. 695 Nr. 11
GStB 2023 S. 29 Nr. 8
GmbHR 2023 S. 564 Nr. 11
NJW 2023 S. 10 Nr. 21
NJW 2023 S. 1759 Nr. 24
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2023 S. 1359
NWB-Eilnachricht Nr. 19/2023 S. 1359
StB 2023 S. 266 Nr. 9
StB 2023 S. 268 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 438
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 439
NAAAJ-39013