Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU; „Zweifelsfragen zur steuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen aufgrund der Änderungen im Zuge des Jahressteuergesetzes 2022“
BT-Drucksache 20/5428 vom
Bezug: BStBl 2021 I S. 2202
Sehr geehrter Frau Präsidentin,
namens der Bundesregierung beantworte ich die o. g. Kleine Anfrage wie folgt:
1. „Wie viele Kilowattstunden kann eine 30 kWp Anlage nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr durchschnittlich produzieren und wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen Erträge aus einer solchen Anlage, die künftig steuerfrei gestellt werden sollen?“
Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Nach im Internet verfügbaren Informationen (Quelle: www.energieversum.de) werden pro installierter kW (peak) durchschnittlich 100 kW/Jahr Strom produziert. Bei Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 30 kW (peak) können dementsprechend 30.000 kW/Jahr produziert werden. Die tatsächlichen Erträge schwanken je nach geographischer Lage, Alter der Anlage, Höhe der Einspeisevergütung (in Abhängigkeit vom Datum der Inbetriebnahme), der Ausrichtung der Photovoltaikanlage und des selbst verbrauchten Anteils an der produzierten Strommenge.
2. „Handelt es sich aus Sicht der Bundesregierung bei der Grenze von 100 kW (peak) gemäß § 3 Nummer 72 EStG um eine Freigrenze oder einen Freibetrag bzw. sind die Einnahmen für Steuerpflichtige mit Photovoltaikanlagen von insgesamt mehr als 100 kW (peak) weiterhin alle Einnahmen bis zu 100 kW (peak) steuerfrei und alle darüber hinausgehenden Einnahmen steuerpflichtig oder sind ab einer Gesamtleistung von 101 kW (peak) alle Einnahmen insgesamt als steuerpflichtig anzusehen?“
Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich um eine Freigrenze. Steuerliche Fragen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 72 Einkommensteuergesetz (EStG) werden kurzfristig mit den Vertretern und Vertreterinnen der obersten Finanzbehörden der Länder erörtert. Es ist beabsichtigt, zeitnah ein Anwendungsschreiben hierzu zu veröffentlichen.
3. „Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei nach § 3 Nummer 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlagen um Betriebsvermögen oder Privatvermögen i. S. d. EStR 4.2 Absatz 1?“
Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich bei mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Photovoltaikanlagen um Betriebsvermögen. Liegt hingegen eine sog. steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor, handelt es sich um Privatvermögen.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 hingewiesen.
4. „Handelt es sich beim Betrieb einer steuerbefreiten Photovoltaikanlage aus Sicht der Bundesregierung um sogenannte „Liebhaberei“?“
Auf die Antwort zur Frage 3 wird verwiesen.
5. „Ist das „Liebhabereiwahlrecht“ aus dem (GZ IVC 6 – S 2240/19/10006 :006, DOK 2021/1117804) aus Sicht der Bundesregierung mit Eintritt der Wirkung des Jahressteuergesetzes hinfällig?“
6. „Ist der Verkauf einer Photovoltaikanlage ab dem aus Sicht der Bundesregierung als in vollem Umfang steuerfrei einzustufen oder sind die anteiligen stillen Reserven, die bis entstanden sind steuerpflichtig aufzudecken?“
7. „Welche Konsequenzen hat die Steuerbefreiung einer Photovoltaikanlage ab aus Sicht der Bundesregierung auf in den Vorjahren eingestellte Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG?
Was soll aus Sicht der Bundesregierung mit in den Vorjahren zum Zweck der Anschaffung einer Photovoltaikanlage eingestellten Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG passieren?
Handelt es sich aus Sicht der Bundesregierung bei der steuerbefreiten Photovoltaikanlage um eine betriebliche Nutzung i. S. d. § 7g Absatz 1 EStG?
Zählt aus Sicht der Bundesregierung die gewinnerhöhende Hinzurechnung nach § 7g Absatz 2 EStG zu den steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nummer 72 EStG?
Hat die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungskosten i. S. d. § 7g Absatz 2 EStG aus Sicht der Bundesregierung in diesem Fall eine steuerliche Auswirkung?
Sind eingestellte Investitionsabzugsbeträge mangels Anschaffung aus Sicht der Bundesregierung rückwirkend aufzulösen i. S. d. § 7g Absatz 3 EStG, auch wenn die Anschaffung tatsächlich erfolgte?
Falls ja, nach welcher Vorschrift sollen bereits bestandskräftige Steuerbescheide aus Sicht der Bundesregierung mit eingestellten Investitionsabzugsbeträgen für nun steuerfreie Photovoltaikanlagen geändert werden können?
Können aus Sicht der Bundesregierung die eingestellten Investitionsabzugsbeträge auf andere Betriebe, wie zum Beispiel die Anschaffung in einem landwirtschaftlichen Betrieb, übertragen werden?
Ist die steuerliche Abziehbarkeit von Investitionsabzugsbeträgen zum Zwecke der Anschaffung einer steuerbefreiten Photovoltaikanlage in der Steuererklärung 2021 aus Sicht der Bundesregierung noch möglich?
Falls die eingestellten Investitionsabzugsbeträge rückgängig zu machen sind, ist die damit einhergehende Steuernachzahlung nach § 233a der Abgabenordnung (AO) aus Sicht der Bundesregierung zu verzinsen und wie rechtfertigt die Bundesregierung den für den Steuerpflichtigen dadurch entstehenden Nachteil?
Falls die eingestellten Investitionsabzugsbeträge rückgängig zu machen sind, welche Auswirkungen hat dies aus Sicht der Bundesregierung auf die Investitionssicherheit, Planungssicherheit und das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit der Gesetzgebung?“
8. „Kann die Möglichkeit eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g EStG aus Sicht der Bundesregierung zukünftig noch als Finanzierungsform zur Anschaffung einer Photovoltaikanlage genutzt werden und falls nein, welche Auswirkungen hat das Wegfallen dieser Finanzierungsform auf die Liquidität der Investoren und die Attraktivität derartiger Investitionen?“
9. „Welche Konsequenzen hat die Steuerbefreiung einer Photovoltaikanlage ab dem aus Sicht der Bundesregierung auf die Anwendung der Sonderabschreibung § 7g Absatz 5 EStG?“
10. „Welche Konsequenzen hat die Steuerbefreiung nach Kenntnis und aus Sicht der Bundesregierung auf eine bisher durch die Photovoltaikanlage gewerblich gefärbte Personengesellschaft nach § 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG und führt die Steuerbefreiung zu einer Zwangsbetriebsaufgabe bzw. der Aufdeckung der stillen Reserven?“
11. „Unterliegt die Schenkung oder Veräußerung einer Bestandsanlage von einem Ehegatten an einen anderen Ehegatten aus Sicht der Bundesregierung der Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 72 EStG?“
Die Fragen 5 bis 11 werden zusammen beantwortet.
Auf die Antwort zur Frage 2 wird verwiesen.
12. „Welche Anreizwirkung beabsichtigte die Bundesregierung als sie in ihren Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 eine rückwirkende Steuerbefreiung von PV-Anlagen ab 10 kWp bis 30 kWp ab dem aufnahm?“
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 sah eine Einführung der Regelung des § 3 Nummer 72 EStG erst ab dem vor. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wurde der Anwendungszeitpunkt auf den vorgezogen. Zu den Erwägungen wird auf den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 20/4729) verwiesen.
13. „In welchen Fällen handelt es sich aus Sicht der Bundesregierung bei dem Verkauf oder der Schenkung einer gebrauchten Photovoltaikanlage an den Ehegatten um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Absatz 1a UStG und in welchen Fällen handelt es sich um einen steuerpflichtigen Umsatz, auf den der Nullsteuersatz § 12 Absatz 3 UStG anzuwenden ist?“
Verkauft ein Unternehmer, der kein Kleinunternehmer ist und dessen Unternehmen im Betrieb einer Photovoltaikanlage besteht, seine Photovoltaikanlage oder übereignet er sie unentgeltlich an den Ehegatten, handelt es sich um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen § 1 Absatz 1a Umsatzsteuergesetz (UStG), wenn der Ehegatte das Unternehmen fortführt (insbesondere durch Eintritt in den bestehenden Stromeinspeisungsvertrag). Liegt keine begünstigte Geschäftsveräußerung vor, ist ein steuerpflichtiger Umsatz, der dem Nullsteuersatz unterliegt, oder eine Entnahme (siehe hierzu Antwort zu Frage 14) anzunehmen.
14. „Gilt die Entnahme von Photovoltaikanlagen aus dem Unternehmensvermögen in das Privatvermögen aus Sicht der Bundesregierung als Umsatz, der dem Nullsteuersatz § 12 Absatz 3 UStG unterliegt?“
Zur Thematik der Entnahme und unentgeltlichen Wertabgabe im Zusammenhang mit dem Nullsteuersatz gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abgestimmte Verwaltungsauffassung. Die Thematik ist jedoch Gegenstand eines BMF-Schreibens, welches derzeit mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt wird.
15. „Warum müssen Photovoltaikanlagenbetreiber, die ihre PV-Anlage vor angeschafft haben, weiterhin die wirtschaftliche Belastung durch die Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch tragen, wohingegen Anlagenbetreiber ab sofort zur Kleinunternehmerregelung § 19 UStG optieren können und dann der Eigenverbrauch umsatzsteuerfrei ist?“
Photovoltaikanlagenbetreiber, die ihre Photovoltaikanlage vor dem angeschafft haben, müssen nur dann die wirtschaftliche Belastung durch die Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch tragen, wenn sie auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG verzichtet und zur Regelbesteuerung optiert haben - z. B. um den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Anlage zu erhalten. Sie hätten alternativ auch die Möglichkeit gehabt, nicht auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten. In diesem Fall würde die Umsatzsteuer auf den Eigenverbrauch nicht erhoben - es bestünde systembedingt aber auch keine Vorsteuerabzugsberechtigung.
Bei der Anschaffung von Photovoltaikanlagen nach dem ist aufgrund des Steuersatzes von 0 % kein Vorsteuerabzug erforderlich. Photovoltaikanlagenbetreiber brauchen daher nicht mehr auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten, um die auf der Anschaffung der Anlage lastende Umsatzsteuer auszugleichen.
16. „Gibt es aus Sicht der Bundesregierung umsatzsteuerrechtlich die Möglichkeit, durch eine Entscheidung des Unternehmers die Zuordnung der Photovoltaikanlage zum Unternehmensvermögen aufzuheben bzw. von Anfang an nicht dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen (beispielsweise Verhältnis der privaten zur unternehmerischen Nutzung) ist dies aus Sicht der Bundesregierung möglich?“
Allgemein gilt die Anschaffung eines Gegenstandes (z. B. eine PV-Anlage), der zu weniger als 10 % für das Unternehmen genutzt wird, nicht als Leistung, die für das Unternehmen bezogen wird. In diesen Fällen ist eine Zuordnung des Gegenstandes zum Unternehmen nicht möglich.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 hingewiesen.
Mit freundlichen Grüßen
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BMF v. - IV C 6 - S
2121/23/10001 :004
Fundstelle(n):
NAAAJ-33936