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Grundlagen - Stand: 14.11.2022

Briefkastengesellschaft

Reinald Gehrmann

I. Definition der Briefkastengesellschaft

Unter einer Briefkastengesellschaft - auch Basisgesellschaft genannt - im weiteren Sinne versteht man eine Gesellschaft, die an ihrem satzungsmäßigen Sitz nur eine postalische Anschrift unterhält, während die Geschäftsführung an einem davon verschiedenen Ort, dem Verwaltungssitz, ausgeübt wird. Briefkastengesellschaften existieren vornehmlich in Ländern mit englischer Rechtsordnung, sind aber auch in den Niederlanden, der Schweiz und in Liechtenstein anzutreffen.

Sie dienen regelmäßig der Steuerhinterziehung durch Vorspiegelung von Leistungsbeziehungen oder der Verschleierung von Geldströmen.

Daneben ermöglicht die Gründung einer Briefkastengesellschaft den sie beherrschenden Personen oder Gesellschaften, die kontinentalen Rechtsformen zu umgehen, die vor allem innerhalb der EU regelmäßig eingehend normiert sind. So kann z.B. das Mindestkapital, das nach dem Recht dieser Staaten zur Gründung einer Kapitalgesellschaft erforderlich ist, deutlich reduziert oder fast gänzlich eingespart werden.

Im engeren Sinne bezeichnet man als Briefkastengesellschaften Gesellschaften, die entweder nur zum Schein gegründet werden oder aber solche, denen jedwede eigene wirtschaftliche Betätigung im Geschäftsleben, eigene Geschäftsräume sowie eigenes Personal – mit Ausnahme des notwendigen Verwaltungsrats und/oder des Geschäftsführers – fehlen.

Als Reaktion auf die Veröffentlichung der sog. „Panama Papers“ wurde das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) verabschiedet, das am in Kraft getreten ist (BGBl 2017 I S. 1682) und das u.a. eine Modifizierung bereits bestehender sowie die Schaffung neuer Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten vorsieht.

Am hat der Bundesrat dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen in der vom Bundestag am beschlossenen Fassung zugestimmt. Mit diesem Gesetz wurde die sog. EU-Amtshilferichtlinie (2011/16/EU), ergänzt durch die Richtlinie des Europäischen Rates der Europäischen Union (EU) 2018/822, durch Schaffung der §§ 138d - 138k AO in nationales Recht umgesetzt . Zu den Mitteilungspflichten hat die Finanzverwaltung in einem BMF-Schreiben Stellung bezogen.

Ferner stellt nunmehr eine Steuerhinterziehung unter Nutzung einer Briefkastenfirma zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen ein neues Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung dar (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO).

II. Erscheinungsform

Briefkastengesellschaften sind im Regelfall im niedrig besteuernden Ausland wirksam als Kapitalgesellschaften gegründet und in das örtliche Gesellschaftsregister eingetragen, ohne dass sie jedoch eine ihrem nominellen Gesellschaftszweck entsprechende Geschäftsausstattung unterhalten und entsprechende Leistungen von objektiv feststellbarem Wert erbringen.

Der gegenwärtige Umbruch im europäischen Gesellschaftskollisionsrecht durch verschiedene Entscheidungen des EuGH ermöglicht die Gründung von Briefkastengesellschaften in allen EU und EWR-Mitgliedstaaten, da Deutschland die nach dem Recht dieser Staaten wirksam gegründete Gesellschaften anzuerkennen hat, auch wenn der Verwaltungssitz in Deutschland liegt. Damit ist es Deutschland versagt, in solchen Fällen die hier geltende Sitztheorie anzuwenden, nach der ggf. ausländischen Gesellschaften die Rechtsfähigkeit als juristische Person versagt wird.

Werden Leistungsbeziehungen zu einer Gesellschaft, die in einem Mitgliedstaat der EU wirksam gegründet wurde, nicht anerkannt, kann dies einen Verstoß gegen die durch den EU Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit begründen, wenn es sich nicht um rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck der Steuerumgehung handelt.

Die Tätigkeit einer Briefkastengesellschaft im engeren Sinne erschöpft sich regelmäßig in der Unterhaltung einer Geschäftsadresse, eines „Briefkastens” mit einer Firmenbezeichnung. Mangels einer Geschäftsausstattung und geschäftlich aktiven Personals können sie in keinen Leistungsaustausch zu inländischen Steuerpflichtigen treten und Gegenleistungen für aus dem Inland an sie geleistete Zahlungen erbringen. Die mit ihnen formal geschlossenen Verträge sind regelmäßig als Scheingeschäfte zu qualifizieren, die nichtig sind.

Die Gründung einer Briefkastengesellschaft kann durch verschiedene wirtschaftliche Interessen der hinter ihr stehenden Personen motiviert sein. Beispielhaft zu nennen sind hier:

  • Die Erlangung von Abkommensvorteilen durch Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft, dem sog. „treaty shopping”,

  • die Verringerung der steuerlichen Belastung stiller Reserven z. B. immaterieller Wirtschaftsgüter durch frühzeitige Übertragung auf Gesellschaften im niedriger besteuernden Ausland

oder

  • die Begründung von – rein formalen - Leistungsbeziehungen zwischen inländischem Steuerpflichtigen und ausländischer Gesellschaft im niedriger besteuernden Ausland, um Betriebsausgaben zu fingieren oder Steuersubstrat zu verlagern.

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