Prüfungsfreie Zulassung zum Steuerberater nur für ehemalige Beamte und Angestellte der Finanzverwaltung
Leitsatz
Personen, die außerhalb der Finanzverwaltung mehr als 15 Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern in einer einem Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung zumindest gleichwertigen Stellung tätig gewesen sind, haben keinen Anspruch auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG. Diese Vorschrift verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Gesetze: StBerG § 38 Abs. 1 Nr. 4a
Instanzenzug: StB
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) möchte mit Rücksicht auf seine langjährige berufliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Steuerrechts von der Steuerberaterprüfung befreit werden. Er war nach seiner Ausbildung für den gehobenen Dienst der Landesfinanzverwaltung von Juli bis Oktober 1982 und von Januar bis Juli 1984 als Steuerinspektor bei einem Finanzamt, daran anschließend elf Monate beim Bundesamt für Finanzen beschäftigt. Dann hat er Rechtswissenschaft studiert und war von November 1993 bis März 2002 als Steuerjurist bei einer Gesellschaft für Wirtschaftsberatung, sodann bei einer Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft, später als selbständiger Steuerjurist beruflich tätig. Derzeit ist er Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzministerium) hat die Befreiung von der Steuerberaterprüfung abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht vorlägen; denn der Kläger sei nur rd. ein Jahr und neun Monate in der Finanzverwaltung beschäftigt gewesen. Seine späteren beruflichen Tätigkeiten könnten nach vorgenannter Vorschrift nicht berücksichtigt werden, selbst wenn sie auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern geleistet worden seien.
Die hierauf erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater setze voraus, dass die erforderliche langjährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerrechts als Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung abgeleistet worden ist. Ein sicherer Nachweis der besonderen Sachkunde, die eine Prüfungsbefreiung rechtfertigt, könne nur durch die Tätigkeit im Staatsdienst erbracht werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, der zusammengefasst Folgendes vorträgt:
Es sei eine nicht zu rechtfertigende Typisierung, sämtlichen ehemaligen Angehörigen der Finanzverwaltung ohne jeden weiteren Nachweis einer Qualifikation einen Rechtsanspruch auf die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater zu gewähren. Es dürfe nicht unterstellt werden, dass allein wegen einer Dienstzeit von 15 Jahren bei derart „vorgebildeten” Personen Steuerrechtskenntnisse vorlägen, welche diese befähigten, steuerberatend tätig zu werden. Denn der Beruf des Steuerberaters unterscheide sich grundlegend von dem des Finanzbeamten, der lediglich bereits realisierte Sachverhalte auf ihre steuerlichen Auswirkungen nach Maßgabe der Weisungen seines Dienstherrn zu untersuchen habe. Überdies gebe es in der Finanzverwaltung eine so breite Facette von Tätigkeiten, die zum Teil überhaupt keinen Bezug zum Steuerrecht mehr hätten. Eine 15-jährige Tätigkeit in der Finanzverwaltung sei daher im Allgemeinen nicht geeignet, die dem Gesetzgeber vorschwebende Vermutung einer Qualifikation für den Beruf des Steuerberaters nachzuweisen. Die betreffende Regelung des StBerG sei daher verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Verfassungsgemäß wäre allenfalls eine Regelung, die eine prüfungsfreie Bestellung für alle Personengruppen ermöglicht, die nachgewiesenermaßen über die entsprechende Expertise im Steuerrecht verfügen und darüber hinaus eine entsprechend lange Tätigkeit nachweisen können. Im Übrigen habe der Kläger Zweifel, ob die betreffende Regelung mit Europarecht vereinbar sei.
II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache nicht die ihr von der Beschwerde sinngemäß beigelegte grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob Personen, die mehr als 15 Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern in einer einem Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung zumindest gleichwertigen Stellung tätig gewesen sind, ebenso wie ehemaligen Beamten des gehobenen Dienstes und vergleichbaren Angestellten, die eine solche Tätigkeit nachweisen können, die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater zu gestatten ist, kann nur so —verneinend— beantwortet werden, wie es das FG getan hat, ohne dass dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte.
Die Regelung im StBerG ist insofern klar und eindeutig, wie das FG zutreffend ausgeführt hat und was der Kläger offenbar selbst nicht in Zweifel ziehen will. Danach können —von anderen hier nicht in Betracht zu ziehenden Befreiungsmöglichkeiten abgesehen— nur ehemalige Beamte des gehobenen Dienstes und vergleichbare Angestellte der Finanzverwaltung, die mindestens 15 Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern als Sachbearbeiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung (i.E. in der Finanzverwaltung) tätig gewesen sind, von der Steuerberaterprüfung befreit werden (§ 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG). Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen unstreitig nicht. Er kann daher nach vorgenannter Vorschrift von der Steuerberaterprüfung nicht befreit werden.
Die Rechtssache wirft auch keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen.
Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde läuft darauf hinaus, dass der Gesetzgeber, wenn er ehemaligen Finanzbeamten unter den vorgenannten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Prüfungsbefreiung eröffnet, es nicht ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG hätte unterlassen dürfen, dieselbe Möglichkeit einer Befreiung von der Steuerberaterprüfung auch Personen zu eröffnen, die —wie der Kläger— durch eine entsprechend langjährige berufliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Steuern außerhalb der Finanzverwaltung eine vergleichbare (oder sogar bessere) Sachkunde erworben haben, welche sie bei typisierender Betrachtung nicht weniger als die ehemaligen Finanzbeamten zur Ausübung des Berufes eines Steuerberaters befähigt.
Dass der Gesetzgeber bei Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG eine Regelung treffen müsste, die auch Personen wie dem Kläger die prüfungsfreie Bestellung eröffnet, kommt freilich von vornherein schwerlich ernstlich in Betracht, wie gerade das Vorbringen der Beschwerde zeigt und worauf noch zurückzukommen ist. Das vom Kläger gerügte „relative” Unterlassen des Gesetzgebers dürfte eher, wenn es mit Art. 3 Abs. 1 GG tatsächlich nicht zu vereinbaren wäre, zur Folge haben, dass der Gesetzgeber durch eine entsprechende Änderung des § 38 StBerG die Befreiung von der Steuerberaterprüfung in einer mit dem Gleichheitssatz vereinbaren Weise neu dahin gestalten müsste, dass er die Möglichkeit einer Prüfungsbefreiung bei Personen beseitigte, deren Qualifikation derjenigen von Personen wie dem Kläger vergleichbar ist (vgl. , BVerfGE 8, 28).
Unbeschadet dessen hinge allerdings die Entscheidung des beschließenden Senats in dem angestrebten Revisionsverfahren von der Verfassungsmäßigkeit des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG ab: Entspricht nämlich diese Vorschrift dem GG, so müsste es bei der Abweisung der Klage bewenden; sollte die Bestimmung jedoch unvereinbar mit der Verfassung sein, so müsste in dem angestrebten Revisionsverfahren durch Anrufung des BVerfG gemäß Art. 100 GG diesem Gelegenheit gegeben werden, die Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Unterlassens zu prüfen, seine Verfassungswidrigkeit festzustellen und damit den Gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen, den Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Solange nicht feststeht, ob er dies durch Erweiterung der Möglichkeit einer prüfungsfreien Bestellung als Steuerberater auch für Personen wie den Kläger täte, wäre das Revisionsverfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber gesprochen hätte (, BVerfGE 64, 158).
Die Möglichkeit, dass der Kläger auf diesem Wege sein Ziel, von der Prüfung befreit zu werden, trotz der dem entgegenstehenden Regelung des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG doch noch erreichen könnte, würde die Zulassung der Revision allerdings nur dann rechtfertigen, wenn die Vereinbarkeit der bestehenden gesetzlichen Regelung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht klar und eindeutig zu bejahen wäre und der Prüfung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Das ist indes aus folgenden Gründen nicht der Fall:
Personen die prüfungsfreie Bestellung zum Steuerberater zu ermöglichen, die langjährig einen Beruf ausgeübt haben, der eine Bestellung als Steuerberater nicht voraussetzte, der jedoch unbeschadet mehr oder weniger großer Unterschiede zu der Tätigkeit eines Steuerberaters wie diese mit der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze zu tun hatte, entspricht dem öffentlichen Interesse, berufliche Flexibilität im Sinne der „Durchlässigkeit” zwischen den einzelnen auf dem Gebiet des Steuerrechts bestehenden Berufswegen nicht mehr zu behindern, als infolge des Anliegens des Gesetzgebers unvermeidlich ist, die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen Personen vorzubehalten, die dafür eine entsprechende Sachkunde besitzen. Die berufliche Flexibilität insoweit zu fördern, kann als dringlich oder sogar aufgrund des Art. 12 Abs. 1 GG geboten allerdings nur bei Personen erscheinen, die ohne eine Bestellung als Steuerberater von einer geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen ausgeschlossen wären, obwohl sie die dafür vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene persönliche Qualifikation besitzen. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht, weil er als Rechtsanwalt ungeachtet einer Bestellung als Steuerberater ohnehin zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist. Er kann überdies bei Erfüllung der betreffenden standesrechtlichen Voraussetzungen als Fachanwalt für Steuerrecht auftreten; ihm steht also sogar ein anderer Weg als der der Bestellung als Steuerberater offen, um seine besondere Sachkunde auf dem Gebiet des Steuerrechts nach außen hin deutlich zu machen.
Aber auch wenn man davon absieht, dass es schon aus diesem Grunde nicht von Verfassungs wegen erforderlich erscheinen dürfte, die von dem Kläger auf dem Gebiet des Steuerrechts erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zum Anlass seiner Befreiung von der Steuerberaterprüfung zu nehmen, entbehrt es nicht einer sachlichen Rechtfertigung und ist nicht willkürlich, Nebentätigkeiten wie die des Klägers bei einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft während seiner Studienzeit sowie irgendwelche freiberuflichen oder nichtselbständigen Tätigkeiten auf dem Gebiete des Steuerrechts oder gar die Zeit der Anfertigung einer steuerrechtlichen Dissertation für eine Befreiung von der Steuerberaterprüfung nicht ausreichen zu lassen bzw. in diesem Rahmen nicht zu berücksichtigen. Einen der dafür entscheidenden Gesichtspunkte hat bereits das FG mit Recht angeführt, dass nämlich nur die Tätigkeit eines Sachbearbeiters in der Finanzverwaltung ein einigermaßen festumrissenes Tätigkeitsfeld bezeichnet und dass sich bei einer entsprechenden Tätigkeit in der Finanzverwaltung anders als bei sonstigen beruflichen oder gar Nebentätigkeiten einigermaßen leicht und sicher nachprüfen lässt, ob die Vermutung gerechtfertigt ist, dass der betreffende Befreiungsbewerber durch diese Tätigkeit ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen für eine Bestellung als Steuerberater erworben hat.
Anscheinend will all dies nicht einmal die Beschwerde selbst in Zweifel ziehen. Wenn sie indes stattdessen sinngemäß vorträgt, es sei sachwidrig, für ehemalige Finanzbeamte aus dem gehobenen Dienst der Finanzverwaltung unter den näheren Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG die Möglichkeit einer prüfungsfreien Bestellung zum Steuerberater zu eröffnen, denn es sei bei den Betreffenden nicht die Vermutung gerechtfertigt, dass sie durch diese Tätigkeit die für eine Bestellung als Steuerberater erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen erworben haben, so kann dies nicht nur nicht dem Begehren des Klägers, selbst ebenfalls prüfungsfrei bestellt zu werden, zum Erfolg verhelfen, sondern es könnte auch eine Vorlage der genannten Regelung gemäß Art. 100 GG nicht rechtfertigen. Denn dann wäre nicht die Erweiterung des Kreises derjenigen, die prüfungsfrei als Steuerberater bestellt werden können, von Verfassungs wegen geboten, sondern nur die Streichung oder jedenfalls Neufassung des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG in einer Weise, welche dem Kläger nicht zugutekommen würde. Einer diesbezüglichen Vorlage nach Art. 100 GG würde dementsprechend die Entscheidungserheblichkeit fehlen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 411 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2008 S. 506
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2008 S. 282
MAAAC-69464